Mit Ratten fängt man Weißkopfseeadler: Das große Abenteuer von Donald aus Detmold

Detmold-Berlebeck. Eigentlich sind die Lüfte sein Revier. Doch im Raum Detmold ist er täglich auf der Straße unterwegs, zusammen mit seinem Falkner Benny Aschmann. Denn der Weißkopfseeadler Donald ist zusammen mit Aschmann das Werbegesicht der Adlerwarte Berlebeck auf dem Linienbus. Und er scheint seinen Job ernstzunehmen: Gerade hat Donald für multimediales Aufsehen gesorgt, weit über die Region hinaus. Der 15-Jährige war ausgebüxt. Hoch hinaufgestiegen und davongeflogen. Es war nicht das erste Mal.

Dänemark, Hannover - und jetzt Otterndorf bei Cuxhaven. Donald, geschlüpft in Hannover, hat einen Drang nach Norden, möchte man meinen. Klingt interessant, aber der Greifvogel-Fachmann hat die Wetterdaten studiert und eine andere, weniger sentimentale Erklärung: Donald ließ sich mit dem Wind mittreiben. Kräftesparend.

Ist Donald ein Sensibelchen? Liebt Donald die Freiheit? Oder ist er ein Sensibelchen, das sich während der sonntäglichen Flugshow vor gut einer Woche von zwei Krähen verscheuchen ließ? Weder noch, sagt sein Ziehvater: &bdquo;Er war dreimal in 15 Jahren weg, das ist nicht so häufig.“ Also gehe er davon aus, dass Donald auf der Adlerwarte an sich ganz zufrieden sei – er hätte schließlich zwei- bis dreimal täglich während der Flugvorführungen die Chance, das Weite zu suchen. Tut er aber nicht.

Greifvögel würden allerdings, wenn sie mit fünf bis neun Jahren geschlechtsreif seien, eben auch gerne mal &bdquo;über den Tellerrand“ blicken wollen, sagt Aschmann. Wie Pubertierende. Das ist ja nur menschlich. Und wie war das jetzt mit den Krähen? Der Falkner erklärt, dass die schwarzen Vögel nahe der Adlerwarte ihren Horst haben: Attacken in der Luft seien ganz normal, schließlich wollten sie die Beutegreifer nicht in der Nähe ihrer Nester, ihrer Jungen, haben. &bdquo;Die Krähen können ja nicht wissen, dass unsere Greifvögel bei uns Fünf-Sterne all inclusive gebucht haben.“

Hunger treibt die Raubvögel also nicht zu den fremden Nestern. Die Verscheuchungsversuche in der Luft zeigen dennoch Wirkung. Gerade weil die Greifvögel größer sind, sind sie weniger wendig und können die Krähen schlecht abwehren. Wirklichen Schaden, meint Aschmann, könnten die Krähen aber nicht anrichten – dafür müssten sie sich erst mal durchs dichte Federkleid von Adler, Geier & Co. kämpfen.

Nervige Krähen Die Adlerwarten-Bewohner seien dennoch genervt: &bdquo;Das ist, als wenn Ihnen ständig einer hinterherlaufen und Sie zwicken würde.“ Die Greife würden dann entweder gar nicht fliegen oder entnervt aufgeben – so wie am Wochenende der Bartgeier, der sich während der Flugvorführung von den Krähen an den Hang habe drücken lassen und dann von einem Mitarbeiter hochgetragen werden musste. Denn aufs Laufen habe er offensichtlich auch keinen Bock gehabt – ist ja auch nicht die übliche Fortbewegungsart eines Vogels, es sei denn, er ist Laufente.

Zurück zu Donald, der sich wegen des Krähen-Terrors entschied, Sonntag vor einer Woche bei der 15-Uhr-Vorführung das Weite zu suchen. Aschmann, der den Vogel von kleinauf betreut, sorgte sich: &bdquo;Die Vögel sind für mich wie Kinder mit Federn.“ Die Adlerwartenmitarbeiter informierten auf der Stelle alle Tierparks, die in der Windrichtung lagen. Vom Tierpark Schwarze Berge in Rosengarten nahe Hamburg sei dann eine positive Nachricht gekommen.

Am Sonntagabend wurde Donald bereits am Elbdeich gesichtet. Einen befreundeten Fachmann aus der Nähe des Fundortes setzten die lippischen Falkner daraufhin in Marsch, um nachzuschauen: Ist es das Tier aus Detmold? Ist es wohlauf? Der habe bestätigen können, dass es sich um Donald handelte und es ihm offenkundig gut gehe – einfangen dagegen konnte er ihn trotz etlicher Versuche nicht.

Distanziert gegenüber Fremden &bdquo;Donald ist nicht von Menschen, sondern von seinen Eltern aufgezogen worden, bevor er mit 100 Tagen ins schöne Berlebeck kam und hier seinen Vertrag unterschrieb“, sagt Aschmann augenzwinkernd. Dementsprechend distanziert sei er auch gegenüber Fremden. Und so setzte sich am Dienstag Christian Weigert, neben Aschmann die Hauptbezugsperson von Donald, in Marsch nach Norden.

Weigert ist ein erfahrener Falkner und schaffte es schließlich, Donald mit seiner Leibspeise – Ratten – zu bestechen. Allerdings sei einige Geduld vonnöten gewesen. Bei seiner Ankunft am Dienstag sei es zu spät gewesen, Donald hatte sich schon auf einen Baum zurückgezogen. Am Mittwoch hätten die fremde Umgebung und Schaulustige die Aufgabe zunächst erschwert, sodass der Vogel erst am Nachmittag Vertrauen fasste und sich zu seinem Falkner auf den Handschuh setzte.

Das Adlerwarten-Team ist erleichtert, dass der Ausflug seines Weißkopfseeadlers gut ausgegangen ist. Er sieht gesund und munter aus, ist unverletzt und verhält sich laut Aschmann wie immer. Jedoch müssen letzte Untersuchungsergebnisse abgewartet werden, um sicherzugehen, dass er sich keine Parasiten oder ähnliches eingefangen hat, dann darf er wieder zu den Artgenossen und an den Flugshows teilnehmen. Schließlich ist er neben seinem zehn Jahre älteren Bruder Diva (lange Zeit wurde der für ein Weibchen gehalten, bis eine Blutuntersuchung das Gegenteil bewies, aber das ist eine andere Geschichte) eine der Hauptattraktionen.

Wildvogel mit Rundum-Versorgung Ob Donald wohl ausschließlich wegen der Krähen stiften gegangen ist oder auch, weil er endlich mal frischen Fisch in der See fangen wollte, so wie es Weißkopfseeadler tun? Fakt ist: Er ist und bleibt ein Wildvogel. Aber einer, der in Berlebeck Rundum-Versorgung gebucht hat. Aschmann: &bdquo;Es ging ihm sicher nicht darum, frischen Fisch zu fangen. Das hat er ja bei uns viel bequemer.“ Selbstständig Beute zu machen, darin sei er völlig ungeübt.

Deshalb glaubt der Falkner auch nicht, dass der Weißkopfseeadler während der vier Tage etwas gefressen hat. Dennoch habe er fast sein normales Gewicht gehabt, nur 88 Gramm fehlten. Vermutlich, weil er trotz der Entfernung von 212 Kilometern Luftlinie wenig Energie verbraucht habe. Schließlich sei er mit dem Wind mitgesegelt. Schlauer Vogel. Schlauer als so manch menschlicher Namensvetter.

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