Gewalt als Erziehungsmethode: Kalletaler Ehepaar schlägt Kinder mit dem Gürtel

Kalletal/Lemgo. &bdquo;Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie.“ Dieses Erziehungsmantra scheint fest in der Gedankenwelt eines Kalletaler Ehepaares verankert gewesen zu sein. Immer dann, wenn die Kinder - heute neun, elf und zwölf Jahre alt - nicht gehorchten, holten die Eltern den Gürtel raus - und schlugen zu, immer wieder auf den nackten Po. War die Bestrafung vorbei, sollen die Kinder um Vergebung gebeten haben. Für ihre Taten hat sich das unscheinbar wirkende Paar am Dienstag vor dem Amtsgericht Lemgo verantworten müssen.

Insgesamt umfasst die Anklage 28 solcher Gewaltvorwürfe, die sich allesamt innerhalb eines Jahres von Dezember 2023 bis Dezember 2024 abspielten. Dass die Anzahl wohl nur die Spitze des Eisbergs sein könnte, dessen ist sich der Vorsitzende Richter Fatih Tekin bewusst. Er geht davon aus, dass die gewalttätige Erziehung schon mehrere Jahre andauert. Das Jugendschöffengericht als Jugendschutzgericht macht sich die Entscheidung daher alles andere als leicht, ob die Angeklagten hier wirklich einer Haftstrafe entgehen können.

Trotz wiederholter Gewalt kein Gefängnis Am Ende einer deutlich länger als geplanten Beratung entscheidet die Kammer paradoxerweise zum Wohl der Kinder - und verhängt gegen beide Elternteile wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen eine jeweils zweijährige Bewährungsstrafe. Um die Eltern genauer im Blick zu behalten, setzt das Gericht die Bewährungszeit auf fünf Jahre fest. Die Mutter soll darüber hinaus noch 100 Sozialstunden leisten, der Vater eine Geldbuße von 2400 Euro an das Westfälische Kinderdorf zahlen.

&bdquo;Sie bekommen jetzt noch eine Chance als Familie zusammenzuwachsen - ohne Gewalt“, sagt Richter Fatih Tekin bei der Urteilsverkündung. Etwa neun Monate waren die Kinder während des laufenden Verfahrens in Pflegefamilien untergebracht, nachdem die Vorwürfe mehr zufällig in einem ADHS-Diagnosegespräch bei einem Psychologen ans Licht kamen. Für die Eltern sei der Verlust der Kinder ein tiefer Einschnitt gewesen, sagen beide. Seit Ende November sind alle Kinder wieder in die Familie zurückgekehrt.

Dahinter liegt ein langer durch das Jugendamt begleiteter Prozess mit vielen Gesprächen und engmaschiger Erziehungsberatung, erklärt Rechtsanwältin Silke Streit, die den Vater vertritt. Acht Stunden die Woche bekomme die frisch wieder vereinte Familie zudem Hilfe. Aus Sicht von Verteidiger Helmut Wöhler, der die Mutter (34) vertritt, hätten beide Elternteile alles in ihrer Macht stehende getan, um den Kindern wieder ein sicheres zu Hause zu bieten. &bdquo;Für die Angeklagten wäre Haft wahrscheinlich die gerechte Strafe, aber damit bestraften Sie nur die Kinder.“

Das Motiv liegt anscheinend in der Vergangenheit des Paares. Wöhler sagt, seine Mandantin habe - genau wie ihr Ehemann (39) - in der eigenen Kindheit selbst Gewalt als Bestrafung erlebt. &bdquo;Sie hat daher gedacht, das wäre auch der Erziehungsweg, der für ihre Kinder geht“. Richter Tekin bohrt nach: &bdquo;Wie fanden Sie das, als Sie als Kind geschlagen wurden?“ Die Antwort der Mutter ist aus Sicht von Staatsanwältin Sarah Garbuszus der verstörendste Satz, der aus der Beweisaufnahme hängen bleibt. &bdquo;Ich wusste, dass ich die Strafe verdient habe“, sagt die angeklagte Mutter. &bdquo;Und deshalb war ich meinem Vater nicht böse.“

Eltern reflektieren Erziehungsmethoden Inzwischen hätten die Eltern ihr Verhalten reflektiert und eingesehen, dass Gewalt und Strafen nicht die Lösung sein können. Auch der Vater zeigt sich vor Gericht reumütig. Den Kindern zu drohen, im Keller schlafen zu müssen oder ihnen Mahlzeiten zu verwehren, sei nicht in Ordnung gewesen. Die Strafen hätten nie religiöse Gründe gehabt, die Eltern hätten es nur nicht anders gekannt. &bdquo;Wenn ich von der Arbeit gereizt nach Hause kam und sie ihre Aufgaben nicht erledigt hatten, habe ich den Gürtel geholt“, sagt der Angeklagte. Inzwischen sähe die Erziehung anders aus, sagt die Mutter. Die Eltern hätten sich bei den Kindern entschuldigt. &bdquo;Wir sprechen inzwischen viel.“

Trotz des frühen Geständnisses und der Aufarbeitung der Erziehung beantragt Staatsanwältin Garbuszus für beide Elternteile eine Haftstrafe von jeweils zwei Jahren und acht Monaten. &bdquo;Wenn zu Hause kein sicherer Ort ist, dann sind die Kinder verloren.“ Selbst das jüngste der insgesamt vier Kinder (3) soll Schläge auf die Finger bekommen haben, das räumt die Mutter im Saal beiläufig ein, auch wenn es nicht Gegenstand der Anklage ist. Letztendlich sei die ausgeübte Gewalt einschneidend gewesen, findet Garbuszus, und sie werde von Generation zu Generation weitergeben.

Die Kammer stimmt mit allen Argumenten der Staatsanwältin überein, entscheidet sich aber letztendlich für eine Bewährungsstrafe. Genauso hatten es beide Verteidiger zuvor beantragt, auch wenn Verteidiger Wöhler mit anderthalb Jahren ein etwas geringeres Strafmaß als das letztendliche Urteil herausholen will. Seine Kollegin Streit beziffert ihren Antrag nicht.

Für die Kammer ist am Ende vor allem eins entscheidend: Dass die Eltern ihre Erziehung nun reflektiert und die &bdquo;Stopptaste gedrückt“ hätten, habe nicht an ihnen, sondern an den Kindern selbst gelegen. &bdquo;Sie waren für ihre Kinder die größte Gefahr“, sagt der Richter. &bdquo;Sie haben den Schutz zu Hause in einen feindlichen Bereich verwandelt.“ Die Eltern müssten daher alles tun, um ihre eigene Traumatisierung zu verarbeiten und das tief verankerte Erziehungsbild endgültig aus ihren Köpfen zu bekommen.

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