Angriff in Regionalbahn bei Horn: Fahrgäste kommen Schaffnerin zur Hilfe

Horn-Bad Meinberg. Ein 54-Jähriger ohne festen Wohnsitz hat abends in der Regionalbahn 72 von Paderborn Richtung Lage eine Zugbegleiterin (64) angegriffen, als diese seinen Fahrschein kontrollieren wollte. Weil andere Fahrgäste Zivilcourage zeigten, ist möglicherweise Schlimmeres verhindert worden. Im Bahnhof Horn stieg die Polizei zu und nahm sich des Mannes an. Gegen ihn wird nun wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Erschleichens von Leistungen ermittelt.

Diese nüchternen Fakten werden der Dynamik der Situation nicht gerecht, wie LZ-Leserin Michaela Schiller erzählt. &bdquo;Der Mann ist mit mir und anderen in Paderborn eingestiegen“, berichtet sie. &bdquo;Er setzte sich in die selbe Reihe wie ich, nur auf die andere Seite des Gangs. Schon einen kurzen Blickkontakt empfand ich als bedrohlich.“

Nach etwa zehn Minuten Fahrt habe dann die Zugbegleiterin die Fahrausweise kontrolliert. &bdquo;Es gibt ja auch unhöfliche Zugbegleiter, die es den Menschen schwer machen“, sagt Schiller, &bdquo;aber sie war klar in ihrer Ansprache und sehr freundlich.“ Der Mann habe sein Kleingeld fallen gelassen und die Frau habe ihm sogar beim Aufsammeln geholfen. &bdquo;Was sie denn jetzt noch wolle, sagte er dann. Sie hätte doch schon seinen Fahrschein gesehen“, erinnert sich Schiller. &bdquo;Nein, das habe sie noch nicht, entgegnete die Zugbegleiterin.“ Sie sei nach hinten im Wagen gegangen, um noch drei andere Fahrgäste zu kontrollieren und habe dem Mann das auch angekündigt. &bdquo;Falls er keinen Fahrschein habe, könne er ja schon mal seinen Ausweis herausholen, bis sie zurückkomme.“

Zwei Schläge in die Brust &bdquo;,Es geht nicht ums Kämpfen’, hat er gesagt“, erinnert sich Schiller. &bdquo;Nein, darum gehe es nicht, sie wolle nur seinen Ausweis sehen, sagte die Frau. Dabei stand sie mit dem Rücken zu mir an meine Sitzreihe gelehnt. Sie beugte sich leicht vor und ich hörte nur einen Rumms und da hatte sie offenbar schon zwei Schläge abbekommen. Ich habe dann laut gerufen: Hey! Und ad hoc standen drei andere Fahrgäste auf“, freut sich Schiller. Einer davon sei Soldat gewesen und habe sich zwischen den Mann und die Zugbegleiterin gestellt und ihr so Schutz geboten. Der Angreifer habe seinen Gürtel aus der Hose gezogen, ihn sich um die Hand gewickelt und versucht, ihn wie eine Peitsche zu nutzen. Außerdem habe er daraus eine Schlinge geformt und versucht, sich diese um den Hals zu legen. &bdquo;Der Mann sagte, er sei vor einer Woche aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden.“ Bei einer zwölfminütigen Zwangspause am Bahnhof in Horn beendete die zugestiegene Polizei die bedrohliche Situation.

Diese Zivilcourage der Fahrgäste ist der Grund, warum Schiller sich an die LZ gewandt und das Erlebnis geschildert hat. &bdquo;Niemand hat den Menschen weiter angefasst, aber die Erleichterung im Gesicht der Zugbegleiterin vergesse ich nicht: Ich bin nicht allein!“ Die Zugbegleiterin, die mit Schmerzen unterhalb des Schlüsselbeins ihre Fahrt fortsetzte, habe sich dafür noch bei den Fahrgästen bedankt. Solche Übergriffe kämen häufiger vor, aber oft sähe niemand hin. &bdquo;Als der Mann gegenüber der Zugbegleiterin vor seinem körperlichen Angriff verbal-sexuell übergriffig wurde, war mein erster Impuls auch, mir einfach die Kopfhörer in die Ohren zu stopfen“, gibt Schiller zu, &bdquo;aber dann dachte ich: Nein, du musst präsent bleiben!“ So aufwühlend der Vorfall gewesen sei, sei es beruhigend zu wissen, dass es Menschen gebe, die hinsähen, statt wegzuschauen, die aufstünden, statt zu ignorieren.

Datenbank für Sicherheitsvorfälle Wir oft genau es im Zugverkehr zu Problemen kommt, wird seit 2020 in einer Sicherheitsdatenbank gesammelt, an die alle Eisenbahnverkehrsunternehmen Vorfälle melden. Der jüngste Sicherheitsbericht NRW für das Jahr 2022 verzeichnet nach vielen Maskenverstößen während der Coronazeit nun eine starke Zunahme von Vorfällen gegenüber dem Bahnpersonal. Die Eurobahn schreibt darin für alle ihre Strecken, die meldepflichtigen Vorkommnisse hätten sich gegenüber dem Vorjahr im Jahr 2022 noch einmal um 10 Prozent erhöht, nach einer Erhöhung von 70 Prozent vom Jahr 2020 auf 2021. Auch im ländlichen Raum sei eine Zunahme der Gewaltbereitschaft erkennbar.

Insgesamt gab es im vergangenen Jahr in NRW 7350 in Vorfälle, die es in die Sicherheitsdatenbank geschafft haben. Allein auf der Linie RB72 waren es 86 im Jahr 2023, darunter 16 Bedrohungen, sechs Belästigungen, drei Beleidigungen und 61 Körperverletzungen.

&bdquo;Bei Übergriffen auf Kundenbetreuer oder Triebfahrzeugführer werden die Kollegen nach der Information durch die Leitstelle vom Teamleiter und von der Notfallbetreuung empfangen und direkt zum Durchgangsarzt gebracht“, sagt Eurobahn-Pressesprecherin Nicole Pizzuti. Außerdem werde sichergestellt, dass sie gut nach Hause kämen. Man müsse natürlich immer schauen, was sie im konkreten Fall an Unterstützung brauchten und auch wollten, aber es gebe speziell geschulte Kollegen für solche Fälle. &bdquo;Denn solche Angriffe hinterlassen Spuren.“

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