Barntrup-Sommersell. Ein junger Mann aus Bega hat beim Joggen ein Rehkitz am Waldrand in Sommersell gefunden und in einem Pappkarton zum Tierarzt und anschließend zu sich nach Hause gebracht. Seine Entscheidung war falsch.
Der Barntruper Förster Frank Sundermann hat das Tier bei dem jungen Mann abgeholt, und in der Hoffnung, dass die Mutter das Tier wieder annimmt, wurde es an die Fundstelle zurückgebracht. „Die Chance liegt geschätzt aber nur bei 25 Prozent, weil das Tier berührt wurde. Der menschliche Geruch ist für wilde Säugetiere abschreckend“, sagt Jäger Dietrich Tornau (60) aus Sommersell, dem es am Herzen liegt, mit dieser Geschichte über den Umgang mit vermeintlich hilflosen jungen Wildtieren, die derzeit gerade bei vielen heimischen Wildtierarten wie Reh, Rotwild, Damwild oder Wildvögeln das Licht der Welt erblicken, aufzuklären.
Hände weg von jungen Wilden
Tornau: „Das war lieb gemeint von dem jungen Mann, der aber leider alles falsch gemacht hat.“ Das können die Deutsche Wildtierstiftung sowie der Deutsche Tierschutzbund genau so unterschreiben. Wie ein Mantra wiederholen beide Organisationen alljährlich um diese Zeit ihre Aufrufe, die Eva Goris, Pressesprecherin der Deutschen Wildtierstiftung, in einer Presseerklärung so betitelt: „Hände weg von jungen Wilden.“ Goris: „Gerade Rehkitze – das gilt aber auch für andere Tiere wie Junghasen – werden von den Elterntieren zum Schutz des Jungtieres abgelegt. Sie haben dann den so genannten Druck-Reflex und drücken sich still auf den Boden, damit sie nicht von Fressfeinden wie Rabe oder Fuchs entdeckt werden.
Die Abwesenheit der Elterntiere ist ein Trick, um die Fressfeinde fernzuhalten. Würde eine Ricke ständig bei dem Kitz stehen, wäre das viel auffälliger. Deshalb sind Rehe aber keine Rabenmütter, sondern kümmern sich sehr gut um den Nachwuchs. Sie kommen zuverlässig zum Säugen und Säubern der Jungtiere.“ Als Spaziergänger habe man schnell den Eindruck, das Tier sei verlassen, die Mutter tot, der Mensch müsse aktiv werden.
Goris: „Das ist aber nur in den allerseltensten Fällen nötig, beispielsweise wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass das Muttertier einem Unfall zum Opfer gefallen ist.“ Auch hier ist der Jagdpächter, der sich in seinem Revier gut auskennt, der erste Ansprechpartner. Erreichbar ist er über einen Anruf bei der Polizei.
Die Kinderstube der Wildtiere
Eva Goris von der Deutschen Wildtierstiftung beschreibt, wie die „jungen Wilden“ aufwachsen: „Rehkitze, Rot- und Damhirschkälber kommen von Mai bis Mitte Juni zur Welt. Sie können dem Muttertier aber erst ab der vierten Lebenswoche folgen. Vorher liegen sie regungslos in der Deckung. Das Fiepen ist ein Überraschungs- oder Angstlaut und eine Reaktion auf die Störung durch Mensch oder Hund. Auch junge Wildschweine können ihre Rotte verlieren.Trifft man einen Frischling alleine an gilt: ruhiger, geordneter Rückzug. Die Mutter, die auf Eindringlinge mit Angriff reagieren könnte, wird das Jungtier finden. Bei jungen Vögeln ist es etwas anders, denn sie haben nicht das Duft-Problem. Wenn man das Nest kennt, kann man ganz junge, noch flugunfähige Vögel zurücksetzen. Bruch-Piloten, die bereits Federn haben, sollte man lediglich vor Nachbars Katze schützen. Sie unternehmen weitere Flugversuche.
Grundsätzlich gilt: Finger weg von jungen Wilden“. Der Deutsche Tierschutzbund betont: „Die Aufzucht in Menschenhand ist immer die Notlösung. Auch die Auswilderung solcher Tiere muss so vorgenommen werden, dass die Tiere eine reelle Chance haben, um sich in freier Natur zu behaupten. In keinem Fall sollten Wildtiere dauerhaft in Privathaushalten bleiben. Dies ist im Übrigen auch gemäß Natur- und Artenschutzgesetzgebung untersagt“.