Kreis Lippe/Brüssel. Brüssel hat mehr zu bieten als das Manneken Pis, Sakralbauten und feine belgische Schokolade. In Brüssel kommt Europa zusammen, um Politik zu machen. Auf Einladung der Europäischen Kommission und des Verbands deutscher Lokalzeitungen durften drei LZ-Volontärinnen hinter die Kulissen blicken. Der Brexit, Rechtspopulisten, die gegen Europa wettern, Eurokrise – Baustellen gibt es genug für die EU, ebenso Gründe, um an ihrem Image zu arbeiten. Und vor allem zu beschreiben, wie sie funktioniert. Für die Politiker und EU-Mitarbeiter bietet der Besuch der Volontäre aus ganz Deutschland daher eine willkommene Möglichkeit, ihre tägliche Arbeit aufzuschlüsseln. Dafür hat sich sogar einer der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Zeit genommen. „Drei Menschen aus Detmold stehen hier auf meiner Liste – so viele habe ich ja noch nie auf einmal gesehen", sagt Alexander Graf Lambsdorff schmunzelnd. Und das obwohl er erst kürzlich in Bad Salzuflen zu Besuch gewesen ist. Demnächst verlässt er Brüssel – und geht für die FDP nach Berlin. Dort werde er mehr gebraucht, sagt er. Denn Europapolitik wird nicht nur in den heiligen Brüsseler Hallen gemacht. Sie muss an der Basis geschehen – in den jeweiligen Ländern, Städten und Gemeinden. Was uns nicht nur im Gespräch mit Graf Lambsdorff überrascht: Er und seine Kollegen begegnen uns vom ersten Moment an auf Augenhöhe – und plaudern auch schon mal ganz offen und unverblümt aus dem Nähkästchen. Ein Satz, den wir immer wieder hören: „Normalerweise dürfen hier keine Besucher hin." Hinter zahlreichen Sicherheitskontrollen arbeitet der EU-Apparat. Hier verschmelzen Sprachen zwischen den Dolmetscherkabinen, im Foyer stehen Kamerateams Schlange, Abgeordnete hetzen von Termin zu Termin, Journalisten lagern vor Sitzungssälen. Zumindest, wenn es sich in ihren Augen thematisch lohnt. Den Überblick zu behalten, ist auch für „alte Hasen" nicht immer ganz einfach. Ein Termin jagt den nächsten, nur einen Tag später sitzen wir zwischen Journalisten aus aller Welt auf der Pressetribüne des Plenarsaales im Parlament. Kommissionspräsident Jean-Claude Junker stellt sein Weißbuch zur Zukunft der EU vor. Darin beschreibt er fünf Szenarien, wie es trotz Rückschlägen wie Brexit & Co. für die EU in Zukunft weitergehen könnte. Vorschläge, über die es nun zu diskutieren gilt. Denn in der EU entscheidet niemand allein. Die EU ist auch in Lippe präsent Genau 60 Jahre ist es her, dass die Römischen Verträge von den Vertretern der sechs Gründungsstaaten der EU unterschrieben worden sind. Damit wurde der Ausgangspunkt für Zusammenarbeit in Europa geschaffen. Offene Grenzen und ein freier Handel sind unter anderem die Resultate aus dieser Zusammenarbeit. Viel Geld fließt nach Brüssel. Aber durch die EU gehen auch Fördermittel an die Mitgliedsstaaten. Die Themen der Struktur- und Investitionsfonds sind etwa Landwirtschaft, Soziales und regionale Entwicklung. Die Kommunen in Lippe profitieren von diesen Fördertöpfen. So wurden im vergangenen Jahr die Detmolder Europawochen von der EU mitfinanziert. Blickt man in den lippischen Norden, wird die Unterstützung der EU noch deutlicher: Im Rahmen des Leader-Projekts wird die Region bereits zum zweiten Mal in Folge mit Geldern aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes gefördert – 460.000 Euro fließen dort hin. Ging es zwischen 2007 und 2014 um Themen wie die Wanderweg-Infrastruktur, stehen in der aktuellen Förderperiode bis 2020 der Ausbau von E-Mobilität oder die Entwicklungschancen im Bereich Klimaschutz im Fokus. Auch Leopoldshöhe, Lage und Lemgo profitieren von Leader-Projekten. Bislang hat der Kreis Lippe das Europa-Büro in Brüssel im Auftrag des NRW-Landkreistages besetzt. Das will der lippische Kreistag nun aufgeben. Der Grund: Der Kreis hätte die Kosten in Höhe von 150.000 Euro ab diesem Jahr komplett allein tragen müssen, da der Zuschuss in Höhe von 15.000 Euro vom Landkreistag weggefallen wäre, wie Landrat Dr. Axel Lehmann erläuterte. Dieser Schritt stößt jedoch auch auf kritische Stimmen. Der ostwestfälisch-lippische EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) etwa hält den Rückzug des Kreises aus Brüssel für falsch.