Detmold. Sein eigenes Strafverfahren gilt nach einer gezahlten Geldauflage von 5000 Euro als abgeschlossen, trotzdem muss sich der ehemalige mitangeklagte Immobilienmakler an Prozesstag 23 gegen eine Detmolder Anwältin erneut vielen kritischen Fragen stellen. Zwischendurch bleibt der Großen Wirtschaftsstrafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Katharina Schikowski kaum mehr als Stirnrunzeln. Je tiefer die Kammer bohrt, desto mehr Unverständnis tut sich auf. Im Kern geht es wieder um den Vorwurf, für den der Bielefelder vor einigen Monaten selbst hier in Saal 165 auf der Anklagebank saß. Der 70-Jährige hatte den Wert einer in diesem Verfahren schon oft diskutierten Detmolder Eigentumswohnung mit 87.000 Euro zu gering ermittelt. Ein vom Gericht bestellter Gutachter kommt auf eine Summe von 130.000 Euro. Das Objekt gehörte einer Seniorin, die die vorrangig als gesetzliche Betreuerin tätig gewesene Angeklagte zeitweise betreut hatte. Sprachnachricht mit pikantem Detail Den Auftrag, einen „vorläufigen Wert“ für die Wohnung als Orientierungshilfe festzustellen, soll der kaufmännische Geschäftsführer von der Anwältin bekommen haben. Da sei gar nicht sicher gewesen, ob die Eigentümerin verkaufen wolle. In einer Sprachnachricht, die dem Gericht vorliegt, forderte die Angeklagte ihn später auf, sie als Auftraggeberin zu streichen. „Ich habe darauf nicht reagiert, weil das Quatsch war“, sagt der 70-Jährige aus. Die besagte Wohnung ging dann bekanntermaßen für einen viel zu geringen Verkaufspreis von 82.500 Euro an die Kanzlei-Mitarbeiterin, die sich aktuell in einem eigenen Verfahren vor Gericht verantwortet. Die 32-Jährige verfolgt den Prozess gegen ihre Ex-Chefin am Dienstag wieder aus dem Zuschauerraum. Weil sie den Saal verlässt, als der Immobilienmakler seine Aussage gerade beendet hat, ermahnt die Vorsitzende den ausschwärmenden Zeugen, nicht mit der Angeklagten über das Verfahren zu sprechen. Schließlich muss er am Folgetag auch in dem Parallelprozess aussagen. Da die Verfahren abgetrennt wurden, muss die Beweisaufnahme teilweise doppelt laufen. Staatsanwalt stellt die entscheidende Frage Während der Aussage reiht sich ein Fragezeichen an das andere. Wieder und wieder beteuert der Immobilienmakler, seine vorläufige Analyse gründe im Wesentlichen auf einem 15-minütigen Besuch in der besagten Wohnung. Ihm hätten überhaupt keine Daten des Objekts vorgelegen. „Kann man dann überhaupt eine realistische Einschätzung vornehmen?“, hakt die Vorsitzende nach. „Nein, kann man nicht“, sagt der Zeuge. Wo dann überhaupt der Sinn des Ganzen gelegen hat, erschließt sich der Kammer nicht. Da der Wert nach Angaben des Zeugen überhaupt nicht aussagekräftig war, könne er doch auch Verkäufern nicht als Entscheidungsgrundlage dienen. Der Immobilienmakler gibt zu dem selbst an, er hätte etwa 20 Prozent draufgeschlagen, wenn er eine richtige Marktanalyse gemacht hätte. Staatsanwalt Moritz Lange stellt dann die entscheidende Frage: „Was war Ihre Wertermittlung dann überhaupt wert?“ Der Zeuge antwortet: „Die ist genauso viel wert, wie ich dafür bekommen habe. Nämlich gar nichts.“ Trotzdem soll der Makler das Dokument kommentarlos an die Anwältin weitergeleitet haben. Der Zeuge selbst kann sich im Einzelnen nicht erinnern, inwiefern die beiden konkret darüber gesprochen haben, dass der Wert kein abschließender sei. Auf keinen Fall hätte die genannte Summe als Verhandlungsgrundlage für den Kaufpreis dienen dürfen, sagt der Zeuge. Genau das scheint aber letztendlich passiert zu sein. Kein Prozessende in Sicht Damit solche ersten Einschätzungen nicht in die falschen Hände gerieten, gebe sein Büro diese Dokumente inzwischen gar nicht mehr einfach raus, erklärt der Makler. „Wir haben das Verfahren noch einmal überarbeitet.“ Für sofort vermietbar habe er die besagte Wohnung übrigens nicht gehalten, stellt er auf Nachfrage von Verteidigerin Christina Peterhanwahr heraus. „Auf keinen Fall. Das war eine Grotte. Dem Gesamteindruck nach war alles alt.“ Um sich durch den recht späten Wechsel in der Verteidigung nicht angreifbar zu machen, hört die Kammer an Prozesstag 23 noch zwei weitere Zeuginnen, die die Verteidigerin persönlich nicht mitbekommen hatte. Schon jetzt deutet sich laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth an, dass es nicht wie geplant im Juli ein Urteil geben wird. Das Mammutverfahren wird womöglich erst weit nach den Sommerferien zu Ende gehen. Offenbar könnte es auch noch die ein oder andere Überraschung geben. Der Prozess wird am 1. Juli fortgesetzt.