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Kreis Lippe

Sprecher türkischer Institutionen in Lippe bewerten Erdogan-Rede

Katrin Kantelberg, Jost Wolf, Jens Rademacher

Kreis Lippe. Hamza Turan lebt seit 46 Jahren in Deutschland. „Aber so eine Situation, in der AKP-Politiker derartige Dinge über Deutschland sagen, habe ich noch nicht erlebt", sagt der Lemgoer. Es gebe sicherlich Fehler auf beiden Seiten. „Aber man muss Maß halten", betont der AWO-Mitarbeiter.

Wenn sich das deutsch-türkische Verhältnis weiter verschlechtert, wenn die Situation weiter eskaliert, „dann verliert auch die Türkei", glaubt Hamza Turan, der im AWO-Stadtteiltreff Biesterberg in Lemgo Migranten berät. Zumal die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland eng seien, auch auf wirtschaftlichem und touristischem Gebiet. „Das darf man nicht kaputt machen."

Was die Diskussion über die jüngsten Auftritte von türkischen Politikern in Deutschland angeht, verweist SPD-Mitglied Turan auf die Lage am Bosporus: „Da sitzen 180 Journalisten im Gefängnis." Insofern „sollten die AKP-Politiker mal in den Spiegel gucken", sagt er zur Diskussion über Meinungsfreiheit. Und auch hierzulande hätten viele Türken Angst, öffentlich ihre Meinung zu sagen.

Diese Situation führe zur Spaltung auch in Deutschland: Unter den Türkischstämmigen gebe es heftige Diskussionen pro und contra AKP. Überdies sei es „inzwischen schwierig geworden, hier Türken, Kurden, Sunniten und Aleviten unter einen Hut zu bekommen".

Die deutsch-türkischen Turbulenzen beschäftigten auch die gut 100 Mitglieder der Vahdet Moschee in Bad Salzuflen. Wenngleich, wie der stellvertretende Vorsitzende Ramazan Aygör betont, sich die Gemeinde selbst weniger mit politischen denn mit religiösen Themen beschäftigt. Dennoch befürchtet er, dass die politischen Diskrepanzen innerhalb Deutschlands einen Keil zwischen Deutsche und Deutsch-Türken treiben.

„Da bauen sich Fronten auf", ist der 42-Jährige überzeugt, der in Deutschland geboren wurde. Er wünscht sich mehr Feingefühl von den deutschen Politikern. „Deutsche Politiker greifen über die Medien auch in den türkischen Wahlkampf ein, warum sollten dann die türkischen Politiker nicht nach Deutschland kommen?" Zumal seiner Überzeugung nach die Großveranstaltungen am Ausgang des türkischen Referendums nichts ändern werden.

Die Situation sei „der traurige Höhepunkt einer Verkettung von gegenseitiger Respektlosigkeit", urteilt Nihat Köse vom Islamischen Kulturzentrum Detmold. „Wir müssen den Weg der Deeskalation einschlagen. Eine Verschlimmerung der Situation ist schädlich für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland und auch in Detmold."

Deutschland sei kein rassistisches Land, die Türkei keine Bananenrepublik. „Diese Art der Vorwürfe treffen uns schwer", sagt Köse. Er denke da zum Beispiel an die vielen ehrenamtlichen Helfer im Flüchtlingsbereich: Deutsche und Türken, Christen und Moslems arbeiteten gemeinsam Hand in Hand für Menschen in Not. „Wenn diese Menschen mit solchen Worten von Präsident Erdogan konfrontiert werden, trifft sie das. Sie haben das nicht verdient, aber auch Deutschland hat das nicht verdient."

Aber auf der anderen Seite sei auch die türkische Seele stark gekränkt, erklärt Nihat Köse. „Nach dem Putsch haben wir viele Beleidigungen ertragen müssen." Türken seien weder undemokratisch, noch befürworteten sie eine Diktatur. „Aber unsere Kinder werden zum Teil vor der ganzen Schulklasse mit anschuldigenden Fragen zu Erdogan und der Türkei konfrontiert", berichtet Köse.

Dabei gebe es doch einen Unterschied zwischen dem, was Politiker sagten, und was sie meinten. Köse: „Ich plädiere dafür, die türkische Innenpolitik nicht nach Deutschland zu transportieren. Sie darf nicht bestimmen, wie wir uns in der Gesellschaft begegnen. Es kann aber auch nicht sein, dass es deutsche Politiker gibt, die sich als Sprachrohr der PKK verstehen." Er wünsche sich, dass jeder in seiner Kommunikation Vorsicht und Respekt walten lasse, sagt Nihat Köse.

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