Alt gemixt mit Neu im Fachwerk: Ein historisches Haus in modernem Gewand

Bad Salzuflen. Eigentlich wollte Architekt Günter Dahm (66) aus dem denkmalgeschützten Fachwerkhaus an der Wenkenstraße 12 ein Zweifamilienhaus machen. Im Kopf hatte er alles genauestens durchdacht, die Sanierung war schon relativ weit, das Häuschen fast fertig eingerichtet. Da traf er auf Inken Brinkmann-Nicklaus (36). Sie überzeugte ihn davon, dass eine gewerbliche Nutzung vielleicht doch gar nicht so schlecht wäre.

Heute betreibt sie hier als Dahms Mieterin auf drei Etagen ihren Wellness- und Friseursalon &bdquo;GegenwArt" und bietet im Dachgeschoss noch eine Ferienwohnung mit separatem Eingang an. Günter Dahm ist trotzdem zufrieden, er könne sich keine bessere Mieterin vorstellen. Und die Sanierung? &bdquo;Ist viel besser geworden als erwartet", sagt er. Er nimmt die LZ mit auf einen Gang durch das historische Haus von 1576.

Luftige Galerie mit dicken Stahlträgern

Im Eingangsbereich fällt sofort die luftige Galerie mit den dicken Stahlträgern ins Auge, Dahm hat die Zwischendecke im vorderen Bereich herausgenommen und die alte Deelen in voller Höhe freigelegt. &bdquo;Wir haben das so gemacht, wie es ursprünglich einmal war", sagt er. Dicke Holzbalken teilen den Raum im hinteren Bereich, sie bilden einen Kontrast zur modernen Küche. Ein Hingucker ist am Boden zu finden: Hier hat Dahm einen alten Keller gefunden, freigelegt und mit begehbaren Glasplatten versehen, durch die ein Blick hinab geworfen werden darf. Dabei ist der Keller nicht nur Zierde – genutzt wird er auch als Lagerraum und für die Haustechnik.

2015 erwirbt Dahm das Haus vom Vorbesitzer – der hatte daraus eigentlich ein Atelier machen wollen, doch dazu sollte es aus persönlichen Gründen nie kommen, erzählt Dahm. Die Fenster vernagelt, das Dach mit Netzen gesichert. &bdquo;Es war eine Ruine", sagt Dahm.

Abgeschreckt hat ihn das trotzdem nicht, auch wenn er hier eine Kernsanierung vor der Brust hatte. Er beginnt mit finanzieller Unterstützung aus einem Fassadenprogramm mit der äußeren Hülle und der Dacheindeckung, zeigt Fotos des Baufortschritts in einem dicken Fotoalbum. Vom Dach kann vieles erhalten bleiben, dafür müssen die Fenster komplett getauscht werden.

Fund aus der Original-Zeit

Und als er die alte Giebelverschalung in Richtung Wenkenstraße abnimmt, wartet noch eine Überraschung: Es kommen die senkrechten Original-Verbretterungen aus Eichenholz von 1576 zum Vorschein – sie sind heute wieder sichtbar. Im Inneren wird alles entkernt und neu gemacht, aber mit historischen Baustoffen wieder aufgebaut. Besonders kniffelig: Die Wärmedämmung von Innen, für die er sich eigens den Rat eines Bauphysikers als Experten dazu holt.

Obwohl das Haus zuletzt als Laden genutzt wurde, kam für den Architekten immer nur eine Wohnnutzung in Frage. Bis er Inken Brinkmann-Nicklaus kennenlernt. Sie betreibt seit 2013 einen Friseursalon im Judengang am Salzhof und ist schon länger auf der Suche nach einer neuen Bleibe für ihren Laden. Das alte Fachwerkhaus an der Wenkenstraße hat sie schon im Blick, als es noch nicht einmal Dahm gehört, Brinkmann-Nicklaus besucht sogar mal den vorherigen Bewohner, einen Schneider, erzählt sie.

400.000 Euro investiert

Doch die Sanierung eines unter Denkmalschutz stehenden Hauses, das traut sie sich nicht zu. Eher durch Zufall fällt ihr das Haus eines Tages wieder ins Auge, als Dahm schon kräftig am Renovieren ist. Sie darf einen Blick hinein werfen, man kommt ins Gespräch. Und sie kann Günter Dahm davon überzeugen, sie als Mieterin aufzunehmen. &bdquo;Das Haus ist doch für einen Friseur wie gemacht", sagt sie. Zu dem Zeitpunkt saniert Dahm schon fast zwei Jahre, hat rund 400.000 Euro investiert. 2016 eröffnet Brinkmann-Nicklaus ihren Salon an der Wenkenstraße.

Ein wenig scheint es, als hätten sich die beiden gesucht und gefunden. Günter Dahm liebt das Upcycling, die Kombination aus Alt und Neu, überall im Haus verteilt finden sich Flohmarktfunde, denen er eine neue Nutzung und damit neues Leben eingehaucht hat. Und seine Mieterin? Die hat genauso einen Hang zu alten Möbeln. &bdquo;Das passte gut", sagen die beiden.

Inken Brinkmann-Nicklaus hat Dahms schon vorhandene Einrichtungsgegenstände gezielt in ihr Konzept integriert – so hat das modern geflieste Bad im Obergeschoss eine Schiebetür aus einer alten Schranktür, unten stehen Shampoofläschchen auf einem Kaminofen. Trendige Bilder hängen an dicken Backsteinwänden, urige Holzschränke, die Brinkmann-Nicklaus selbst mitgebracht hat, dienen als Stauraum. Auf 180 Quadratmetern und vier Etagen ist so der perfekte Mix aus Alt und Neu entstanden. Und Günter Dahm hat es geschafft, dem alten Häuschen seinen historischen Charme in neuem Gewand zurückzugeben.

Vom Ackerbürgerhaus mit Deele zum Wohnhaus mit Geschäft

Das Gebäude an der Wenkenstraße 12 wurde auf einer schmalen Parzelle von nicht einmal sechs Metern Breite und gut zwölf Metern Länge als giebelständiger Fachwerkbau errichtet. Der Kernbau stammt aus den Jahren 1575/76, ein Fachwerkständer konnte sogar bis auf Ende 1548 zurückdatiert werden. Mehrfache Umbauten des Hauses dokumentieren seine unterschiedliche Nutzung – vom Ackerbürgerhaus mit Deele hin zum Wohnhaus mit Geschäft, wie die Denkmalpflege der Stadt schreibt.

So wurde zunächst 1740 das äußere Erscheinungsbild des Hauses nachhaltig verändert, 1844 wurde dann die hohe Deele aufgegeben und eine Zwischendecke eingezogen. 1924 entstand ein Laden im vorderen Teil des Gebäudes, dafür wurden eine mittlere Tür sowie ein Schaufenster im Erdgeschoss der Straßenfassade eingebaut.

Seit 1990 steht das Haus unter Denkmalschutz. Es ist laut Stadt &bdquo;von besonderer örtlicher Bedeutung, weil es eines der typischen Fachwerkhäuser darstellt, aus denen die alte Stadt einmal fast ausschließlich bestand und von denen nur noch wenige erhalten sind." Jahrelang stand das Gebäude leer und drohte zu verfallen. 2015 erwarb Günter Dahm das Fachwerkhaus und sanierte es unter Wahrung der historischen Substanz. Dabei wurde auch die ursprüngliche Eingangssituation von vor 1924 wieder hergestellt.

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