Urteil im Meschesee-Prozess: Angeklagter muss für 13 Jahre hinter Gittern

Detmold. Das Urteil im Meschesee-Prozess ist gefallen: Der 25-jährige Angeklagte ist vom Landgericht Detmold zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt worden - wegen versuchten Totschlags, vorsätzlichen Schwangerschaftsabbruchs und schwerer Körperverletzung. Der von der Staatsanwaltschaft erhobene Vorwurf des versuchten Mordes konnte ihm letztendlich nicht nachgewiesen werden.

Die Strafe hält der Bruder der Geschädigten als viel zu milde &bdquo;für zwei ausgelöschte Menschenleben“, wie er nach der Verhandlung aufgebracht gegenüber der LZ erklärte. Seine Schwester liegt seit der Tatnacht im August vergangenen Jahres im Wachkoma. Laut Arztbericht ist dieser Zustand unumkehrbar. Das ungeborene Kind verstarb im Mutterleib. Die 21-jährige Frau muss von ihrem Ehemann so lange unter Wasser gedrückt worden sein, bis sie das Bewusstsein verlor. Zu diesem Schluss kam das Gericht unter Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer nach der Beweisaufnahme.

Unterdrückung und Gewalt in der Ehe Die Beweisaufnahme wurde am Montagmorgen, dem fünften Prozesstag, fortgesetzt. Ein weiterer Bruder (28) der jungen Frau, die erst im Oktober 2023 aus Syrien nach Deutschland kam, um hier in der von den Eltern arrangierten Ehe mit dem Angeklagten zu leben, sagte aus. Ähnlich wie bereits seine beiden Brüder zuvor, beschrieb auch er die Beziehung des Paares als sehr schwierig. Wie sehr die Frau in der Ehe gelitten haben muss, wird zudem durch die vom Richter verlesenen Chatprotokolle deutlich.

So schilderte die junge Frau im Januar 2024 einem ihrer Brüder, wie ihr Leben in Detmold aussehe. &bdquo;Sie sollte sich seinem dominanten Rollenbild unterordnen und er habe auch vor Gewalt keinen Halt gemacht“, beschrieb es Staatsanwalt Alexander Görlitz in seinem Plädoyer. In den Handynachrichten berichtete die 21-Jährige unter anderem, dass ihr Mann sie einschließen würde, wenn er zur Arbeit gehe, und dass er sie &bdquo;halb tot geschlagen“ habe. Des Öfteren habe er ihr angedroht, sie umzubringen. Der 25-Jährige sei wohl nicht damit einverstanden gewesen, dass seine Frau nach westlichen Standards habe leben wollen.

Staatsanwalt: Ertrinken ohne Fremdeinwirkung sei dort unmöglich Zu den Geschehnissen in jener Nacht im Sommer vergangenen Jahres schwieg der Angeklagte vor Gericht. Gegenüber den Familien und der Polizei habe er von einem tragischen Unfall gesprochen. Seine Frau sei ausgerutscht und ins Wasser gefallen. &bdquo;Er hob mich hoch und wollte mich in den See schmeißen“, diese Nachricht der Geschädigten an ihren Bruder Anfang 2024 belege allerdings für den Staatsanwalt, dass es in der Vergangenheit zu ähnlichen Situationen wie in der Tatnacht gekommen sein muss. Die Brüder berichten, dass ihre Schwester nicht schwimmen konnte und daher Angst vor Wasser hatte.

Auch für eine Nichtschwimmerin sei es unmöglich, an dieser Stelle im Meschesee - ohne Fremdeinwirkung - zu ertrinken, führte der Staatsanwalt aus. Der komplette Uferbereich habe eine Wassertiefe von 65 bis 70 Zentimetern. Selbst zweieinhalb Meter weiter sei das Wasser nicht tiefer als 1,30 Meter. Die Geschädigte hätte sich hinstellen oder sogar hinknien können. Selbst Hendrik Schnelle, der Verteidiger des Angeklagten, teilt diese Ansicht. &bdquo;Ich habe versucht, Aspekte zu finden, die für den Angeklagten sprechen“, erklärte er. Deswegen sei er selbst vor Ort gewesen, um sich von der Wassertiefe ein Bild zu machen: &bdquo;Wenn dort jemand ins Wasser fällt, kann er nicht ertrinken.“ Die logische Konsequenz sei, dass jemand nachgeholfen habe.

Anwalt plädiert auf versuchten Totschlag Anders als der Staatsanwalt, der eine lebenslange Haftstrafe forderte, sieht der Anwalt jedoch den versuchten Mord nicht als bewiesen an. Vielleicht sei es vor Ort zum Streit gekommen und der Angeklagte habe seine Frau in Wut unter Wasser gedrückt. Dies sei nur ein mögliches Szenario, betonte Schnelle. Der Nachrichtenverlauf zwischen den Eheleuten an diesem Tag, in dem es um das Essen ging, deute auch nicht auf eine geplante Tat hin. Er plädierte daher auf versuchten Totschlag, ein Strafmaß wollte er nicht nennen.

Der Staatsanwalt hielt es für unlogisch, dass der Angeklagte seine Frau in der mondscheinhellen Nacht angeblich im Wasser nicht habe finden können. Ebenso, dass er in dem Moment selbst nicht habe schwimmen können. &bdquo;Er hätte nur hingehen müssen“, widerlegte der Staatsanwalt diese Aussage, die der Angeklagte gegenüber Familienangehörigen gemacht haben soll. Außerdem gebe es keine logische Erklärung dafür, warum die Frau beim Eintreffen der Rettungskräfte etwa 25 Meter vom Ufer entfernt im Wasser trieb. Der See habe keinerlei Strömung.

Schlimmer als der Tod Der Angeklagte selbst reagierte auf die Ansprache von Rettungskräften und Familienangehörigen in der Tatnacht nicht. Ob dies nur simuliert war, kann der Notarzt laut Protokoll nicht mit Bestimmtheit sagen. Fest stehe, dass es aus medizinischer Sicht keine Erklärung für seinen Zustand gegeben habe. Die Vitalwerte seien gut gewesen. Der Staatsanwalt glaubt, dass sich der Angeklagte nur den unangenehmen Fragen habe entziehen wollen.

Fest steht, dass die Geschädigte ihr Leben lang ein Pflegefall bleiben wird, erklärte auch Anwältin Deborah Weinert, die als Nebenklägerin auftrat: &bdquo;Ich spreche für meine Mandantin, weil sie es selbst nicht mehr kann.“ Sie berichtete auch, wie sehr die Familie unter der Situation der jungen Frau leide. &bdquo;Vielleicht sogar mehr, als wenn sie gestorben wäre.“ Die Geschädigte könne nichts mehr, was das Leben lebenswert mache. Nicht einmal alleine atmen.

Das Gericht sei nach der Ausschlussmethode von der Tat überzeugt, wie der Richter in der Urteilsverkündung erklärte. Es sei kein anderer Mensch vor Ort gewesen und die Begebenheiten hätten ein Ertrinken ohne Fremdeinwirkung nicht zugelassen. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft einer Verurteilung wegen versuchten Mordes folgte das Gericht jedoch nicht, weil sich die Tat auch aus einem spontanen Streit entwickelt haben könnte.

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