Mordversuch am Meschesee: Angeklagter macht Brüder für Ehekonflikte verantwortlich

Detmold. Es ist eine tiefe und sternenklare Sommernacht, als die alarmierten Rettungskräfte im August 2024 an der Unglücksstelle am Meschesee eintreffen. Damals gehen alle von einem Unfall aus, wählte der Ehemann doch selbst den Notruf. Ein halbes Jahr später geht es vor dem Landgericht Detmold um versuchten Mord.

Einer der Feuerwehrmänner erblickt in der besagten Nacht den jetzt angeklagten Mann in Ufernähe und beobachtet, wie dessen Kopf immer wieder unter Wasser taucht. Die Szene wirkt im Nachhinein unstimmig, kann der Feuerwehrmann eigener Aussage nach genau an dieser Stelle doch problemlos hüfthoch im Wasser stehen und den vermeintlich hilfesuchenden Mann herausziehen.

Mitten auf dem Menschesee treibt in genau diesem Moment dessen schwangere Ehefrau (21) leblos umher. Für ihr ungeborenes Kind kommt jede Hilfe zu spät, es stirbt im Mutterleib. Auch die Frau ist bis heute nicht wieder aufgewacht. Ihr Leben scheint wie ausgelöscht, nur die Maschinen verzögern das.

Wie es dazu kam, das versucht das Schwurgericht unter dem Vorsitzenden Richter Karsten Niemeyer, seit dem Prozessauftakt im März herauszuarbeiten. Staatsanwalt Alexander Görlitz ist überzeugt davon, dass der angeklagte Mann aus Syrien in der Nacht auf den 23. August 2024 seine Ehefrau auf grausamste Weise im Meschesee ertränken und töten wollte.

Dem angenommenen Motiv nach hatte der Angeklagte seiner Partnerin nicht die Freiheit geben wollen, die sie sich für ein Leben in Deutschland erhofft hatte. Darauf deutet aus Sicht der Ermittler ein aufgesetzter Vertrag hin, der für das gemeinsame Leben offenbar Regeln festhielt.

Vertrag zwischen Eheleuten - mehr Freiheit? In dem verlesenen Dokument sind Punkte wie &bdquo;Bewegungsfreiheit“, &bdquo;Sprachkurs/Ausbildung“ und &bdquo;eigene Bankkarte“ aufgeführt. Darüber hinaus geht es um &bdquo;Respekt“ und &bdquo;kein Grenzüberschreiten in Taten und Worten“. Unterschrieben haben das Dokument nicht nur das Ehepaar selbst, sondern auch deren Brüder.

Der Angeklagte trägt an diesem zweiten Prozesstag wieder einen dunkelgrünen Parka und schweigt zu den Tatvorwürfen. Dennoch macht er Angaben zu seiner Person und verrät dabei einiges, was die Beziehung zu seiner Frau und die sichergestellten Verträge betrifft. &bdquo;Wir wollten eine Familie gründen. Das gehört sich auch so“, sagt der 25-Jährige vor Gericht. &bdquo;Das größte Problem war, dass ihre Brüder sie unter Druck gesetzt haben.“

Keine Sekunde lang lässt der Mann, der eigentlich im September ein Studium an der Technischen Hochschule beginnen wollte, die Trauer um seine im Koma liegende Frau und sein verstorbenes Kind durchschimmern. Sein Fokus liegt klar darauf, zu erklären, dass die Brüder seine Frau mutmaßlich manipulieren und ihr klar machen wollten, er sei nur dafür da gewesen, sie nach Deutschland zu holen.

Mit dem im Januar 2024 unterschriebenen Vertrag hätten die Brüder den Angeklagten unter Druck setzen wollen, damit er seine Frau verlässt, so stellt der Angeklagte es vor Gericht dar. &bdquo;Ich habe alles unterschrieben, weil es für mich selbstverständlich war“, sagt der Syrer.

Wenn jemand in der Ehe respektlos geworden wäre, sei es seine Frau gewesen. &bdquo;Das war von ihrer Seite aus. Das Provokante. Das Streitsuchende.“ Das Paar hatte sich erst persönlich kennengelernt, als die 21-Jährige im Oktober 2023 nach Detmold gekommen sei. Davor hätten sie nur digitalen Kontakt gehabt.

Verteidiger widerspricht Aussage von Polizisten Die Beweisaufnahme für diesen Prozesstag ist straff. Vier Feuerwehrleute und sieben Polizeibeamte sagen aus. Nicht alles läuft rund. Verteidiger Hendrik Schnelle wehrt sich dagegen, die Aussagen von zwei Polizeibeamte zuzulassen, die den damals noch nicht unter Verdacht stehenden Angeklagten am nächsten Morgen im Krankenhaus vernommen und dabei auch ein Gespräch mit dessen Bruder mitbekommen hatten.

Der Bruder soll der zweite Anruf direkt nach dem Krankenwagen gewesen sein, den der Angeklagte in der Nacht abgesetzt hatte. Er könnte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, schätzt der Verteidiger. Die Kammer beschränkt sich daher darauf, die Polizeibeamten nur zu Inhalten der klaren Vernehmungssituation zu befragen.

Es sei nur darum gegangen, das Unglück aufzuklären, sagt einer der Polizeibeamten aus. Der Angeklagte habe im Krankenhaus erklärt, er hätte nach Feierabend mit seiner Frau am Meschesee spaziergehen und noch etwas Essen wollen. Als sie ein paar Schritte am Ufer entlangschlenderten, so schildert es der Beamte, sei die Frau plötzlich weggerutscht. Der 25-Jährige habe sie daraufhin mehrfach im Wasser gesucht, sie aber nicht gefunden und den Notruf gewählt. Er habe versucht sie zu retten, sei aber körperlich zu schwach gewesen, um zu schwimmen.

Rechtsanwältin Deborah Weinert aus Herford, die das Opfer in der Nebenklage vertritt, will an dieser Stelle wissen, ob sich der Angeklagte im Krankenhaus nach dem Zustand von Frau und Kind erkundigt habe. Der Polizeibeamte verneint das. &bdquo;Aber wenn er von ihr gesprochen hat, sind ihm Tränen aus den Augen gelaufen“, sagt der Beamte.

Der Prozess wird am 11. April fortgesetzt. Zwei weitere Prozesstage sind darüber hinaus angesetzt.

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