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Südlippe

Seit 40 Jahren gibt es die Volkshochschule Lippe-Ost

Südlippe. Im Jahr 2017 gibt es in der Volkshochschule (VHS) Lippe-Ost guten Grund zum Feiern: Johannes Reineke leitet diese Institution seit 35 Jahren, seit 25 Jahren ist Andrea Lemm als seine Stellvertreterin tätig, und nicht zuletzt besteht die VHS Lippe-Ost selbst seit nunmehr 40 Jahren.

Das Team und die Dozenten schauen auf nach eigener Aussage sehr erfolgreiche Jahre zurück und auch die Zukunftsaussichten für 2017 seien vielversprechend. Doch angesichts des Arbeitspensums und einiger Umbau- und Umzugspläne tritt der offizielle Akt der Feier eher in den Hintergrund.

Die beiden Hauptamtlichen sowie eine Teilzeitkraft jonglierten 2016 erfolgreich mit 180 Referenten, rund 6.000 Teilnehmern und 10.800 Stunden in Sprach- und Weiterbildungskursen, Bildungsurlauben und Einzelveranstaltungen. Damit erreichten sie eine neue Bestmarke. Für 2017 sind ähnliche Zahlen zu erwarten.

Mehr als 1.000 Referenten teilten ihr Wissen seit der Gründung am 1. April 1977, einige von ihnen kommen bis heute dem Bildungsauftrag nach. „Die „Bahnhofstraße 35" in Blomberg, in der wir 1977 starteten, wurde bei den Menschen hier ein Synonym für die VHS Lippe-Ost", erinnert Andrea Lemm an die Anfangszeit. „Das hatte sich in den Köpfen so festgesetzt, dass nach dem Abriss ein Teilnehmer fassungslos vor der Baulücke stand, der nicht glauben konnte, dass wir dort nicht mehr waren", erzählt Lemm: „Hier wurden Schulabschlüsse nachgeholt, wir haben ein Telekolleg eingerichtet und natürlich fand hier bis zum Ende im Jahr 2012 das Fachseminar für Altenpflege statt."

Reineke ergänzt: „Wir haben immer geschaut, was es braucht, um Menschen ins Arbeitsleben einzugliedern und uns darauf eingestellt. Neben der Kooperation mit hiesigen Bauhöfen haben wir selbst Handwerker und Sozialarbeiter angestellt, um in den Bereichen Garten- und Landschaftspflege, Forstwirtschaft, Bau und Renovierung zu qualifizieren", erzählt der VHS-Leiter. „Erst schafften wir Mannschafts-Bullis an, dann kamen Werkzeuge und sogar ein eigener Traktor dazu. Schließlich hatten wir einen eigenen kleinen Bauhof in Bösingfeld. Doch leider wurden die Gelder dafür eingestellt."

Besonders in der jüngeren Vergangenheit hat sich die VHS Lippe-Ost bei Angeboten für Flüchtlinge in der Region so etwas wie eine Monopol-Stellung erarbeitet. Die jahrelangen positiven Vorerfahrungen bei der Integration und Qualifikation von Spätaussiedlern, Jugoslawen, Albanern und beispielsweise den „Boat-People" (Flüchtlinge aus Vietnam) in Barntrup, erleichterte die Wiederzulassung als Integrationsträger, die ab Mai 2016 vorlag.

„Schwieriger war es", erinnert sich Lemm, „die Zulassung der Teilnehmer zu erwirken. Sie waren oft selbst gar nicht in der Lage, die Anträge beim Bundesamt für Migration zu stellen und brauchten auch hierbei unsere praktische Hilfe. Nicht selten tauchten die ungeöffneten Briefumschläge mit den Unterlagen in Schubladen oder Plastiktüten auf, einfach, weil sie nicht lesen und schreiben konnten."

„Unser Vorteil ist, dass wir durch die enge Zusammenarbeit mit den Schulen in den Kommunen Räumlichkeiten vor Ort anbieten können und durch kurze Wege Qualifizierung überhaupt ermöglichen können", erklärt Reineke. „Die Integration von Frauen kann nur funktionieren, wenn wir mit Partnern die Betreuung derer Kinder sicherstellen." Das könne die VHS selbst aber nicht leisten. „Aber dafür haben wir meist – manchmal unkonventionelle, individuelle – Lösungen gefunden. Da passt dann auch schon mal ein Dozent auf ein Kind auf, damit die Mutter am Kursus teilnehmen kann", sagt Reineke.

Mit Sprachkursen gegen den Analphabetismus

Lesen und Schreiben sind Grundvoraussetzungen, um im Beruf erfolgreich zu sein oder den Alltag bestreiten zu können. Doch viele Menschen haben damit Probleme – auch im lippischen Südosten. Andrea Lemm, die stellvertretende Leiterin der Volkshochschule (VHS) Lippe-Ost, kam bei einer Hochrechnung auf etwa 22.000 Menschen im Einzugsgebiet der VHS Lippe-Ost, die Schwierigkeiten haben, kürzere Texte wie zum Beispiel Arbeitsanweisungen zu erfassen und diese zu verstehen.

Diese Problematik wird Funktionaler Analphabetismus genannt. Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahre 2012, sind in Deutschland immerhin 14,5 Prozent (7,5 Millionen) der erwachsenen Bevölkerung davon betroffen. Hinzu kämen noch einmal 25,9 Prozent (13,3 Millionen) Erwachsene mit massiven schriftsprachlichen Einschränkungen. Demzufolge erreichten etwa 40 Prozent der Bevölkerung nicht einmal Grundschulniveau.

Für die Mehrheit der Betroffenen (58 Prozent) sei Deutsch die Muttersprache. Rechne man Zugewanderte ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache hinzu, müssten diese Zahlen noch deutlich nach oben korrigiert werden. „Manche von ihnen stehen unbemerkt im Berufsleben, sind sozial gut integriert, suchen sich ‚Helfer‘, damit ihre Defizite nicht öffentlich werden. Andere wiederum können selbst an elementaren gesellschaftlichen Prozessen nicht angemessen teilhaben", erklärt Lemm.

Mehr als die Hälfte aller angebotenen Kurse der VHS Lippe-Ost liegen nicht zuletzt deshalb im Bereich Sprache. Die Bildungsreinrichtung bietet diesen Menschen und Unternehmen Unterstützung durch berufsorientierte Grundbildung, denn auch die Firmen profitierten von Mitarbeitern mit guten Sprachkenntnissen – menschlich und ökonomisch.

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