Nur mal kurz die Welt retten? Was diese Salzufler Abiturientin (19) in Uganda vorhat

Bad Salzuflen. Eine Dusche mit fließend warmem Wasser wird sie in Hoima wohl nicht vorfinden. Das ist Emili-Claire van Buiten nach ihren Recherchen bereits bewusst. Seit rund einem Monat weiß die 19-jährige Abiturientin, dass sie in der 40.000-Einwohner-Stadt im Westen von Uganda ihr Auslandsjahr verbringen wird. Uganda zählt zu den ärmsten Ländern der Welt.

Hoima trägt den Spitznamen &bdquo;Oil City“, weil sich in der Region die größten bekannten Erdölvorkommen Ugandas befinden und die Stadt zum Knotenpunkt der entstehenden Ölindustrie geworden ist. Die Bevölkerungszahl wächst so schnell, dass die Daten im Netz nicht schritthalten. Als Freiwillige wird van Buiten über das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Programm &bdquo;weltwärts“ im September in das ostafrikanische Land reisen und dort unentgeltlich in einem landwirtschaftlichen Projekt arbeiten - wenn alles gut geht, ein ganzes Jahr lang.

Unterbringung in einer Gastfamilie Wenn alles gut geht: Dieser Zusatz ist nicht unwichtig. Denn van Buiten hat bei ihrer älteren Schwester erlebt, dass es durchaus zu Problemen kommen kann. &bdquo;Sie sollte in Namibia eigentlich in einem Kinderheim arbeiten, in einem sehr kleinen Dorf. Doch die Kinder waren nur stundenweise dort und man hatte dort eigentlich keine Verwendung für sie.“ Die junge Frau fühlte sich fehl am Platz - und kehrte bereits nach sechs Monaten nach Hause zurück. Die 19-Jährige hofft auf einen positiveren Verlauf. Vom Kolpingwerk, der katholischen Organisation, die sie entsendet, wird sie in Seminaren auf den Aufenthalt vorbereitet. Allerdings gibt es auch noch viele Leerstellen: So wird die ehemalige Schülerin der Gesamtschule Aspe ihre Gastfamilie erst vor Ort kennenlernen.

Ihre Eltern, sagt van Buiten, machten sich schon Gedanken. Ja, auch Sorgen. Vor allem, weil das Gesundheitssystem von europäischen Maßstäben meilenweit entfernt ist. Doch sie unterstützen die junge Frau, die neben der älteren Schwester auch noch einen kleineren Bruder hat. &bdquo;Sie sehen, dass der Aufenthalt dort wichtig ist für meine Selbstentwicklung.“ Sie selbst möchte sich vor Ausbildung oder Studium eine kleine Auszeit nehmen, um sich völlig anderen Eindrücken auszusetzen. Von ihrer Schwester weiß sie: &bdquo;Man lernt dadurch viel über sich selbst.“ Doch wie wichtig sind bei der Entscheidung für ein Auslandsjahr eigentlich die Belange der Menschen vor Ort?

Weiße Überheblichkeit? Freiwilligendienste ermöglichen es jungen Menschen, globale Zusammenhänge zu verstehen, Vorurteile abzubauen und die Basis für ein langfristiges Engagement für eine gerechtere Welt zu legen - das sagen Befürworter solcher Programme. Die positiven Aspekte sind auch der Grund, warum das BMZ &bdquo;weltwärts“-Aufenthalte seit 2008 mit einer 75-prozentigen Kostenübernahme finanziert. Den Rest stemmen die Partnerorganisation und der oder die Freiwillige selbst, etwa über Spenden. Seit dem Start nahmen bereits mehr als 50.000 junge Deutsche teil.

Kritiker bemängeln, dass die Volunteer-Programme dem sogenannten &bdquo;White Saviourism“ Vorschub leisteten, also dem Umstand, dass sich weiße Menschen als &bdquo;Retter“ gegenüber Menschen aus dem Globalen Süden inszenieren, oft gut gemeint, aber überheblich und ohne echtes Verständnis für lokale Strukturen oder Bedürfnisse. Das Budget - beim BMZ waren es 2020 41 Millionen Euro - ließe sich anders sinnvoller einsetzen.

Privilegien hinterfragen Emili-Claire van Buiten kennt die Kritik. Es seien &bdquo;staatlich finanzierte Abenteuerreisen für Ethno-Touristen“ fasste die Zeitung &bdquo;Welt“ diese einst zusammen. Die Volunteers seien zudem unausgebildete Kräfte, die nur kurzfristig (Mindestdauer sind sechs Monate) auftauchen. Die junge Salzuflerin findet, das geht am Thema vorbei. Warum nicht beides vereinbaren: Den Horizont erweitern und etwas Gutes tun? Sie sieht darin keinen Widerspruch. Die &bdquo;weltwärts“-Programme ermöglichten den einjährigen Tapetenwechsel auch jungen Leuten, die sonst wohl kaum die Mittel dazu hätten. So muss die 19-Jährige selbst oder über Spender für das Jahr lediglich 3600 Euro aufbringen, zudem wird sie vor Ort von der Organisation unterstützt, muss sich um vieles nicht selbst kümmern.

Bewusst, sagt sie, möchte sie sich einmal völlig anderen Lebensumständen aussetzen, um das eigene, privilegierte Dasein in Deutschland dadurch in Zukunft mehr wertzuschätzen. Was aber sieht sie als Vorteil der Menschen in Uganda? &bdquo;Erst einmal arbeite ich dort ja umsonst“, so van Buiten, die in Bad Salzuflen als Servicekraft in einer Rehaklinik jobbt. Sie soll, so die Projektbeschreibung, in Hoima sowohl tatkräftig mit anpacken, als sich auch um Finanzen kümmern und jugendliche Arbeitslose unterstützen.

Dazu kommen zwei bis vier Wochen Urlaub, um in der Region zu reisen, wenn es die finanziellen Mittel hergeben - Genaueres weiß sie noch nicht. Die Salzuflerin ist jedoch überzeugt, dass nicht nur ihre Mitarbeit Sinn macht. &bdquo;Es geht auch um das gegenseitige Gesehenwerden auf Augenhöhe.“ So möchte sie unbedingt Swahili lernen. Völkerverständigung also stehe im Zentrum, keine Besserwisserei &bdquo;von oben herab“.

Nicht die Welt retten Wie man als Freiwilliger seinen Einsatz sensibel darstellen kann, etwa auf Social Media, ohne sich selbst unangenehm ins Zentrum zu rücken, war ebenfalls bereits Bestandteil eines Seminars. &bdquo;Sie haben uns gar klar gesagt, dass wir nicht dort sind, um die Welt zu retten“, sagt van Buiten deutlich. Sie, die lange Handball gespielt und als Ehrenamtliche im Kinderturnen aktiv war, sieht ihren Aufenthalt pragmatisch. Ja, sie möchte selbst etwas davon haben. Und ja, die anderen sollen auch profitieren.

Ihre größte Sorge ist aktuell ohnehin der Flug: 15 Stunden mit leichter Flugangst müssen erst einmal überstanden werden. &bdquo;Und ich habe ein bisschen Angst vor Heimweh“, sagt sie ehrlich. Sie werde aufgrund der hohen Ticketpreise zwischendurch nicht nach Hause reisen können, und auch für ihre Eltern ist ein Trip nach Uganda allein schon wegen der Impfungen und anderer Hürden nicht angedacht. &bdquo;Ein Jahr ist schon hart, haben auch meine Freunde gesagt“, erzählt die 19-Jährige. Bei ihr jedoch überwiege ganz klar die Vorfreude auf das Abenteuer.

Zahlen & Fakten Seit 2014 gibt es die Süd-Nord-Komponente im &bdquo;weltwärts“-Programm: Seitdem können auch junge Erwachsenen aus Afrika, Asien, Lateinamerika, Osteuropa und Ozeanien ihren Freiwilligendienst in Deutschland leisten. Dies soll den partnerschaftlichen, gleichberechtigten Austausch stärken. Der Aufenthalt von &bdquo;weltwärts“-Stipendiaten wie Emili-Claire van Buiten wird zu 75 Prozent über das Programm des BMZ finanziert. Die restlichen 25 Prozent müssen über Spenden aufgebracht werden. Wer Emili-Claire van Buitens Einsatz in Uganda unterstützen möchte, kann dies über ein Konto des Kolpingwerks tun. Genauere Informationen erhalten Interessierte über eine E-Mail an van Buiten, emiliclaire05@gmail.com. (ala)

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