Rückendeckung oder Demontage? Darum steht der Klinik-Aufsichtsrat im Fokus

Kreis Lippe. Wurde Dr. Niklas Cruse gestärkt? Oder geschwächt? Nach der Sitzung des Aufsichtsrats des Klinikums Lippe am Donnerstag, in der über die Zukunft des Interims-Geschäftsführers zumindest vorentschieden werden sollte ( die LZ berichtete ), bleiben Fragen offen. Vor allem diese: Was ist dran an den möglichen Vorwürfen, die der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Axel Lehmann in einer Pressemitteilung andeutete?

Lehmann hatte sich unter anderem schriftlich so geäußert: &bdquo;Konkret geht es darum, dass Aufträge an Unternehmen gegangen sind, die sich unter dem Dach der Vivecti-Gruppe versammeln.“ Zu dieser Gruppe gehöre allerdings auch die Hospital Management Group, die mit Dr. Cruse derzeit den Geschäftsführer stelle. Der ausscheidende Landrat wörtlich: &bdquo;Neben den bereits vergebenen Aufträgen gibt es außerdem Hinweise darauf, dass möglicherweise noch ein Auftrag von erheblichem Volumen an ein Unternehmen der Vivecti-Gruppe vergeben werden könnte und dabei Wettbewerbsregeln verletzt werden könnten. Diese Hinweise liegen inzwischen auch der Staatsanwaltschaft vor.“

Noch keine Ermittlungen Staatsanwalt Alexander Görlitz, Pressesprecher der Behörde in Detmold, bestätigte der Lippischen Landes-Zeitung gestern auf Nachfrage, dass einige Unterlagen eingereicht worden seien - mit der Bitte, diese auf &bdquo;strafrechtliche Relevanz“ zu prüfen. Ob es in der Sache tatsächlich zu Ermittlungen komme, stehe noch nicht fest.

Auslöser könnte ein Brief eines Anwalts gewesen sein, der das Klinikum schon seit vielen Jahren in Ausschreibungsfragen betreut. In diesem Brief, der der LZ vorliegt, weist der Mann darauf hin, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen die Vergabeordnung, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie weitere relevante Gesetze und Vorschriften zu befürchten sei. Er schreibt von möglichen Schadensersatzforderungen und &bdquo;einem nicht unerheblichem Reputationsschaden“, die drohen könnten. Und: Der Anwalt stellt sein Mandat zur Ausschreibung einer Einkaufsgemeinschaft ein.

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Eine Reaktion auf sein Schreiben gibt es mittlerweile auch. Nach Informationen unserer Zeitung haben sowohl der Interims-Geschäftsführer als auch die Firma, die Dr. Cruse stellt, Rechtsgutachten von Experten eingeholt. So schreibt einer der beauftragten Juristen: &bdquo;Auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhalts scheidet eine Strafbarkeit unter allen denkbaren Gesichtspunkten aus.“ Alle drei Schreiben sind nach Informationen unserer Zeitung den Aufsichtsratsmitgliedern vor Beginn der Sitzung zugegangen.

Dr. Cruse dankt für Rückendeckung Was sagt Dr. Niklas Cruse, der bei der Beschlussfassung nicht anwesend war, zum Wirbel um seine Person? &bdquo;Ich möchte mich in erster Linie beim Aufsichtsrat bedanken, dass er mir den Rücken gestärkt hat“, äußerte er sich auf LZ-Anfrage. Froh sei er auch darüber, dass das Gremium seinen eigenen Vorschlag angenommen habe, künftig bei allen Entscheidungen, die die Unternehmensgruppe Vivecti betreffen könnten, eingebunden zu werden. &bdquo;Ich freue mich, dass alle an der schnellen Aufklärung der haltlosen Unterstellungen mitarbeiten wollen“, so Cruse weiter.

Unterdessen stößt die Tonalität der Pressemitteilung, die Landrat Dr. Lehmann nach der Sitzung veröffentlichte, bei Carsten Möller, Aufsichtsratsmitglied für die FDP, auf Widerspruch. &bdquo;Bei den Vorwürfen über vermeintliche Vergabe- und Compliance-Verstöße, für die es bisher keine konkreten Nachweise gibt, sondern die ausschließlich auf Vermutungen beruhen, gilt die Unschuldsvermutung. Bevor über die strafrechtliche Relevanz in Pressemitteilungen spekuliert wird, sollte man sich in Ruhe die Sachlage anschauen“, schreibt er.

Möller (FDP): &bdquo;Keine Vorverurteilung“ Außerdem weist Möller auf &bdquo;eine weitere Gefahr“ hin: Der Umgang mit Geschäftsführern des Klinikums Lippe in den letzten Jahren, der vor allem durch Pressemitteilungen und Zeitungsbeiträge negativ aufgefallen sei, werde im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Klinikum Lippe kein attraktiver Standort mehr für die besten Manager im gesundheitsökonomischen Bereich sei. &bdquo;Untersuchung ja, Vorverurteilung nein“, heißt es weiter.

Auch das Aktionsbündnis Klinikum Lippe äußerte sich gestern. Es begrüßt die Entscheidung des Aufsichtsrats, Dr. Cruse nicht abzulösen. Es gebe viele Signale für einen Stimmungswechsel. Sprecher Walter Brinkmann ergänzt: &bdquo;Wir müssen anerkennen, dass die Wiederherstellung des verloren gegangenen Vertrauens großer Teile der lippischen Bevölkerung in die medizinische und pflegerische Qualität des Klinikums durch eine dramatische Personaleinsparungspolitik seines Vorgängers nicht von heute auf morgen wieder herstellbar ist.“ Diese Negativentwicklung habe der noch amtierende Aufsichtsrat nach Auffassung des Bündnisses nicht ausreichend wahrgenommen und entsprechend zu wenig verantwortungsbewusst darauf reagiert, so Brinkmann weiter.

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