So hilft ein Detmolder Arzt unter widrigsten Bedingungen in Indien

Detmold. 40 Grad Hitze, 97 Prozent Luftfeuchtigkeit, Moskitos, die einem die Beine zerstechen, und lediglich Kerzenlicht, das den Raum erhellt - so die Situation im &bdquo;Dschungel-Krankenhaus“ irgendwo im Sundarbans-Delta im östlichen Indien. Hier und in anderen Dörfern praktizierte Prof. Dr. Andreas Holstein aus Detmold sechs Wochen lang. Mit nicht viel mehr als den eigenen Händen und einem Stethoskop. &bdquo;Das war Arbeit mit den Sinnen und der eigenen klinischen Erfahrung“, beschreibt der 66-Jährige.

Ein starker Kontrast zu seinem Berufsleben. Der gebürtige Detmolder, der nach dem Abitur am Leopoldinum in Bonn Medizin studiert hatte, war zwischen 1986 und 2025 mit einigen Unterbrechungen am Klinikum Lippe tätig und dort als Internist, Gastroenterologe und Diabetologe beschäftigt. Zu den weiteren Stationen gehörte die Medizinische Hochschule in Hannover, wo er habilitierte und eine Professur für Innere Medizin hat. Aber egal, wo er gerade arbeitete - im reichen Deutschland war es überall möglich, innerhalb kurzer Zeit ein Röntgenbild oder Laborergebnisse vorliegen zu haben. Nicht so in Indien.

Nur wenige Tage nach seinem Eintritt in den Ruhestand reiste Andreas Holstein im Juli in das Land, in dem er auf einer Rundreise mit seinem Sohn schon einmal die Armut und Bedürfnisse der Menschen erlebt hatte und in das er nun als ehrenamtlicher Helfer im Auftrag der Hilfsorganisation &bdquo;German Doctors“ zurückkehrte. &bdquo;Ich hatte ein gutes Leben. Ich wollte gerne etwas zurückgeben und meine Fähigkeiten und mein Wissen nicht einfach ausklingen lassen, sondern dort weitergeben, wo es gebraucht wird“, erklärt der Detmolder seine Motivation. Und ein Vorbild hatte er auch: Eine Kollegin habe immer ihren kompletten Jahresurlaub aufgewendet, um für die Organisation unterwegs zu sein, die regelmäßig Ärzte in Entwicklungsländer schickt. Das habe ihm imponiert.

Fahrt in entlegene Dörfer Einsatzgebiet war Westbengalen, direkt an der Grenze zu Pakistan. &bdquo;Eine der ärmsten Regionen Indiens“, sagt der 66-Jährige, der zur Vorbereitung einige Fortbildungen, Sicherheitstrainings und Impfungen absolviert hatte. Zusammen mit anderen Ärzten, Gesundheitshelferinnen und Dolmetschern wurde er Teil einer &bdquo;Rolling Clinic“, die in Jeeps durch entlegene Dörfer tingelt, in der es keine medizinische Grundversorgung gibt. &bdquo;Die Anreisen dauerten bis zu drei Stunden, es war Monsun, die Straßen teilweise überschwemmt“, berichtet Andreas Holstein. Das Equipment, darunter Medikamente und Basis-Diagnostika, seien in Holzkähnen über das Wasser gesetzt worden. Die lokale Partnerorganisationen Asha (gerade ausgezeichnet mit dem Preis für Medizinische Entwicklungszusammenarbeit 2025 der Else Kröner-Fresenius-Stiftung) gab Hilfestellung und sorgte auch für die Sicherheit der Gruppe.

Rund 14 Dörfer habe er auf diese Weise kennengelernt und unzählige Patienten. In der Spitze habe das dreiköpfige Ärzte-Team (zwei Deutsche und ein Inder) einmal 115 Menschen an einem Vormittag behandelt. Chronische Erkrankungen wie Diabetes (sehr verbreitet in Indien) oder Bluthochdruck, aber auch Mangelernährung seien ihnen oft begegnet. Dazu Durchfall, Parasiten und Pilzerkrankungen, die das Leben in Feuchtgebieten mit sich bringen. &bdquo;Die Menschen leben dort in einfachen Hütten oder Häusern, häufig waldnah und ohne Strom und fließend Wasser. Das fördert Erkrankungen“, erläutert der Mediziner.

Reise bringt Demut und Reflektion Alle 14 Tage kehrte die &bdquo;Rolling Clinic“ zurück, sodass die Ärzte kontrollieren konnten, ob Medikamente anschlugen oder eben nicht. Außerdem schulten sie das Gesundheitspersonal vor Ort - junge Frauen, die mithalfen, Blutdruck zu messen, die Patienten zu wiegen oder Medikamente zu stellen und die gesamte Infrastruktur aufrechterhielten. Diese boten dann wiederum Schulungen für die Bevölkerung an, zum Beispiel zu sauberem Trinkwasser, gesunder Ernährung oder der Versorgung von Wunden. &bdquo;Somit war unser Einsatz dort nachhaltig und auch ein Stück Emanzipation für die jungen Frauen. Die haben das verständlich für die Bevölkerung rübergebracht“, berichtet Andreas Holstein.

Demut habe ihm der Einsatz in Indien gebracht. Und Reflexion. Darüber, wie gut es ihm gehe, dass er gesund und wohlhabend sei, mit Zugang zu Gesundheitsversorgung, Elektrizität und Wasser. Medizinische Versorgung gehöre zu den Grundrechten, die die Bevölkerung dort nicht habe. Deshalb sei es ihm wichtig gewesen, zu helfen und auch Anleitung zu geben. Das habe er schon mit seinen Studenten immer gerne gemacht und so sei es auch mit den Menschen in Indien, die es bitternötig hätten, gewesen. &bdquo;Es war eine sehr reiche Zeit, die ich nicht missen möchte. Nochmal ein Höhepunkt in meiner beruflichen Tätigkeit“, sagt der 66-Jährige. Deshalb möchte er auch weiterhin für die &bdquo;German Doctors“ tätig sein, vielleicht in Afrika oder an einem anderen Ort, wo dringend Hilfe benötigt wird.

Über German Doctors

Der German Doctors e.V. ist eine ärztliche Hilfsorganisation, die weltweit tätig ist und Arzteinsätze in Entwicklungsländern leistet. Dort wird nach eigenen Angaben zum Beispiel HIV-Infizierten, unterernährten Kinder mit Mangelerscheinungen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen geholfen. Dazu gehen Ärzte ehrenamtlich für die Dauer von sechs Wochen in den Projekteinsatz und behandeln Menschen, die sich ansonsten keinen Arztbesuch leisten könnten. Die Organisation möchte die Situation vor Ort aber auch nachhaltig verbessern, indem Einheimische ausgebildet werden und dann Präventivmaßnahmen wie Hygieneschulungen und Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung leisten. Seit Gründung der Organisation im Jahr 1983 haben laut der vereinseigenen Internetseite mehr als 3500 Ärzte über 13 Millionen kostenlose Behandlungen durchgeführt.

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