Salzuflerin gibt geschundenen Hühnern aus Massenhaltung ein zweites Leben

Bad Salzuflen/Biemsen-Ahmsen. Der Hals ist fast vollkommen kahl, aus den Flügeln ragen Knochen heraus: Die Hühner, die Petra Stüker bei sich aufgenommen hat, sind in einem jämmerlichen Zustand. Gut ein Jahr haben sie als Legehennen in einem Betrieb im Sauerland gedient, ihre nächste Station wäre das Schlachthaus gewesen. Dank Stüker haben die vier Federtiere nun ein zweites Leben geschenkt bekommen. Über den Verein &bdquo;Rettet das Huhn“ hat die 57-Jährige die Tiere bei sich aufgenommen.

Einzelne Lebewesen haben in Industrie keinen Wert

&bdquo;Es treibt einem fast jedes Mal die Tränen in die Augen, wenn die Hühner zum ersten Mal ein Sandbad unter freiem Himmel nehmen und ihre Flügel ausbreiten können“, sagt die Bad Salzuflerin. Die Tiere sind das Produkt einer aufs äußerste Effizienz getrimmten Industrie, in dem das einzelne Lebewesen keinen Wert hat.

Laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft werden die Hühner mit 5 Monaten eingestallt, für eine Zeitraum von 12 bis 14 Monaten werden sie dann für die &bdquo;Eierzeugung genutzt“. Die hochgezüchteten Tiere legen bis zu 320 Eier pro Jahr. Weil die Legeleistung dann abnimmt, werden sie aussortiert und im Regelfall geschlachtet und oft zu Tierfutter verarbeitet. Viele Hühner verendeten aufgrund der Lebensbedingungen bereits vorher, sagt Stüker.

Elender Tod für männliche Küken

Laut &bdquo;Rettet das Huhn“ werden jedes Jahr 48 Millionen Legehennen geschlachtet, dazu kommt noch mal etwa die gleiche Zahl von männlichen Küken, die bei der Züchtung von neuen Legehennen aussortiert und getötet werden: lebendig geschreddert oder vergast.

Es gibt aber auch Halter, die mit dem Verein &bdquo;Rettet das Huhn“ zusammenarbeiten. Sie überlassen die aussortierten Legehennen dem Verein, dessen Mitarbeiter die Tiere dann ausstallen. Sie holen nur so viele Tiere, wie sie zuvor bereits vermittelt haben.

Tiere kommen aus dem Saarland nach Bad Salzuflen

So landen die Tiere schließlich bei Menschen wie Petra Stüker. Zwar müssen die Halter die Tiere dem Verein kostenlos zur Verfügung stellen. Ganz uneigennützig sei das aber nicht unbedingt. &bdquo;Für die ausgemergelten Hühner gibt es beim Schlachter nur ein paar Cent, die Kosten für den Transport und die Ausstallung sind unterm Strich manchmal höher als die Tiere zu verschenken“, sagt Stüker. Ihre neuen Hühner stammen von einem vergleichsweise kleinen Betrieb aus dem Sauerland, der laut &bdquo;Rettet das Huhn“ &bdquo;nur“ ein paar Tausend Tiere hält. Es gebe aber auch Anlagen mit mehr als 120.000 Hühnern.

Bei den Tieren, die Stüker bei sich aufgenommen hat, handelt es sich übrigens um Tiere aus Bodenhaltung. Aus Stükers Sicht ist das aber oftmals reine Augenwischerei. Zwar ist Käfighaltung in Form sogenannter Legebatterien in Deutschland seit 2010 verboten, das Leben der Hühner habe sich trotzdem nicht wesentlich verbessert. Denn auch die Haltung in mehreren Etagen ist weiterhin erlaubt.

Insgesamt sechs Tiere aus Massenhaltung

Es sind nicht die ersten Tiere, die Stüker aus den Händen des Vereins nimmt. Zehn Hühner hat sie aktuell, sechs Tiere stammer aus der Massenhaltung.

&bdquo;Wenn sie hier ankommen, sind sie oft völlig ausgemergelt und der Kamm fast weiß und papierartig“, sagt Stüker. Aber es gebe auch Tiere mit gebrochenen Beinen und wuchernden Geschwüren, die zunächst mal einen Tierarzt bräuchten. Mit Mais, Nudeln, Reis, Wassermelonen und getrockneten Mehlwürmern päppelt sie die Hühner wieder auf.

Prägendes Erlebnis in der Kindheit

Woher stammt ihre Empathie? Ein Erlebnis, das sich der Bankangestellten eingeprägt hat, ist der Besuch einer Legebatterie zusammen mit ihrem Vater. Da sei sie noch ein kleines Mädchen gewesen. &bdquo;Er hatte hier in Ahmsen einen Lebensmittelladen und hat auf dem Hof Eier gekauft.“ Als ihr Vater mit dem Chef im Gespräch gewesen sei, habe sie sich in den Stall geschlichen. &bdquo;Der Gestank und der Lärm hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt“, berichtet sie. In einem der Käfige habe ein verletztes Huhn gelegen, das sie mitnehmen und retten wollte. &bdquo;Da ist ein Arbeiter gekommen und hat gesagt, dass ich es liegen lassen soll, die toten Hühner würden morgen aussortiert.“

Für Stüker ist klar, dass sie keine Eier aus Massentierhaltung isst. Auch wenn die geretteten Hühner für die Industrie keinen Wert mehr haben, Eier legen sie trotzdem noch. Die verwendet sie selbst oder verschenkt sie. Vegetarierin ist Petra Stüke übrigens nicht. &bdquo;Ich ernähre mich fleischarm“, sagt sie. Rindfleisch beziehe sie von einem Hof in der Nähe. &bdquo;Dort weiß ich, wie die Tiere leben.“

Drei bis vier Monate bis zu einem normalen Zustand der Tiere

Ihre Hühner sterben aber eines natürlichen Todes, so sehen es auch die Bedingungen vor, die der Verein &bdquo;Rettet das Huhn“ vorgibt. In der Regel dauere es drei bis vier Monate, bis die Hühner wieder in einem äußerlich normalen Zustand seien, sagt Petra Stüker. Die Lebenserwartung sei aber deutlich geringer als bei einem Huhn, das immer unter natürlichen Bedingungen gelebt hat. &bdquo;Statt acht bis zehn Jahre werden die Tiere nur drei bis vier Jahre alt“, sagt Stüker.

Ob sie mit der Abnahme der Tiere aus der Massenhaltung nicht in gewisser Weise die Industrie, die sie ablehnt, unterstützt? &bdquo;Ich kann die Welt nicht retten“, sagt Petra Stüker, &bdquo;aber für das Tier die Welt.“

Der Verein

Der Verein &bdquo;Rettet das Huhn“ vermittelt Hennen an Privatpersonen. Neben einem geschützten Stall muss eine ausreichend große Freilauffläche von mindestens 10 Quadratmeter pro Huhn vorhanden sein. Zum Vergleich: Bei der Bodenhaltung sind 0,11 Quadratmeter vorgeschrieben. Die Tiere dürfen nicht geschlachtet werden. &bdquo;Die Eier, die die Hennen natürlich noch legen, dürfen gern verwendet werden, denn jedes Ei, das ein Huhn in Privathaltung legt, ist eins weniger, das im Supermarkt aus Qualhaltung gekauft wird“, heißt es. Kontakt: www.rettet-das-huhn.de .

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