Rehkitz-Waisen Holly und Olly kommen in Dörentrup in gute Hände

Dörentrup/Spork-Wendlinghausen. Der Beginn der Geschichte ist traurig, doch jetzt wird hoffentlich alles gut: Nachdem die Mutter zweier wenige Tage alter Rehkitze vergangenen Sonntag bei Voßheide von einem nicht angeleinten Hund gerissen und sofort getötet wird, sind die beiden Jungtiere nach dem glücklichen Ende einer Suchaktion jetzt in Obhut bei Johanna Müller in Dörentrup. Die 27-Jährige ist Mitglied beim Projekt &bdquo;Save the Kitz" und möchte Holly und Olly, so die Namen der zwei Waisen, nun aufpäppeln, bis sie ein neues Zuhause finden.

Eigentlich ist es schon gefunden: bei Sabine Stock, der Kalletaler Bauernhof-Erlebnispädagogin aus Osterhagen bei Talle. Es fehlen nur noch ein paar Hundert Gramm. Sobald Holly und Olly mehr als zwei Kilo auf die Waage bringen, gelten sie als reisetauglich.

Kitze sind bereits handzahm

Noch geben Johanna Müller und ihr Freund Matthias Ancutko dafür alles – genauer: das Fläschchen, da die Ricke nach ihrem Tod nicht mehr als natürliche Nahrungsquelle zur Verfügung steht. Holly und Olly sind bereits handzahm geworden – wenn Johanna Müller sie raus in den Garten trägt, strampeln sie nicht.

Dabei dürfte das Erlebnis vom Wochenende, an dem auch ein Mensch entscheidenden Anteil hatte, die Kitze in Angst und Schrecken versetzt haben: Ein Hundehalter ließ bei Voßheide seinen Vierbeiner von der Leine, obwohl er das Tier nicht so erzogen hatte, dass es sicher gehorchte. Der Hund entdeckte beim Stöbern die säugende Ricke, packte sie an der Kehle und verletzte das Wilddtier tödlich.

Die nun verwaisten Kitze Holly und Olly verdrückten sich eilig ins Feld, berichtet Müller. Familie Lahl aus Voßheide verbrachte den restlichen Sonntag mit der Suche nach den Jungtieren. Letzte Option wäre noch die Drohe samt Wärmebildkamera aus dem Rettungsprojekt &bdquo;Save the Kitz" gewesen, doch am Ende ließen sich Holly und Olly hören, blicken und schließlich einfangen.

Ansonsten wären die beiden Jungtiere wohl verhungert oder aber erfroren, glaubt Johanna Müller. Die war am Sonntag, als Helferin von &bdquo;Save the Kitz", kurzerhand als erste Ziehmutter organisiert.

Ein Job, der es wahrlich in sich hat. Alle zwei Stunden brauchen die beiden gerade mal eineinhalb Kilo schweren und damit wenige Tage jungen Kitze momentan noch die Flasche. Anfangs mit Spezialmilch aus dem Betrieb der Lemgoer Schafzüchterin Karla Ebert, da diese besonders viele wertvolle Antikörper und Abwehrstoffe enthält.

Plus 100 Gramm am Tag

Nun sind sie auf ein Milchgemisch aus Pulver umgestiegen, das eigens angerührt und genau auf Temperatur gebracht werden muss. &bdquo;Exakt 39,5 Grad – die Körpertemperatur der Mama", weiß Johanna Müller. &bdquo;Sonst trinken sie keinen Schluck."

Obwohl sie langsam an Gewicht zulegen, ist das Risiko, dass es die beiden doch nicht schaffen, noch nicht ausgestanden, weiß Sabine Stock vom Hof in Talle-Osterhagen aus eigener Erfahrung. Die Kitze sind zart, müssen Kraft tanken, bevor sie zu der Erlebnispädagogin umziehen können. Bestenfalls schaffen Holly und Olly laut der Waage von Johanna Müller 100 Gramm am Tag. Noch gilt es daher die Fütterung im Zweistunden-Takt durchzuziehen – auch nachts.

Ein Corona-Glücksfall ist da das Homeoffice, von dem Johanna Müller momentan aus arbeiten kann. &bdquo;Sonst wäre das gar nicht zu leisten", sagt die 27-Jährige. An den Klang von Radio, TV und die zwei Hunde haben sich die Rehkitze bereits gewöhnt. Ohnehin werden sie durch den frühen Kontakt zum Menschen ganz zahme Tiere werden, prognostiziert Sabine Stock.

Ob Holly und Olly eines Tages überhaupt ausgewildert werden können, stehe deshalb in den Sternen. Können oder wollen ... es soll nach Worten von Sabine Stock schon Rehe gegeben haben, denen das Gatter geöffnet wurde und die dann Monate in Freiheit zugebracht hätten, um am Ende wieder Einlass zu begehren.

Was man kennt, kann man schützen

Bei Sabine Stock, so der Plan, sollen die beiden Tiere zunächst auch zu einem Teil der Taller Bauernhoferlebnispädagogik werden. &bdquo;Nur was man kennt, kann man auch lieben und schützen lernen", ist sich Sabine Stock sicher. Sie möchte, dass die zahmen Kitze bei den Kindern, die zu Gast sind, beste Werbung für einen fairen Umgang mit der Tierwelt und Natur sind.

Für Johanna Müller zeigt der Vorfall von Sonntag vor allem eines: Insbesondere in der Brut- und Setzzeit, in der die Kitze geboren und im Schutz der Felder aufgezogen werden, gehören Hunde schlichtweg an die Leine. &bdquo;Mindestens bis Anfang Juli", betont die Dörentruperin. &bdquo;Dem Hund mache ich keinen Vorwurf." Sie hoffe aber, dass der Halter, der den Tod der Rehmutter zu verantworten habe und Holly und Olly durch den Verzicht auf die Leine einen schweren Start ins Leben bescherte, wenigstens die Kosten für die Anfangsnahrung übernimmt.

"Save the Kitz" rettet 253 Tiere

Das Projekt &bdquo;Save the Kitz" entstammt einer Technik-AG des Lemgoer Engelbert-Kaempfer-Gymnasiums. Leiter und damit Projektinitiator ist Dr. Daniel Muschiol, Lehrer für Bio, Chemie und Physik. In Werkstätten des Lüttfeld-Berufskollegs arbeiten die EKG-Schüler mit Hilfe von zwei Techniklehrern. Inzwischen hat &bdquo;Save the Kitz" 10 Drohnen im Einsatz, mit denen mit Hilfe von Wärmebildkameras vor der Mahd täglich bis zu 200 Hektar Grünland abgesucht werden können, in denen sonst Rehkitze unter Mähdreschern zu Tode kommen könnten. Die Arbeit verteilt sich auf insgesamt 33 ehrenamtlich tätige &bdquo;Piloten".

2020 war das Projekt &bdquo;Save the Kitz" im Mai und Juni an insgesamt 39 Tagen im Einsatz, zeitweise mit sechs Teams parallel. Exakt 253 Rehkitze konnten dabei aufgespürt und gerettet werden.

Rehkitz-Waisen Holly und Olly kommen in Dörentrup in gute Hände

Besser anleinen: Junge Wildtiere vor Hunden schützen

Kinder nehmen Rehkitz von Wiese in Bünde mit: Warum das für ein Tier fatal enden kann

Der Detmolder Robin Jähne zieht für seinen nächsten Film drei Rehkitze auf

Wildtierbaby gefunden: Wie verhält man sich richtig?

Erster Winter: Tipps für frischgebackene Hundehalter

Heimatpreis in Dörentrup: Gemeinde zeichnet Vereine und Ehrenamt aus

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €