„Therapiepatienten sind mutig“, sagt die Blomberger Therapeutin Beate Gildehaus-Olbrich

Blomberg . Als sie die Tür öffnet, geht die Sonne auf. Das liegt nicht nur an der knallgelben Jacke, mit der Beate Gildehaus-Olbrich die grauen Wolken draußen Lügen straft, sondern auch an dem strahlenden Lächeln, das der Besucherin entgegenleuchtet. Ein Strahlen, das die Augen erreicht und von innen kommt. Die Psychotherapeutin, die einen großen Teil ihres Berufslebens in der Praxis an der Schiederstraße verbracht hat, wird zum Ende dieses Monats in den Ruhestand wechseln – mit fast 70 Jahren.

Frau Gildehaus-Olbrich, warum sind Sie Psychotherapeutin geworden? Weil Sie Menschen helfen wollten?

Beate Gildehaus-Olbrich: Ja, das Helfen war ein Aspekt. Doch ich wollte auch verstehen, wie die menschliche Psyche arbeitet und wie Leid verstehbar ist. Neurobiologisch ausgedrückt: Ich wollte wissen, wie das menschliche Gehirn tickt.

Wie würden Sie jemandem erklären, was Sie in der Psychotherapie eigentlich machen?

Gildehaus-Olbrich: Ich behandle mit seelischen Mitteln. Es braucht einen gewissen Leidensdruck, daraus entsteht erst Veränderungsbereitschaft.

Nun sitzt also ein Mensch vor Ihnen, der leidet, nicht mehr weiter weiß und etwas ändern will. Wie gehen Sie vor?

Gildehaus-Olbrich: Ich schaue erst einmal: Was für eine Struktur hat der Mensch? Wie ist seine Selbstwahrnehmung, wie die Fremdwahrnehmung? Welche Beziehung hat er zu sich und seinem Körper? Und wie ist die Kommunikation, sowohl nach innen als auch nach außen?

Was meinen Sie mit der inneren Kommunikation?

Gildehaus-Olbrich: Unser innerer Dialog ist geprägt durch Erfahrungen. Wenn es beispielsweise meinen Eltern nicht gelungen ist, mein Selbstwertgefühl zu stärken, dann sage ich mir vielleicht heute noch: &bdquo;Ich kann nichts, ich bin nicht gut genug.“ Oder nehmen wir jemanden, der als Kind geschlagen wurde und fest entschlossen ist, sich niemals so zu verhalten wie seine Eltern, und dann doch die eigenen Kinder schlägt. Hier spielt das Unbewusste eine große Rolle.

Wie kann dann die Psychotherapie helfen?

Gildehaus-Olbrich: Es geht darum, sich die Dinge bewusst zu machen, sie zu akzeptieren, das Leid zu würdigen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Patienten können lernen, sich als Erwachsener das zu geben, was als Kind gefehlt hat. Das ist eine Form der Nachreifung, auf diese Weise kann Heilung geschehen.

Noch immer sind seelische Erkrankungen gesellschaftlich mit einem Stigma behaftet.

Gildehaus-Olbrich: Aber vollkommen zu Unrecht! Patienten, die sich auf eine Psychotherapie einlassen, sind mutig, denn sie kommen mit dem Ziel, etwas zu verändern. Zuzugeben, dass ich Hilfe brauche, verdient Anerkennung.

Und doch haben Menschen Ängste, sich zu sehr zu entblößen bei der Therapie.

Gildehaus-Olbrich: Die Ängste mögen vorhanden sein. Aber niemand kommt her und muss sofort alles vor mir ausbreiten. Wir arbeiten Schicht für Schicht, und nur so weit, wie der Patient es selbst zulässt. Da muss erst einmal Vertrauen wachsen. Das braucht Zeit. Sie können sich das wie bei einem Eisberg vorstellen, wo nur ein kleiner – der bewusste – Teil über der Wasseroberfläche zu sehen ist. In der Therapie geht es darum, den Wasserspiegel ein wenig abzusenken, um mit Ihrem Unbewussten in Kontakt zu kommen.

Manch einer hat vielleicht Angst, dass da was in seiner Seele zum Vorschein kommt, was er gar nicht sehen will.

Gildehaus-Olbrich: Da sind wir beim Unbewussten. Vielleicht entdeckt man etwas, was man nicht sehen wollte, aber im Unbewussten steckt doch auch ungeheuer viel Potenzial, da wird sehr viel Energie freigesetzt, vielleicht auch verschüttete Kreativität, Freude und Stärke, von der man vorher nichts geahnt hat.

Wie kommen Sie denn ran an das Unbewusste?

Gildehaus-Olbrich: Das kann beispielsweise über Träume oder Bilder funktionieren, weil sie Gefühle ansprechen. Wenn man denen nachspürt, kommt man manchen Dingen eher auf den Grund als über Worte.

Denken Sie nicht manchmal: &bdquo;Wann raffst Du es endlich?“

Gildehaus-Olbrich: Nein. Ich bin im Alltag manchmal ein ungeduldiger Mensch, aber in der Therapie dauert es einfach, so lange es dauert.

Wie gelingt es Ihnen, die Probleme Ihrer Patienten nicht zu nah an sich herankommen zu lassen?

Gildehaus-Olbrich: Zum einen habe ich eine gute Resilienz, also die Grundfähigkeit, mit Widrigkeiten des Lebens fertig zu werden, zum anderen habe ich ja selbst auch eine Menge Erfahrung in und mit Therapie.

Was sind die häufigsten seelischen Störungen?

Gildehaus-Olbrich: Depressionen, Angststörungen, Traumafolgestörungen und psychosomatische Erkrankungen.

Jeder Mensch fühlt sich ja mal schlecht. Ab wann sollte man sich Hilfe suchen?

Gildehaus-Olbrich: Für Depressionen gibt es klare Kriterien: Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, verminderter Appetit, Lustlosigkeit, Schuldgefühle und die verminderte Fähigkeit zur Stressregulation.

Was sollte dann aus Ihrer Sicht der erste Schritt sein?

Gildehaus-Olbrich: Oft der Gang zum Hausarzt. Da kann es schon mal helfen, wenn der ein leichtes Antidepressivum verschreibt, das man eine Zeit lang nimmt. Ist die Störung gravierender, wird er eine Überweisung schreiben.

Wie hat sich die Psychotherapie in den vergangenen 40 Jahren verändert?

Gildehaus-Olbrich: Die Psychotherapie ist eine Leistung der Krankenkassen geworden. Als ich anfing, standen in erster Linie die Probleme im Zentrum. Heute arbeiten wir hauptsächlich ressourcenorientiert: Was macht den Patienten stärker, was hilft, besser klarzukommen? Selbstwirksamkeit ist ein ganz wichtiges Thema, die Erfahrung: Ich kann etwas verändern.

Und inwieweit haben sich die Krankheitsbilder verändert?

Gildehaus-Olbrich: Bis vor etwa 20 Jahren ging es hauptsächlich um die Patienten selbst, in ihrem Privatleben. Mittlerweile spielt das Berufsleben eine sehr große Rolle, seit der Begriff &bdquo;Burn-out“ plötzlich im Fokus stand.

Was ja eigentlich nichts anderes ist als eine Erschöpfungsdepression, aber besser klingt.

Gildehaus-Olbrich: Ganz genau. Die Arbeitswelt hat sich auch verändert, die Welt tickt schneller, und es gibt immer weniger Nischenarbeitsplätze für Menschen, die da nicht mithalten können. Stress spielt eine ganz wichtige Rolle.

Nun leben wir ja in schwierigen Zeiten. All die Krisen, Krieg...

Gildehaus-Olbrich: Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, aber nicht in Angst zu erstarren, gut bei sich zu sein. Immer auch den Fokus auf dem Gelingen zu halten, der Freude, der Gemeinschaft und Solidarität.

Was macht Ihnen persönlich Mut?

Gildehaus-Olbrich: Ich habe eine optimistische Grundhaltung. Ich habe selbst auch schon wirklich am Boden gelegen, aber ich fühle mich gehalten. Oft fragen sich ja Menschen, was der Sinn ihres Lebens ist. Meiner war ganz klar, als Psychotherapeutin zu arbeiten.

Was war für Sie das Schönste in 40 Jahren Therapiearbeit?

Gildehaus-Olbrich: Die vielen berührenden Momente mit Patienten, Momente von Heilung, Verständnis und Akzeptanz, wenn Konflikte aufgelöst werden können und Menschen mehr in ihre Kraft kommen.

Persönlich Beate Gildehaus-Olbrich ist 1955 in Braunschweig geboren und zunächst Grundschullehrerin geworden.

Sie ist mit dem Psychotherapeuten Dr. Dieter Olbrich verheiratet und hat zwei Kinder und einen Enkel.

Sie hat schon früh an freien Theatern gearbeitet und sich für Bewegungs- und Gestalttherapie interessiert.

Nach einigen Praxisjahren in Reelkirchen eröffnete sie 2004 ihre Praxis an der Blomberger Schiederstraße 3.

Gusi-Akademie Seit das Arbeitsleben eine immer größere Rolle für die psychische Gesundheit der Menschen spielt, machen sich Arbeitgeber verstärkt Gedanken über vorbeugende Maßnahmen. 2009 haben Beate Gildehaus-Olbrich und Dr. Dieter Olbrich, damals noch ärztlicher Leiter der Klinik Lipperland in Bad Salzuflen, gemeinsam die GUSI-Akademie gegründet. GUSI® steht für &bdquo;Gesundheitsförderung und Selbstregulation durch individuelle Zielanalyse“, ein Präventionsprogramm, das die beiden 2008 entwickelt haben. Seit 2009 haben über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgreich an dem Programm teilgenommen.Es ist auch das erste Präventionsprogramm, für das die Deutsche Rentenversicherung damals die Kosten übernommen hat. Im Mittelpunkt steht die Frage, was Menschen dabei helfen kann, gesund zu bleiben und ihre Gesundheit zu erhalten.

Selbstmanagement Ein Baustein ist das ressourcenorientierte Selbstmanagementtraining mit dem Zürcher Ressourcenmodell (ZRM®), das auf die Schweizer Psychologin und Psychoanalytikerin Maja Storch zurückgeht. Maskottchen ist hier der &bdquo;Strudelwurm“: Das kleine Wesen steht für das Unbewusste, das unsere Handlungen mit steuert. Denn bei allen vom Verstand gesteuerten Entscheidungen, so die Theorie, ist das Großhirn der Platzhirsch. Doch für Gefühle, Unbehagen oder Freude, für alle Reaktionen in Nanosekunden, ist das limbische System verantwortlich. Wer lernt, darauf zu achten, findet die feinen Körpersignale, um beispielsweise richtigen Entscheidungen auf die Spur zu kommen.Auch nach der Praxisaufgabe wird Beate Gildehaus-Olbrich weiterhin Workshops und Seminare in der GUSI-Akademie anbieten: Mehr dazu unter www.gusi-akademie.de .Ihre Patienten stehen aber nicht allein da: Für ihre Praxis hat die Psychotherapeutin eine Nachfolgerin gefunden. Ab dem 1. April übernimmt Maike Eberhard die Räume in der Schiederstraße 3.

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