Nach erstem Schock: Junge Familie macht aus altem Detmolder Bauernhaus ein Zuhause

Detmold-Niewald. Liebe auf den ersten Blick war es für Marcel Stölting (34) so gar nicht. Als er das alte Bauernhaus an der Niewaldstraße zum ersten Mal betritt, will er am liebsten sofort rückwärts wieder raus. &bdquo;Von Innen war es ein Schock“, sagt seine Frau Jana (33), während sie durch die alten Fotos blättert. Uralte Möbel, muffige Felle, Bäder aus den 1970ern... Einige Jahre stand das Haus damals bereits leer. &bdquo;Man brauchte viel Vorstellungskraft.“

Aber die kommt nach weiteren Besuchen mehr und mehr. Am Ende fällt das Paar 2017 die Entscheidung für das denkmalgeschützte Haus von 1894 – gegen alle Bedenken, eher aus dem Bauch heraus. Bereut haben sie es nicht. Und zeigen in unserer Denkmalserie, wie sie aus dem alten Gemäuer ein Zuhause gemacht haben.

Zwei Wohnungen auf zwei Etagen Durch das große Tor und die riesige Diele, in der Motorrad, Kinderwagen und Co. parken, geht es eine Tür weiter ins Hauptgebäude und damit in die Wohnung der Familie. Im Obergeschoss leben Jana und Marcel Stölting mit Sohn Linus (3) und den beiden sieben Wochen alten Zwillingsmädchen Emilie und Klara auf rund 180 Quadratmetern. Weitere 110 Quadratmeter im Erdgeschoss haben sie im Zuge des Umbaus abgeteilt – die Wohnung ist an eine Familie vermietet. Ein riesiger Dachboden könnte theoretisch ebenfalls noch ausgebaut werden.

Die Physiotherapeutin aus Detmold und der Kälteanlagenbaumeister aus Lage, der inzwischen im Vertrieb arbeitet, werden 2016 über Bekannte auf das Bauernhaus aufmerksam. Ein riesiges Ziegelsteinhaus bestehend aus Wohn- und Wirtschaftsteil mit Querdiele, rund 7800 Quadratmeter Grundstück, diverse Nebengebäude. &bdquo;Eigentlich wollten wir keinen Hof“, erinnert sich Jana Stölting. Geguckt haben sie trotzdem mal – und sich für das Mammutprojekt entschieden. &bdquo;Wir sind das ein bisschen blauäugig angegangen“, geben die beiden mit einem Grinsen zu.

Rund eineinhalb Jahre verbringt das Paar anschließend quasi jede freie Minute auf der Baustelle. Eine komplette Kernsanierung steht an, alles wird erneuert. So viel wie möglich versuchen sie in Eigenleistung zu wuppen, fuchsen sich rein, auch die Familie hilft mit. Im Inneren wird einiges zurückgebaut und neu aufteilt, zugemauerte Fenster freigelegt, Ober- und Untergeschoss separiert, eine neue Treppe eingezogen. Der Aufwand: immens. &bdquo;Irgendwann konnten wir es nicht mehr sehen“, ist Marcel Stölting ehrlich. Nach gut eineinhalb Jahren zieht das Paar 2018 ein. Und der Aufwand hat sich gelohnt.

Moderne Einrichtung trifft auf Original-Holz-Dielen Die moderne Küchenzeile geht heute in den offenen Ess- und Wohnbereich über, graue Fliesen in alte Holzdielen aus der Originalzeit. Die habe man im gesamten Haus weitestgehend erhalten können, erzählt Marcel Stölting. Der Blick fällt vom Esstisch auf die alte Backsteinwand, der Hingucker im Raum. Dabei ist der eher zufällig entstanden: Wegen eines Wasserschadens muss der Putz runter. &bdquo;Sonst hätten wir das vermutlich gar nicht gemacht.“

Gleich nebenan geht es auf die Dachterrasse über dem kleinen Anbau, Grill und Sandkasten stehen bereit, Golden Retriever-Hündin &bdquo;Mira“ folgt dem Besuch schwanzwedelnd nach draußen. Der Blick fällt über die Felder. &bdquo;Zu Silvester sehen wir hier das Feuerwerk über Detmold und über Lage“, sagt Stölting und lässt den Blick schweifen.

Zurück durch den langen Flur mit der kleinen Couch und der antiken Kommode, auf der ein maßstabsgetreues Modell des Bauernhauses steht, geht es am modernen Bad, das Stöltings deutlich verkleinert haben, zum geräumigen Kinderzimmer von Linus, der sich sofort sein Spielzeug schnappt. Das Mädchenzimmer gegenüber wird demnächst fertiggestellt, genauso wie ein Büro, irgendwann soll auch noch die riesige Diele aufgehübscht werden, verrät das Paar.

2021 wurde die Einliegerwohnung fertig, vor zwei Jahren noch das Dach erneuert. Und in einem Zug eine Photovoltaik-Anlage installiert. Bis zur Genehmigung sei es wegen des Denkmalschutzes zwar ein langer Weg gewesen, sagt Stölting. Ansonsten sei es mit dem Denkmalamt in Detmold aber ein gutes Miteinander gewesen.

Eigene Obstwiese Rund 450.000 Euro haben Stöltings in Kauf und Sanierung ihres Bauernhauses gesteckt. Die Nebengebäude, in denen Gerätschaften untergebracht und teilweise Schweine gehalten werden, haben sie verpachtet. Und aus den unzähligen Apfel- und Birnbäumen auf ihrer großen Obstwiese wird im Sommer literweise Saft gepresst.

Überhaupt: In der Niewalder Dorfgemeinschaft fühlen sich Stöltings richtig wohl, man kennt sich, kommt gerne zusammen. Die Entscheidung für ihr Häuschen hat das Paar daher nie bereut. &bdquo;Das Haus hat Charakter und Geschichte“, sagt Jana Stölting. Und ein bisschen stolz sind sie ja auch. &bdquo;Dass wir das durchgezogen haben.“

Wer sich sonst noch an ein Denkmal gewagt hat? Alle Teile der LZ-Reihe &bdquo;Leben im Denkmal“ lesen Sie hier .

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