20 Jahre bis zur Diagnose: Der Leidensweg einer Bad Meinbergerin

Horn-Bad Meinberg. Schon im Alter von fünf Jahren litt Sabine Uhlendorff ständig unter starken Bauchschmerzen und Erbrechen. Bis endlich dafür ein Arzt die Ursache dafür fand - das Peutz-Jeghers-Syndrom - dauerte es mehr als 20 Jahre. Inzwischen engagiert sich die Bad Meinbergerin in einer Selbsthilfegruppe.

Bei Sabine Uhlendorff waren die Bauchschmerzen als Kind so schlimm, dass die Eltern sie oft von der Schule holen mussten. Auch sie hatte schwarze Flecken als typisches Symptom auf den Lippen, die bei ihr aber wieder verschwanden. &bdquo;Wir waren bei vielen Ärzten, aber keiner hat etwas gefunden“, erzählt die Bad Meinbergerin, die mit ihrem Mann in einer ruhigen Wohngegend wohnt.

Erst ein Paderborner Internist untersuchte sie erfolgreich auf das Peutz-Jeghers-Syndrom. &bdquo;Es ist ein Glücksfall, einen Arzt zu erwischen, der diese Erkrankung findet“, erläutert die 58-Jährige. Gerade Frauen würden auch als Simulantinnen angesehen. Das weiß sie auch aus leidvollen Erfahrungen anderer Betroffener.

Polypen wachsen unkontrolliert Bei der chronischen Erkrankung wachsen, bedingt durch genetische Mutationen, ständig Polypen hauptsächlich im Dünndarm, aber auch im Magen und Dickdarm, die immer wieder operativ entfernt werden müssen. Manchmal alle paar Jahre, bei anderen wesentlich öfter. Haben die Polypen eine gewisse Größe erreicht, verursachen sie üble Bauchschmerzen, die kommen und gehen. Werden sie nicht entfernt, kann es zu einem Darmverschluss, also einer lebensbedrohlichen Situation, kommen.

Bei Sabine Uhlendorff folgten ab 1992 viele Untersuchungen und Krankenhausaufenthalte mit drei großen Dünndarmoperationen, um die Polypen zu entfernen. Dies ist heute dank neuer Endoskopie-Methoden nicht mehr so gefährlich, doch auch die regelmäßigen Darmspiegelungen sind eine Belastung. Denn mit steigendem Alter steigt auch das Risiko, Krebs zu bekommen.

Psychische Belastung Die gebürtige Göttingerin hat trotzdem eine kaufmännische Ausbildung absolviert und in ihrem Beruf gearbeitet. Sie kann fast alles essen, ernährt sich aber sehr gesund mit viel Obst und Gemüse und nimmt Kurkuma gegen Entzündungen im Körper. &bdquo;Man versucht alles Mögliche“, sagt sie. Sie führe meist ein normales Leben, aber die psychische Belastung sei groß.

Die 58-Jährige muss sich alle zwei Jahre einer Darmspiegelung und weiteren Untersuchungen unterziehen. Das tut sie in der Bonner Universitätsklinik, wo man auf familiäre Tumorerkrankungen spezialisiert ist. In weiteren deutschen Kliniken gibt es ebenfalls Fachleute. Sabine Uhlendorff hat neben vielen kleinen Polypen auch Zysten an der Bauchspeicheldrüse und Eisenmangel, wie viele andere Betroffene auch.

Krankenkassen zahlen nicht &bdquo;Von der Krankheit ist die ganze Familie stark beeinträchtigt“, berichtet ihr Mann Karsten Uhlendorff. Beide gründeten aus der eigenen Betroffenheit heraus im Jahr 2011 den Verein &bdquo; Peutz-Jeghers-Syndrom Germany e.V.“ mit. Der 59-Jährige ist seit vielen Jahren dessen Vorsitzender. Der Vorstand setzt sich dafür ein, dass Betroffene besser informiert und sobald als möglich sämtliche Untersuchungen bezahlt werden, denn das ist nicht selbstverständlich.

Den teureren Einsatz einer Videokapsel, die man schlucken muss und die genaue Daten liefert, wo sich überall im Darm Polypen befinden, lehnten Krankenkassen oft ab, weiß er. &bdquo;Es geht so weit, dass Patienten die Untersuchung selber bezahlen.“ Allein der Einsatz des medizinischen Gerätes koste etwa 1500 Euro. Manche Kliniken lehnten auch die Abtragung von vielen Polypen ab, weil sie über die Einzelfall-Pauschale zu wenig Geld dafür bekämen.

Christian Breidenbach, Pressesprecher beim Verband der Ersatzkassen NRW, erläutert, dass g esetzliche Krankenkassen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur dann als Leistung übernehmen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) deren Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit positiv bewertet hat. Die Videokapsel-Endoskopie sei derzeit nur für bestimmte, klar definierte Indikationen eine Leistung – beispielsweise bei unklaren Blutungen im Dünndarm.

Für die Vorsorge beim Peutz-Jeghers-Syndrom liege bislang keine generelle Empfehlung des G-BA vor. &bdquo;Deshalb dürfen die Kassen diese Untersuchung in solchen Fällen nicht regelhaft übernehmen, selbst wenn einzelne Ärztinnen und Ärzte von guten Ergebnissen berichten“, erläutert Breidenbach. Versicherte könnten in Einzelfällen dennoch einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Dann werde individuell geprüft, ob die Voraussetzungen einer sogenannten &bdquo;Einzelfallentscheidung“ vorliegen. Sobald für eine Indikation wie das Peutz-Jeghers-Syndrom ausreichend belastbare Daten vorlägen und der G-BA eine positive Entscheidung treffe, könnten die Kosten künftig auch von den Krankenkassen übernommen werden.

Selbsthilfeverein informiert Generell seien Internisten über die Krankheit zu wenig informiert, meint Sabine Uhlendorff, und es erfolgten nicht immer alle notwendigen Untersuchungen. Wenn Familien die Diagnose bekämen, dass ihr Kind betroffen sei, sei die Verzweiflung erst groß. Hilfe gibt es bei der Selbsthilfegruppe, bei der Betroffene auch über ein Forum Fragen stellen können, die sie beantwortet. &bdquo;Das ist mir ein Herzensanliegen, weil ich froh war, eine Selbsthilfegruppe gefunden zu haben mit Menschen, die die gleiche Erkrankung haben“, sagt sie. Betroffene hätten ein anderes Verständnis dafür, wüssten sofort, worum es gehe, und erlebten das Gleiche. &bdquo;Da kann man sich gegenseitig unterstützen.“

Die rund 80 Mitglieder des Vereins wohnen in ganz Deutschland verteilt und treffen sich in Präsenz einmal im Jahr. Die nächste Veranstaltung ist am 13. September in Gelsenkirchen. Dann stehen ein Fachvortrag, die Beantwortung von Fragen einer Professorin und der Austausch untereinander auf dem Programm. Infos unter Email sabine.uhlendorff@peutz-jeghers.eu und auf der Homepage www.peutz-jeghers.eu

Selbsthilfegruppe

Das Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) lässt sich oft durch die charakteristischen Pigmentflecke auf dem Lippenrot erkennen. Diese Flecke würden von uninformierten Ärzten leider oft als bedeutungslos eingestuft, erklärt der Verein &bdquo; Peutz-Jeghers-Syndrom Germany e.V.“ . Die meisten Fälle werden durch Mutationen in den Genen verursacht, die Polypen im Darm immer wieder wachsen lassen. Werden größere Polypen im Dünndarm diagnostiziert, können diese endoskopisch mit dem Doppelballon- oder Singleballon-Endoskop abgetragen werden. Die Behandlung konzentriert sich auf die Früherkennung und Behandlung der Polypen und auf das regelmäßige Screening auf Krebs.

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