Barntruper Schlossherr sagt Düsseldorf ade

Barntrup. Ein eigenes Schloss zu besitzen, muss das nicht traumhaft sein? Für Dr. Dedo von Kerssenbrock-Krosigk ist es ein zweischneidiges Schwert. Das Barntruper Weserrenaissance-Schloss, das seine Familie seit 400 Jahren bewohnt, sei &bdquo;ein schwarzes Loch“, sagt der 58-Jährige. Das denkmalgeschützte Gebäude instand zu halten, sei sehr aufwendig. Auch um sich mehr um den Stammsitz seiner Familie zu kümmern, hat der Kunsthistoriker mit Doktortitel seinen Job als Museumskurator in Düsseldorf aufgegeben. Seit dem Sommer wohnt Dedo von Kerssenbrock-Krosigk sozusagen fulltime in Barntrup.

&bdquo;In meinem Wohnzimmer passt ein ganzes Einfamilienhaus inklusive Keller und Dachboden“, sagt der Schlossherr und muss schmunzeln. Das Schloss ist eben Geschenk und Last zugleich, schon allein wegen seiner Dimensionen. Aber auch wegen des Unterhaltungsaufwands. Seit der Vater, ein Diplomat, im Jahr 2008 verstorben war, hält seine Mutter Isi die Stellung.

&bdquo;Kampf gegen den Verfall“ &bdquo;Seit klar war, dass ich das Haus einmal erben würde, war für mich genauso klar, dass ich einmal hier sesshaft werden würde“, sagt Dedo von Kerssenbrock-Krosigk. Diesen Schritt ist er nun gegangen. &bdquo;Wenn man ein Haus wie dieses hat, muss man auch darin leben.“ Es sei viel zu groß, keine Frage, und es liege immer etwas an. &bdquo;Es ist der Kampf gegen den Verfall.“

Für Barntrup ist das Schloss, das einst sogar als Pausenbild in der ARD zu sehen war, stadtbildprägend, für viele Barntruper ist es sozusagen identitätsstiftend. Das Schloss ist zwar Privatwohnsitz, aber zugleich ein Ort des Austauschs. Es gibt Konzerte, jüngst organisierte Dedo von Kerssenbrock-Krosigk zum zweiten Mal eine Diskussion zwischen den Bürgermeisterkandidaten im Schlosshof. Das sei sehr befruchtend, findet er.

Von Düsseldorf nach Barntrup, von der Landeshauptstadt ins ländliche Lipperland zu ziehen, das sei ihm nicht schwergefallen, sagt der verheiratete Familienvater, der in der BR-Fernsehsendung &bdquo;Kunst und Krempel“ als Experte für Glas fungiert. Er sei ja auch vorher häufiger hier gewesen, habe sich beispielsweise um die zum Schloss gehörige Forstwirtschaft gekümmert. &bdquo;Aber die Doppelbelastung wurde mir zu viel.“ Darüber hinaus sei es ihm &bdquo;keine Sekunde“ schwergefallen, die leitende Aufgabe im Museum zu kündigen. Er habe nach einem Wechsel an der Spitze des Kunstpalasts ohnehin nicht mehr so viele Freiheiten gehabt.

Außerdem ist Dedo von Kerssenbrock-Krosigk nach eigenen Worten &bdquo;flexibel aufgewachsen“, Ortswechsel prägen seine Biografie, er ist ordentlich rumgekommen. Er wuchs – wegen der Arbeit des Vaters – in Argentinien, Äthiopien und Mexiko auf. Als er 13 war, ging es nach Bonn, wo er Abitur machte und Kunstgeschichte studierte. Während der Bundeswehrzeit kam er nach Augustdorf. Da habe er noch nicht einmal verstanden, was ein Kamerad meinte, als dieser ihn fragte, &bdquo;von wo ich denn weg bin“, erzählt er schmunzelnd.

Größtes Glasmuseum der Welt Die Promotion zum Thema Glaskunst machte er in Berlin, hatte seine erste Anstellung im Bröhan-Museum. Im Jahr 2003 ging er als Kurator zum Corning Museum of Glass im US-Bundesstaat New York. Er zog mit der Familie in den kleinen Ort, der kaum größer ist als Barntrup und das größte Glasmuseum der Welt beherbergt.

Die Glaskunst-Szene sei überschaubar. Und Dedo von Kerssenbrock-Krosigk ist einer der wenigen internationalen Experten für die Geschichte der Glaskunst. So erklärt sich der Anruf aus Düsseldorf, der ihn im Jahr 2008 erreichte: &bdquo;Mein Vorgänger im Glasmuseum Hentrich ging in den Ruhestand und fragte mich, ob ich das übernehmen könnte.“ Die größte Glassammlung in Deutschland. Von Kerssenbrock-Krosigk leitete die Abteilung, das heute als Glassammlung im Kunstpalast bekannt ist, 17 Jahre lang, machte Ausstellungen, kümmerte sich um Neuanschaffungen für das Museum mit seinen 13.000 Objekten von der Antike bis zur Gegenwart.

Und jetzt ist Schluss. Jetzt ist unter anderem die Forstwirtschaft auf vier größeren Parzellen, die die Familie bewirtschaftet, seine Aufgabe, die wie die verpachteten Ländereien nach seinen Worten wichtig ist, um das Schloss unterhalten zu können. Sein Vater vermittelte ihm Kenntnisse der Forstwirtschaft, lange Zeit kümmerte sich ein Forstwirtschaftsmeister um den Wald.

Da geht es jetzt darum, sich um die durch Dürrejahre und den Borkenkäfer geschädigten Flächen im Wald zu kümmern. Welche Bäume sind widerstandsfähig genug, um im geänderten Klima zu überleben? &bdquo;Ich habe gute Berater und lerne täglich dazu“, sagt der Schlossherr. Doch das Fichtensterben habe ungeheure Vermögenswerte vernichtet, die Einkünfte aus dem Wald sänken. Das werde kompensiert durch die Windenergie auf verpachteten Flächen auf Blomberger Gebiet.

Experte im Fernsehen Und die Kunstgeschichte? Ist jetzt sein zweites Standbein. Der Plan habe funktioniert, sich mit seinen Kenntnissen als Kunstberater selbstständig zu machen, sagt er, der &bdquo;schon immer zwischen Antiquitäten gelebt“ hat. Der Aufgabe als Berater für Kunst im Allgemeinen könne er von Barntrup aus nachgehen, Sammler unterstützen, &bdquo;die Kunst besitzen, besitzen möchten oder nicht mehr besitzen möchten“. Er könne Hinweise zum Umgang mit Kunstwerken im Alltag geben, könne Experten vermitteln, wisse, &bdquo;wie Museen ticken“. Erste Anfragen gebe es bereits.

Ob auch Menschen darunter sind, die ein Schloss besitzen – oder besitzen möchten? In dieser Frage könnte Dedo von Kerssenbrock-Krosigk ebenfalls allerhand Informationen geben ...

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