Horn-Bad Meinberg. Alliierte Tiefflieger griffen am Mittwoch, 24. Januar 1945, den Linienbus – von Blomberg kommend – auf der Reichsstraße 1 auf der Werrebrücke in Bad Meinberg an. Dabei fanden mehrere Fahrgäste den Tod. An einem Sonntag darauf fielen wieder tödliche Schüsse von Tieffliegern und trafen einen russischen Kriegsgefangenen. Tage später wurde uns Burschen befohlen, an der Reichsstraße 1 und im Kurpark Deckungslöcher zu graben, um bei Fliegerangriffen Schutz für die Menschen zu bieten.
Damit war auch der Krieg im sonst ruhigen Kurort angekommen, der in allen Pensions- und Kurhäusern mit verwundeten Soldaten voll belegt und mit dem Rotkreuz-Zeichen auf den Dächern gekennzeichnet war, um auf die humanitäre Seite des mörderischen Krieges hinzuweisen. Da wir noch ein Fahrrad besaßen, wurden mein Freund und ich als Melder beim Volkssturm eingesetzt. Wir sollten eine Nachricht von Bad Meinberg an die „Stellungen“ der Volkssturmmänner entlang der Straße von Vahlhausen bis zum Gefechtsstand am Hotel Wald-schlößchen in Horn überbringen, haben aber unterwegs niemanden mehr angetroffen. Der Volkssturm in Bad Meinberg hatte frühzeitig die aussichtslose Situation erkannt.
Die Tage bis zum Einmarsch der amerikanischen Truppen am Mittwoch nach Ostern waren von gespannter Unruhe in der Bevölkerung geprägt und durch Meldungen über Gräueltaten sowjetischer Truppen im Osten Deutschlands geschürt. Auf der Reichsstraße 239, die vor unserem Haus vorbeiführte, sahen wir mehrere Kolonnen Gefangener und Internierter, die in Richtung Osten unterwegs waren – ein trostloser Anblick für uns Kinder. Von deutschen Truppen wie auch von Wehrmachtsfahrzeugen war kaum etwas zu sehen.
Die Tage vor Ostern verliefen in ungewisser Besorgnis im Ort. Am 27. März wurde Paderborn durch einen schweren Luftangriff stark zerstört, was bei uns wahrgenommen wurde. Zudem war Geschützgrollen aus der Dörenschlucht und Berlebeck zu vernehmen. Wegen des Herannahens der Front hatten wir zu Hause die Betten seit einigen Tagen im Keller aufgeschlagen und schliefen dort.
Als der Tag X dann am Mittwoch, 4. April, nun auch in Bad Meinberg kam, wurde über Lautsprecher der amerikanischen Truppen von der Höhe zwischen Wilberg und Bad Meinberg die Bevölkerung aufgefordert, zum Zeichen der kampflosen Übergabe des Ortes weiße Fahnen zu zeigen. Selbst unser Vater, der als Polizeibeamter in Bad Meinberg seinen Dienst verrichtete, hatte für diesen Moment vorgesorgt.
Wenig später rollte der erste amerikanische Panzer langsam an unserem Haus vorbei, gefolgt von einer endlosen Kolonne von Panzern und Militärfahrzeugen, auf die Kreuzung am „Dreher“ und bezogen Stellung auf den Feldern um den Ort. Die erste Nacht nach dem Einmarsch verbrachten unsere Mutter und wir drei Jungen im Keller. Drei Tage nach dem Einzug der amerikanischen Truppen kamen unser Vater und ein Straßenbahnfahrer, der wegen seiner Uniform in Gefangenschaft geraten war, in Zivilkleidung wieder nach Haus, sie waren in Nieheim festgesetzt worden.
Damit waren der Krieg und das „Tausendjährige Reich“ in Bad Meinberg zu Ende. Die ersten Tage nach dem „Dritten Reich“ verliefen im Ort sehr verhalten, hatten doch die vielen verwundeten Soldaten in den Kurhäusern und die Bevölkerung das Kriegsende relativ gut überstanden. Es hatte keinen Schusswechsel gegeben und kaum Übergriffe der Truppe auf die Bevölkerung.
Der Pächter der Domäne „Erichshof“ hatte die jungen Burschen im Ort mit den Worten „ Nun ist alles vorbei. Wir müssen sehen, dass die Menschen wieder was zu essen haben“ zusammenrufen lassen, um die zerfurchten Äcker wieder in Ordnung zu bringen. Damit gingen wir an die Arbeit für den Frieden. Die Bombergeschwader flogen jedoch weiter mit ihrer tödlichen Fracht und brachten im letzten Kriegsmonat noch vielen Menschen Tod und Verderben.
Persönlich
Der ehemalige Schlänger Bürgermeister Ernst Schäferjohann stammt aus Pivitsheide. Der 84-Jährige ist in vielen Vereinen engagiert. Seit 1961 war er mehr als 30 Jahre Mitglied im Gemeinderat Schlangen und in dieser Zeit mehr als 14 Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister. 1970 bekleidete er den Posten des ersten Wehrführers der Gesamtwehr in der neuen Großgemeinde Schlangen.