Jetzt geht's vor Gericht: Krähender Hahn bringt Nachbarn zur Weißglut

Bad Salzuflen. Allein an diesem Morgen hat er innerhalb von eineinhalb Stunden 73 Mal gekräht, Jutta Krajewski (77) hat genau mitgezählt und sich alles notiert. Seit vier Jahren geht das so, von früh bis spät, tagein, tagaus – seit der Nachbar einen Hahn hält. Jutta Krajewski und ihr Lebensgefährte Friedrich-Wilhelm Biermann (76) sind mit den Nerven am Ende. Weil sie keinen anderen Ausweg mehr wissen, ziehen sie jetzt wegen Lärmbelästigung vor Gericht. Hätte es keine einvernehmliche Lösung gegeben? &bdquo;Wir haben alles versucht“, sagt Biermann.

Der frühere Ratsherr sitzt an diesem Vormittag auf der kleinen Terrasse hinter seinem Haus an der Baumstraße, der Blick geht ins Grüne, ruhig und idyllisch ist es im Wohngebiet. Gemeinsam mit seiner Partnerin gehört ihm das Haus, die beiden wohnen seit zwölf Jahren hier.

Hühner waren nie ein Problem Für das Foto hat Jutta Krajewski den Freisitz im Schatten der Bäume im hinteren Teil des Gartens hergerichtet – eigentlich macht sie das kaum noch, sagt sie. Zu laut sei das Geschrei des Hahns, der zunächst nur wenige Meter entfernt, direkt hinter der Grundstücksgrenze gehalten wurde.

Die Hühner des Nachbarn, die seien nie ein Problem gewesen. Doch als er sich 2018 einen Hahn anschaffte, war es vorbei mit der Ruhe. &bdquo;Anfangs krähte der bis zu 200 Mal am Tag“, erinnert sich Biermann. Er suchte das Gespräch mit dem Nachbarn, ohne Erfolg.

In einem Schreiben Ende 2019 forderte Biermann ihn auf, den Hahn abzuschaffen. Er verwies darauf, dass es in Wohngebieten – anders als in ländlichen Gegenden – eben nicht üblich sei, derartige Haustiere zu halten und das Krähen des Gockels eine Eigentumsstörung darstelle. &bdquo;Zumal solche Tiere im Wohngebiet meiner Ansicht nach nicht artgerecht gehalten werden“, sagt er.

Der Nachbar isolierte daraufhin den Stall, zumindest die Nachtruhe sei ja immer gegeben gewesen, sagt Biermann. Doch tagsüber krähe der Hahn von früh bis spät. &bdquo;Bis die Sonne untergeht, zuletzt bis nach 21 Uhr“, sagt Biermann. Auch von Mittagsruhe könne keine Rede sein, oft sei er aus dem Schlaf gerissen worden. Oft flüchte er dann auf sein Gartengrundstück.

Sohn will vermitteln - ohne Erfolg Inzwischen sei zwischen ihm und dem Nachbarn gar kein normales Gespräch mehr möglich. &bdquo;Es gibt nur noch Gebrüll“, sagt Biermann. Sein Sohn sei eigens aus Stuttgart gekommen, um zu vermitteln – daraufhin habe der Nachbar immerhin den Stall auf die andere Seite seines Grundstückes gesetzt. Doch Biermann reicht das nicht. &bdquo;Jetzt sind es 30 statt 13 Meter“, sagt er. Das Geschrei sei nach wie vor zu hören. &bdquo;Vorher waren es 80, jetzt sind es noch 60 Dezibel“, sagt er. Auch Polizei und Ordnungsamt habe er verständigt, doch keiner fühle sich zuständig.

Viermal ist das Paar gegen den Nachbarn vors Schiedsgericht gezogen, auch das ohne Erfolg. Biermann hat nun Klage eingereicht, er wartet auf einen Gerichtstermin vor dem Amtsgericht Lemgo. Seine Partnerin ist schon einen Schritt weiter – ihre Klage wird heute verhandelt.

Was Jutta Krajewski am meisten stört? &bdquo;Dass es ihn gesundheitlich mitnimmt“, sagt sie und blickt zu ihrem Partner. Auch sie selbst leide unter der Situation, hat beim Erzählen Tränen in den Augen. Es belaste sie einfach so. Auch ihre Töchter hätten das gemerkt, dem Nachbarn angeschrieben, um Rücksichtnahme gebeten. Ohne Erfolg.

"Alle sind davon genervt" Auch eine Unterschriftenaktion, an der sich 13 umliegende Nachbarn beteiligt haben, wurde initiiert. &bdquo;Alle sind davon genervt“, sagen Biermann und Krajewski. Zwei ihrer Mieter hätten inzwischen gekündigt – auch wegen des Hahns. Eine Nachbarin verweist in einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, auf die &bdquo;erhebliche Lärmbelästigung“ durch den Hahn, der den gesamten Tag über krähe. &bdquo;Obwohl mein Südbalkon zum Verweilen einlädt, kann ich ihn nicht nutzen. Es nervt einfach.“

Jutta Krajewski hat unzählige Lärmprotokolle geführt, wenn es gar nicht mehr geht, dreht sie das Radio lauter. &bdquo;Es ist wie Folter“, sagt das Paar. Eigentlich wollten sie hier ihren Alterssitz finden, es sollte ein Ruhepol sein. Nun hoffen sie auf Erfolg vor Gericht. Ein Kompromiss? Biermann wüsste keinen. Den Hahn den kompletten Tag einzuschließen, das sei mit dem Tierwohl auch nicht zu vereinbaren, sagt er. &bdquo;Er muss weg, das ist die einzige Option.“

Der Besitzer des Hahns sowie seine Anwältin waren mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht bereit, ihre Sicht der Dinge zu schildern.

Regelungen rund um den Lärm Generell ist für Lärmbelästigungen auch das Ordnungsamt zuständig, im Fall eines krähenden Hahns trete es aber normalerweise nicht in Erscheinung, heißt es aus dem Rathaus. Im allgemeinen Wohngebiet liegen die Immissionsrichtwerte bei 55 db(A) tagsüber (6-22 Uhr) und 40 db(A) nachts.

Laut Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung ist es hier verboten, Rasenmäher an Sonn- und Feiertagen ganztägig und an Werktagen zwischen 20 und 7 Uhr zu nutzen. Für &bdquo;lärmrelevante Geräte“ gilt ein Betriebsverbot von 7 bis 9, 13 bis 15 und 17 bis 20 Uhr.

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