Viele Bilder in luftiger Höhe: Detmolds jüngstes Denkmal ist alles außer gewöhnlich

Detmold. Schwungvoll öffnet Hanns Bödeker (81) die unscheinbare Metalltür und führt auf einen seiner beiden Dachgärten. Pflanzpötte, eine Buddha-Statue, Waschbetonplatten, eine Sitzgruppe steht für sonnige Tage bereit, über die Brüstung fällt der Blick aus neun Etagen Höhe bis zum Hermann. Seit zehn Jahren lebt Bödeker mit seiner Ehefrau Christiane (76) im Hochhaus von 1969 an der Rosenstraße 6 – es ist wohl eines der ungewöhnlichsten Denkmäler und gleichzeitig das jüngste in Detmold, zu dem Bödekers in unserer Reihe &bdquo;Leben im Denkmal“ ihre Türen öffnen.

Mit am Esstisch versammelt haben sich an diesem Tag auch Hannelore Bosse (91), die bereits seit gut 30 Jahren hier lebt, sowie Prof. Peter Junkers (88) mit Ehefrau Angelika (80). Die beiden wohnen hier zwar nicht, er hat dafür eine ganz besondere Verbundenheit mit dem Gebäude: Denn 1969 fungierte Peter Junkers nicht nur als Bauträger, er hat das Hochhaus gemeinsam mit seiner Mutter Gertrud Enzensberger auch architektonisch geplant, erzählt der Architekt. &bdquo;Damals war ich aber noch Student.“

Statt 30 sind es heute 20 Appartements Inspiriert vom Bauhaus-Stil, haben die beiden ein Gebäude mit acht Wohnetagen plus Keller und vier Dachgärten und einer Wohnfläche von insgesamt gut 2200 Quadratmetern entworfen. &bdquo;Es sollte nicht klobig sein, keine Kastenform haben“, betont Junkers. Er selbst habe unter anderem die Idee zu den Dachgärten in unterschiedlichen Höhen gehabt. &bdquo;Der Abschluss sollte nicht so flach und platt sein.“

Aus den geplanten 30 Appartements, je vier auf sieben Etagen plus zwei Penthouse-Wohnungen im achten Stock, sind heute 20 übrig – denn eine Besonderheit des Gebäudes ist seine modulare Bauweise. &bdquo;Die Idee war, dass die Grundrisse pro Etage verbindbar sein sollten“, erklärt Junkers. Und so leben heute auch Bödekers in zwei miteinander verbundenen Wohnungen auf insgesamt rund 145 Quadratmetern.

Vom offenen Koch- und Essbereich mit der großen Glasfront samt Balkon geht es über den geöffneten Durchbruch in die frühere zweite Wohnung. Hier sind Wohn- und Schlafzimmer, Bad, Büro und Sitzecken zu finden – alles verwinkelt, dabei aber offen und hell mit vielen großen Fenstern.

Aber Peter Junkers hat im Haus noch mehr Ideen umgesetzt: So wurden beispielsweise mobile Heizkörper installiert, die man bei Bedarf zur Seite schieben konnte. Ein weiteres Highlight sind beheizbare Badewannen, die hat Hannelore Bosse heute noch, erzählt sie. Und: Es gab keine Deckenauslässe für Lampen – stattdessen Steckdosen hoch oben an den Wänden, so dass jeder Bewohner seine Lampen später je nach Einrichtung individuell platzieren konnte. &bdquo;Revolutionär“, findet Hanns Bödeker all diese ausgefallenen Ideen für die damalige Zeit.

Ruhe und die Nähe zur Stadt sind ausschlaggebend Und noch eine gab es, von der Hannelore Bosse erzählt: Noch bis vor gut 20 Jahren hatte jeder Flur einen Müllschlucker – die Bewohner konnten ihren Müll einfach in den Schacht werfen, der wiederum in einem großen Container im Erdgeschoss landete. Später machte die Feuerwehr den Schacht aus Brandschutzgründen dicht, erzählt Bödeker. Und Bosse erinnert sich, dass einige Kinder vorab auch schon mal Linsensuppe hinein gekippt hätten...

Sie selbst zog vor gut 30 Jahren ins Hochhaus, nachdem ihr Mann verstorben war und sie sich räumlich verkleinern wollte. Heute lebt sie ebenfalls in zwei kombinierten Wohnungen auf gut 120 Quadratmetern direkt neben Bödekers im fünften Stock. Besonders die Ruhe hier genießt sie – und die Nähe zur Stadt. Dem können sich Bödekers nur anschließen.

Die beiden lebten zunächst in Berlebeck und erwarben vor 28 Jahren zwei Wohnungen im Hochhaus, die sie vermieteten. Vor zehn Jahren zogen sie dann eine Etage darunter selbst ein. Bereut haben sie es nie, sagt Hanns Bödeker. &bdquo;Von Lage, Konzeption und Qualität der Bauausführung her ist es hier einfach ideal.“ Schnell und ohne großen Anstieg in der Stadt zu sein, das sei optimal. &bdquo;Und dazu der Blick ins Grüne“, sagt Christiane Bödeker und lässt den Blick schweifen.

Peter Junkers erinnert sich noch gut, dass die Lage von Anfang an ausschlaggebend für die ersten Käufer der damals &bdquo;teuersten Eigentumswohnungen in Detmold“ gewesen sei. Nach nur gut einem Jahr Bauzeit konnten die ersten Bewohner schon ab 1971 einziehen. &bdquo;40 Prozent der Wohnungen waren da aber noch nicht vergeben.“ 1973 gab es für den Bau sogar den Bundes-Architektur-Preis. Und weil zeitweise so viele Menschen mit Doktortitel hier lebten, wurde das Hochhaus früher auch schon mal &bdquo;Doktorenhaus“ genannt.

Ängste vorm Denkmalschutz sind unbegründet Ein wenig Unmut gab es unter der Eigentümergemeinschaft, als das Haus unter Denkmalschutz gestellt werden sollte – man habe diese &bdquo;Fremdbestimmung“ unbedingt verhindern wollen, erzählt Hanns Bödeker. Eine Zeit lang hat das geklappt, 2017 wurde es dann aber doch in die Denkmalliste eingetragen. Und letztendlich seien die Ängste unbegründet gewesen, bislang habe man immer gute Kompromisse mit der Behörde gefunden. Demnächst stehe etwa ein Austausch der Fenster an.

In den vergangenen fünf Jahren ist allerdings schon einiges passiert: Rund 500.000 Euro sind unter anderem in einen neuen Aufzug, das Dach, Streicharbeiten und Co. geflossen. Und Peter Junkers ist schon ein wenig stolz, dass &bdquo;sein“ Haus unter Schutz gestellt wurde, gibt er zu. Auch, wenn er darüber doch erst erstaunt gewesen sei. &bdquo;Aber ein Denkmal muss eben nicht schön oder gar heile sein“, sagt er. &bdquo;Es muss für seine Zeit typisch sein.“

Wie es sich sonst im Denkmal lebt? Alle Teile unserer Reihe &bdquo;Leben im Denkmal“ gibt es hier zum Nachlesen.

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