Straftäter müssen bei "Hanni" ausmisten

Barntrup-Alverdissen. Reinhard Merten aus dem Barntruper Ortsteil Alverdissen ist Sozialarbeiter mit Leib und Seele. Ebenso sehr wie für seinen Beruf schwärmt er für das Landleben und die Tiere. Insbesondere die Kaltblutpferde sind ihm ans Herz gewachsen. Soziale Arbeit und den Umgang mit Pferden zu verbinden, lag da nahe. Deshalb engagiert sich der Hobby-Landwirt beim Projekt &bdquo;Harte Jungs und Kaltblutpferde". Seit April läuft es unter der neuen Trägerschaft von Iuventas Lippe mit Sitz in Leopoldstal.

Geschäftsführer Thomas Bauer kennt das berufliche Engagement von Reinhard Merten schon sehr lange. Er hatte – nachdem die Trägerschaft des Vereins Sonderpflege nach den Herbstferien 2018 endete – ein offenes Ohr für die Vorschläge des Alverdissers: &bdquo;Wir haben von vielen positiven Rückmeldungen zur Arbeit der Jugendlichen mit den Pferden gehört", erklärt Bauer. Ähnliches kann Ulrike Glathe vom Kreis Lippe berichten: &bdquo;Hier bekommen die Jugendlichen etwas in die Hand, etwas zu tun. Sie lernen Verantwortung und das Einhalten von Regeln." Zu ihren Aufgaben gehören zum Beispiel das Ausmisten der Ställe, das Putzen der Pferde und das Holzrücken. Dabei werden mit dem Pferd Baumstämme aus dem Wald geholt. Der Kreis unterstützt das Projekt finanziell.

Eine der Regeln ist für Merten die morgendliche Begrüßung per Handschlag. &bdquo;Das schafft bereits die erste kleine Vertrauensebene", weiß der Sozialarbeiter. Um ein persönliches Verhältnis zu den Jugendlichen aufbauen zu können, ist die Gruppenstärke auf maximal vier Teilnehmer beschränkt. Zum Kaltblutzüchter kommen jugendliche Straftäter zwischen 14 und Anfang 20, die ihre Arbeitsstunden in dem Projekt zumeist an Wochenenden und in den Schulferien ableisten.

Von Schlägereien über Diebstähle bis hin zum Schuleschwänzen oder Mofafrisieren – die Liste der begangenen Straftaten ist vielfältig, enthält aber keine Kapitalverbrechen wie Mord oder Totschlag. Etwa 95 Prozent der Jugendlichen sind laut Merten Jungs. &bdquo;Deshalb ist es besonders wichtig, ihnen ein männliches Vorbild zu zeigen", sagt der Sozialarbeiter.

Es gibt aber auch eine weibliche &bdquo;Mitarbeiterin" im Team &bdquo;Harte Jungs und Kaltblutpferde", die allerdings vier Beine hat und das schlanke Gewicht von knapp einer Tonne auf die Waage bringt: die 13-jährige Stute &bdquo;Hanni". Viele der Jugendlichen, die auf dem Hof Merten ihre Arbeitsstunden – in der Regel zwischen 20 und 100 – ableisten, sehen in ihrem Leben zum ersten Mal ein Pferd aus der Nähe. Die Reaktion sei interessant, befindet Merten: &bdquo;Gerade diejenigen, die ein ruppiges Auftreten zeigen, geraten angesichts des großen, starken Pferdes sehr schnell zu einer anderen Selbsteinschätzung." Seine Kaltblutstute beschreibt Merten als &bdquo;kräftig, voller Energie, aber vom Wesen her ruhig und souverän".

Den bei Pferdekennern bekannten Satz &bdquo;Das Pferd ist dein Spiegel, es schmeichelt dir nie" erfahren die Jugendlichen im Projekt hautnah. &bdquo;Hanni reagiert immer direkt auf ihr Gegenüber", so Merten.

Für die Jugendlichen soll der Aufenthalt &bdquo;keine Strafe, sondern Begleitung" in ein anderes, verantwortungsvolleres Leben sein. Dass das gelingt, hat der 64-Jährige oft erlebt. &bdquo;Du bist der netteste Bauer, den ich kenne" – das ist eine Rückmeldung von Jugendlichen, die vermutlich der Grund dafür ist, dass der Sozialarbeiter auch nach 23 Jahren noch lange nicht ans Aufhören denkt.

Vom Aussterben bedroht Das Rheinisch-Deutsche Kaltblutpferd wurde erstmals im Rheinland gezüchtet. Es entstand aus einer Mischung von belgischen und französischen Kaltblütern. Das kräftige Pferd eignete sich gut als Arbeitspferd für kleine Landwirtschaften, weil es mittelschwer und ein guter Futterverwerter ist. Außerdem hat es starke Muskeln. In der Blütezeit um 1950 war jedes zweite deutsche Pferd ein Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Heute steht die Rasse mit weniger als 1500 registrierten Zuchttieren auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Haustierrassen.

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