Kreis Lippe. Jedes Jahr 4. März - dem Weltadipositastag - rückt eine Krankheit in den Fokus, die Millionen von Menschen betrifft und dennoch oft unterschätzt wird: Adipositas. In Deutschland sind rund zwei Drittel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen übergewichtig. Dabei gelten laut Deutscher Adipositasgesellschaft etwa ein Viertel der Erwachsenen als adipös.
Dr. Miljana Vladimirov, Leiterin des Adipositaszentrums Lippe weiß: „Adipositas ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die nicht allein durch Willenskraft oder Diäten gelöst werden kann. Betroffene benötigen ab einem bestimmten Gewicht qualifizierte, medizinische Unterstützung und ein auf sie zugeschnittenes Behandlungskonzept, um langfristig erfolgreich abzunehmen und ihre Gesundheit zu verbessern. Vielen fällt es jedoch schwer, den ersten Schritt zu tun.“
Soziale Isolation
Die ersten Schritte sind auch Stefanie Reichel nicht leicht gefallen. Die heute 45-Jährige litt jahrelang unter ihrem hohen Gewicht und der sogenannten Elephantiasis, einer abnormen Vergrößerung von Körperteilen durch Lymphstau. „Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt in meinem Körper und immer mehr isoliert. Die Blicke und Bewertungen mir völlig fremder Menschen haben mich in die soziale Isolation getrieben. Und dann kam der Lockdown in der Corona-Pandemie“, wird Reichel in einer Pressemitteilung des Klinikums Lippe zitiert.
Allein in dieser Zeit hat Stefanie Reichel 90 Kilogramm zugenommen. „Der Lockdown war prima. Ich durfte ja nicht mehr rausgehen und entkam so auch der Stigmatisierung durch andere. In meinem alten Beruf als Friseurin konnte ich aus gesundheitlichen Gründen schon lange nicht mehr arbeiten. Also blieb ich zu Hause. Aus Langeweile habe ich dann viel gekocht und natürlich auch gegessen.“ Das böse Erwachen kam nach Ende des Lockdowns: „250 Kilogramm habe ich auf die Waage gebracht. Und das bei einer Körpergröße von 1,68 Metern.“
Mit diesem hohen Körpergewicht, welches Begleiterkrankungen verursachte, war an Lebensqualität für Stefanie Reichel nicht zu denken: „Ich litt nicht nur an den abfälligen Blicken, sondern auch an Begleiterkrankungen, die die Adipositas mit sich brachte: Asthma, Luftnot, Bluthochdruck und Schilddrüsenunterfunktion. Jeder Schritt fiel mir schwer und ein Weg von 50 Metern war für mich der blanke Horror. Auch von Fachleuten fühlte ich mich selten ernst genommen“, sagt sie heute.
Umfassende Vorbereitung auf die OP
Im Jahr 2021 wird Stefanie Reichel in ihrer Heimatstadt Nürnberg operiert und bekommt einen Schlauchmagen. „Ich habe mich ein Jahr lang auf die OP vorbereitet und auch den OP-Vorbereitungskurs besucht. Allein in der Vorbereitungszeit konnte ich durch Ernährungsumstellung mein Gewicht auf 222 Kilogramm reduzieren. Durch den Kurs und die kompetente Unterstützung von Experten hat es bei mir Klick gemacht.“
Direkt nach der Operation purzeln die Kilos. Die bewusste und an den Schlauchmagen angepasste Ernährung und Sport – erst über YouTube-Videos zu Hause und später mit etwas mehr Selbstbewusstsein im Fitnessstudio und Schwimmbad - helfen Stefanie Reichel. In anderthalb Jahren nimmt sie 130 Kilogramm. „Ich bin seit der ersten Operation wirklich sehr diszipliniert, das fällt mir aber nicht schwer, weil ich mein neues Leben mit allen Freiheiten, die ich heute habe, genieße. Es ist mir wichtig, gesund zu leben und aktiv zu sein.“
Aktuell wiegt sie etwas weniger als 100 Kilogramm. Aufgrund einer Refluxkrankheit soll der Schlauchmagen in diesem Jahr in einen Magenbypass umgewandelt werden. „Meine erste Operation wurde in Nürnberg von Frau Dr. Vladimirov durchgeführt. Da sie zwischenzeitlich ans Klinikum Lippe nach Detmold gewechselt ist, stand für mich schnell fest, dass ich für meine Umwandlungsoperation die rund 400 Kilometer auf mich nehmen werde. Ich muss Vertrauen zu einem Arzt oder einer Ärztin haben und das Team des Adipositaszentrums Lippe ist einfach so herzlich. Ich fühle mich verstanden, akzeptiert und fachlich gut beraten.“
Aufklärung ist wichtig
Wichtig ist der Nürnbergerin auch die Aufklärung über Adipositas. Sie ist daher auch in Selbsthilfegruppen aktiv: „Wenn man sehr dick ist, denken alle, dass man sich aus Spaß und Langweile fett gefressen hätte. Die Erkrankung dahinter sehen oder kennen andere oft gar nicht. Deshalb ist es mir wichtig, zu zeigen, dass man es schaffen kann, die Adipositas zu besiegen. Sie wird mein lebenslanger Begleiter bleiben, aber ich habe die Kontrolle. Es kostet Überwindung, diesen Weg zu gehen, aber mit der richtigen Unterstützung durch spezialisierte Adipositas-Experten, kann es gelingen. Man muss nur den ersten Schritt wagen.
„Es kommt gar nicht so selten vor, dass Patienten weite Wege in Kauf nehmen, um sich im Adipositaszentrum Lippe operieren zu lassen“, weiß Dr. Miljana Vladimirov. „Gerade bei chronischen Erkrankungen wie der Adipositas ist neben der medizinischen Kompetenz auch das Vertrauen ein wichtiger Faktor für die Wahl des richtigen Krankenhauses.“