Interview: Paderborner Apotheker verfechtet Gemeinwohl-Ökonomie

Horn-Bad Meinberg. Albrecht Binder ist selbstständiger Apotheker mit zwei Filialen in Paderborn, einer in Bad Meinberg und dem Stammhaus in Steinheim. Der 57-jährige ist Verfechter der Gemeinwohl-Ökonomie.

Gemeinwohl-Ökonomie – was ist das?

Albrecht Binder : Es ist der Versuch, Paragraf 14 unseres Grundgesetzes umzusetzen: &bdquo;Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." In den meisten Unternehmen und in der Volkswirtschaft wird Erfolg nur in Geld gemessen. Deshalb richtet sich das komplette Handeln danach aus, Geld zu maximieren. Eine Gemeinwohl-Ökonomie misst hingegen auch, was der Betrieb zum Wohl der Allgemeinheit beiträgt. Je positiver sein Einfluss ist, umso geringer ist die Steuerlast.

Wie würde das gemessen?

Binder : Es gibt 20 Felder, die in den Bereichen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung bewertet werden – und zwar auch über alle Stakeholder wie Geldgeber, Lieferanten, Mitarbeiter, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld. Außerdem werden Firmen an den Regelungen der UN-Unternehmerrechte-Charta gemessen. Wenn sie Teilbereiche in Länder ausgliedern, die diese nicht unterzeichnet haben, werden sie abgewertet. Machen sie hingegen mehr als gesetzlich gefordert, gibt es Pluspunkte.

Und welche Instanz soll das bewerten?

Binder : Steuerberater und Wirtschaftsprüfer könnten als staatlich vereidigte Sachverständige die Gemeinwohl-Prüfung machen. Als Indikatoren könnten Werte wie das Verhältnis von Werbeetat zu Produktumsatz aber auch Mitarbeiter- und Kundenbefragungen verwendet werden.

Das klingt utopisch...

Binder : Es ist aber umsetzbar. Ich habe diese Idee mit vielen Volks- und Wirtschaftswissenschaftlern diskutiert – auch an der Uni Paderborn und der Fachhochschule Bielefeld. Da waren viele kluge Köpfe dabei, von denen mir keiner schlüssig sagen konnte, warum das nicht umsetzbar sein sollte. Und wir müssen etwas ändern: Unbegrenztes Wachstum in einer Welt mit begrenzten Ressourcen ist unmöglich. Deshalb wird unsere derzeitige Wirtschaftsordnung innerhalb der nächsten 15 Jahre zusammenbrechen.

Für Ihre Apotheken haben Sie bereits eine Gemeinwohl-Bilanz veröffentlicht. Mit welchen Erfahrungen?

Binder : Finanziell hat es sich für mich nicht ausgezahlt. Der monetäre Wettbewerb wird durch einen um die bessere Gemeinwohl-Bilanz ersetzt. Warum haben andere mehr Punkte? Was kann ich verbessern? Meine Kunden bekommen eine höhere Transparenz und ich habe Vorteile bei der Suche nach Arbeitskräften. Ich finde eher die, die wirklich zu meinem Betrieb passen.

Wie muss es aus Ihrer Sicht weiter gehen?

Binder : Von unten nach oben. Die Vision ist, dass auch Kommunen Gemeinwohl-Bilanzen erstellen – wie Steinheim es plant – und auch bei der Auftragsvergabe darauf achten, Unternehmen mit Gemeinwohl-Bilanz zu bevorzugen.

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