
Horn-Bad Meinberg (tog). Ohne Partei zu ergreifen und ehrenamtlich versuchen Schiedsmänner und -frauen in Streitfragen einen Ausgleich zwischen den Parteien zu schaffen. Die hier getroffenen Entscheidungen sind amtlich.
Seit gut vier Jahren ist Silvia Geise in der Stadt Horn-Bad Meinberg als Schiedsfrau in ihrem Amt tätig. Über ihre Aufgabe, warum sie dieses Amt freiwillig ausübt und für wen ihre Tür offensteht, erzählt sie im Gespräch.
Was hat Sie zu Beginn dazu bewegt, sich freiwillig in den Zwist anderer einzumischen?
Entscheidungen in einer Streitfrage, die durch das Schiedsamt geklärt werden, sind für beide Parteien verbindlich und rechtswirksam. Sowohl bei Zivil- als auch bei anderen Strafsachen haben hier entwickelte Lösungen eine über 30 Jahre verbindliche, vollstreckbare Gültigkeit. Die Ämter sollen insbesondere bei kleineren Streitfragen Entlastung für die Gerichte schaffen. Dabei wird von den Schiedsleuten stets eine für beide Parteien
ausgleichende Lösung angestrebt, aus objektiver Beobachtersicht.
Silvia Geise: Ein Streit an sich ist in meinen Augen nichts Schlechtes. Ich glaube, die Auseinandersetzung mit anderen ist ein wichtiger Teil dessen, was unsere Gesellschaft ausmacht. Solange dies nach vernünftigen Spielregeln erfolgt und sachlich bleibt, kann ich sagen, ich streite mich durchaus sehr gerne mal. Mir ist es aber wichtig zu betonen, dass ich mich nicht in den Konflikt einmische. Wenn zwei Parteien zu mir kommen, bin ich keine Richterin, die abstraft. Ich beziehe keine Position, sondern verstehe mich eher als eine Art Moderatorin und Vermittlerin.
Die Menschen kommen zu Ihnen nach Hause?
Geise: Als ich zu Beginn von der Stadt mit dieser Arbeit beauftragt wurde, stand ich vor der Überlegung, mein Büro entweder in einem Raum bei der Verwaltung oder hier zu Hause einzurichten. Ich habe mich dann für das heimische Wohnzimmer entschieden. Darin sehe ich einen großen Vorteil für die Arbeit mit zwei Streitparteien. Das Ambiente und die Atmosphäre sind irgendwie gelöster, es wirkt insgesamt nicht so formell wie eine klassische Amtsstube, was für einen gesunden und zielorientierten Dialog sehr gut funktioniert.
Sind das Schiedsamt und die dort getroffenen Entscheidungen denn überhaupt bindend?
Geise: Ja. Die von den beiden Parteien getroffenen Vereinbarungen sind absolut rechtswirksam und haben 30 Jahre gesetzliche Gültigkeit. Im Interesse eines fairen Ausgleichs ist es mir hierbei wichtig, Lösungen zu finden, mit denen der Streit für beide Seiten zufriedenstellend beigelegt werden kann. Ich spreche keine Richtersprüche, ich fälle keine Urteile.
Müssen die Menschen zu Ihnen kommen? Gibt es nicht viele, die ihren Kontrahenten lieber vor Gericht bringen wollen?
Geise: Doch, diese Menschen gibt es auch. In vielen Fällen haben sie jedoch keine andere Wahl, weil das Schiedsamt den Gerichten vorgelagert ist und sie hierher kommen müssen. Den Skeptikern versuche ich dann zumeist deutlich zu machen, dass dieses Schiedsamt große Vorteile mit sich bringt. In der Regel haben sie deutlich schneller eine wirksame Lösung als bei einem Gerichtsverfahren und diese auch noch mit einem erheblich geringeren Kostenaufwand. Wenn Sie mal einen Rechtsanwalt bezahlen mussten, wissen Sie, wovon ich rede. Das Verfahren hier kostet normalerweise lediglich den Verwaltungsaufwand - in der Regel unter 50 Euro.
Was sind es denn für Fälle, die hier bei Ihnen auf dem Tisch landen?
Geise:Vielfach ist es der klassische Nachbarschaftsstreit, bei dem es dann um kleinere Streitpunkte geht, die oftmals schon dadurch aus der Welt zu bringen sind, dass die Menschen hier an meinem Tisch ausgiebig über die Sache sprechen. Ich habe es schon öfters beobachtet, dass die Menschen sich hier erstmals überhaupt damit ernstlich auseinandersetzen, weil sie vorher einfach nicht miteinander reden wollten und sich lieber anschwiegen. Es kommt allerdings auch vor, dass hier komplexere Themen verhandelt werden oder sogar kleinere Straftaten wie etwa Beleidigungen oder leichtere Körperverletzungsdelikte.
Hatten Sie für das Schiedsamt eine spezielle Ausbildung?
Geise: Ja, die hatte ich. Ich bin keine Juristin, schließlich ist es auch nicht meine Aufgabe, Gerichte zu ersetzen, aber ein gewisses Grundlagenniveau ist unabdingbar. Es gibt für diejenigen, die im Schiedsamt arbeiten, verschiedene Seminare und Kurse, bei denen unter anderem das notwendige juristische und sachliche Rüstzeug vermittelt wird. Zahlreiche Gesetzesbücher helfen mir dabei. Meine eigene Handlungsgrundlage ist aber auch der gesunde Menschenverstand und der objektive Blick als Außenstehende.
Das Interview führte LZ-Mitarbeiter Torben Gocke.