Kreis Lippe/Bad Salzuflen. Es ist ein ungewöhnliches Bild an diesem Adventssonntag. Krebsrot stapft eine Person nach der anderen in Badekleidung aus der Bega. Während andere gemütlich vor dem Kamin sitzen, wagt sich die lippische Eisbade-Community ins kalte Wasser. Sechs Grad misst das Thermometer. Für die geübten Kaltbader kein Problem. Sie kennen das. Gehen sie doch jeden Sonntag baden. Die positiven Effekte für Körper und Geist schlagen den inneren Schweinehund. Immer wieder. Und sie wissen: Je kälter das Wasser, umso mehr Spaß macht es. Was Eisbaden bringt? Vor allem viele gesundheitliche Vorteile. „Das Immunsystem wird gestärkt, die Durchblutung wird gefördert, es wirkt entzündungshemmend“, zählt Arne Heger, der die Lippische Kaltbadevereinigung 2021 gegründet hat, auf. „Und Glückshormone, jede Menge Glückshormone, Adrenalin und Endorphine werden ausgeschüttet.“ Einige aus der Gruppe sagen sogar, sie hätten ihre Depressionen mit dem Eisbaden besiegt. Wichtig: Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten Eisbaden unbedingt meiden. Es ist ratsam, sich vorab vom Hausarzt durchchecken zu lassen. Die positiven Effekte auf Körper und Geist waren es auch, die Arne Heger zum Eisbaden bewegt haben. Vor Jahren begann er damit wegen seiner Schulter- und Gelenkschmerzen. „Ich habe es ausprobiert und es half“, sagt Heger. Die Schmerzen waren weg. Daraus entstand die Idee, das Kaltbaden noch viel mehr Lipperinnen und Lippern zugänglich zu machen. Also rief er die Kaltbadevereinigung ins Leben. Zeitungsartikel erschienen, Fernsehbeiträge wurden ausgestrahlt - das Kaltbaden machte in Lippe die Runde. „160 Menschen sind mittlerweile Teil unserer Community“, sagt Heger stolz. Etwa 20 bis 30 davon gehen jeden Sonntag um 9 Uhr an den drei Badeorten in Bad Salzuflen, Lemgo und Detmold ins Wasser. 3, 2, 1 und rein So wie an diesem Adventssonntag. 16 Kaltbader versammeln sich um Punkt 9 Uhr am Parkplatz in Bad Salzuflen. Sogar zwei Bade-Neulinge sind mit dabei. Kurz darauf macht sich die Gruppe auf den Weg zur Badestelle an der Bega. Ruckzuck entledigen sich dort alle ihrer dicken Wintermäntel, Schals und Wollpullover. Nur in Badebuchse und Bikini dastehend wird noch schnell eine Mütze aufgesetzt sowie Hand- und Badeschuhe angezogen. „Der Kopf, die Hände und Füße kühlen am schnellsten aus“, erklärt Arne Heger. Ehe man sich versieht, steht der Erste auch schon bis zum Hals im kalten Fluss. „Na los, wo bleibt ihr denn?“, ruft er. Die anderen folgen nach und nach. Ganz ungerührt stapfen sie in das sechs Grad kalte Wasser. Kaum einer verzieht eine Miene, kaum einer zögert. Kein hysterisches „Hilfe, ist das kalt“, kein „ich geh doch wieder raus“. Nein, hier gehen alle rein. Und sie bleiben. Als Faustregel gilt: eine Minute im Wasser pro Grad Wassertemperatur. Außerdem: „Nie allein eisbaden. Immer eine Begleitung mitnehmen, das kann sonst echt gefährlich werden“, betont Arne Heger. So stehen sie da. Eine Traube von Eisbadern, bis zum Hals in der Bega. In der Mitte: ein schwimmender Adventskranz, auf dem drei Kerzen brennen. Sie singen Weihnachtslieder, unterhalten sich, lachen, und merken dabei gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Lippische Landes-Zeitung (@lz.de) „Herrlich, einfach herrlich“ Bade-Neuling Jürgen Fester ist einer der Ersten, der aus dem Wasser kommt. Sichtlich stolz, mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Seine Oberschenkel haben nach zehn Minuten angefangen zu brennen, er wollte es nicht übertreiben. „Es war super, ich hätte gar nicht gedacht, dass ich so lange drinbleibe“, sagt er. Seinen Schweinehund hatte er schnell überwunden. „Kopf aus und einfach rein“, ist sein Rat. Was ihm außerdem geholfen hat: „Da alle anderen schon drin waren, war die Motivation noch viel größer.“ Nach und nach kommen auch die anderen aus dem Wasser. Was alle gemein haben: Krebsrote Haut, breites Grinsen im Gesicht. „Herrlich, einfach herrlich“, schwärmt Sandra Gijbels, während sie sich abtrocknet. Nach einem Fersentrümmerbruch und mehreren Lipödem-Operationen litt sie ständig an Schmerzen. „Jetzt gehe ich eisbaden und habe keine mehr“, betont sie. Medikamente brauche sie nicht mehr. Sie fühle sich nach dem Eisbaden wie neugeboren. Neugierig geworden? Eisbaden für Anfänger: Das sind die 6 wichtigsten Tipps, um zu starten Genauso wie Andreas Wind. Er macht’s einfach für das gute Gefühl und um seine Abwehrkräfte zu stärken. Auch er unterstreicht, wie gesellig es ist, in der Gruppe baden zu gehen. „Je mehr Leute, desto weniger traut man sich, nicht reinzugehen“, scherzt er. Aufwärmen und glücklich sein Jetzt ist Aufwärmen angesagt. Abtrocknen, warme Kleidung anziehen. Wichtig ist, dass der Körper die Chance bekommt, sich selbst aufzuwärmen. Direkt warm zu duschen nach einem Eisbad ist keine gute Idee und kann sogar richtig gefährlich werden, wenn sich die Verengung der Blutgefäße schlagartig löst. Deshalb gilt: „Mach dir zu Hause einen warmen Tee, setz dich vor den Kamin, pack dich in eine dicke Decke ein und genieße einfach das Gefühl“, sagt Arne Heger. Und auch Gunnar Helms, der allen noch einen Lebkuchen anbietet, bevor die Kaltbader sich bis zum nächsten Sonntag wieder trennen, ist sich sicher: „Man kann gar nicht unglücklich aus dem Wasser gehen.“ Wer Interesse hat, meldet sich bei der Lippischen Kaltebadevereinigung über Facebook oder Instagram. Nicht verpassen Ein ganz besonderes Event hat die Kaltebadevereinigung für den 1. Februar 2026 geplant. An dem Tag findet die vierte Kaltbade-Challenge statt. Unter dem Motto „Eine coole Truppe spendet Wärme“ werden Spenden für den Malteser-Wärmebus für obdachlose Menschen gesammelt. Taucher vom DLRG und die Malteser selbst sind vor Ort, um die Sicherheit auch für Eisbade-Einsteiger zu gewährleisten. Die Registrierung startet um 9.30 Uhr, gebadet wird um 11 Uhr. Adresse: Sylbacher Straße 127 in Bad Salzuflen.