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Strafe für Handynutzung am Steuer wird erhöht

Astrid Sewing

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Wer parkt, darf auf sein Smartphone schauen und auch schreiben. - © Vera Gerstendorf-Welle
Wer parkt, darf auf sein Smartphone schauen und auch schreiben. (© Vera Gerstendorf-Welle)

Kreis Lippe. Schnell mal auf dem Smartphone schauen, wo man abbiegen muss oder fix bei WhatsApp geantwortet – beides kostet künftig 100 Euro und erhöht das Punktekonto in Flensburg, wenn die Polizei einen genau in dem Moment erwischt. Im Kreis Lippe passiert das nicht so selten, um die 2500 Verstöße werden pro Jahr geahndet.

„Die Dunkelziffer ist weit höher. Wenn man abschrecken will, dann ist es richtig, das Bußgeld raufzusetzen", sagt Thomas Bartelt, Leiter des Verkehrsdienstes der Polizei Lippe. Seit dem 19. Oktober gelten in Deutschland neue Verkehrsregeln. Leichtsinniges Hantieren mit Smartphones am Steuer kommt Autofahrer teurer zu stehen. Für Verstöße werden 100 Euro statt 60 Euro fällig, weiterhin verbunden mit einem Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei. Kommt jemand zu Schaden, drohen 200 Euro, zwei Punkte sowie ein Monat Fahrverbot.

„Nicht das Telefonieren ist die größte Gefahr, sondern das Tickern, also das Schreiben. Wir gehen davon aus, dass ein guter Teil der Unfälle aus dem Grund passieren", sagt Bartelt. Genauere Zahlen gebe es dazu nicht, denn zur Handyauswertung komme es nur dann, wenn die Unfälle besonders schwer sind, es Tote oder Schwerverletzte gab.

Das Verbot, das bisher nur Mobil- und Autotelefone nennt, wird deshalb auf alle Kommunikationsgeräte wie Tablets und Laptops erweitert. Der Gesetzgeber schränkt – wie bisher schon bei Mobiltelefonen – jetzt auch die Nutzung anderer elektronischer Geräte ein: Tablet oder Navi dürfen während der Fahrt nicht mehr in der Hand gehalten werden. Egal, ob fest installiert oder auf dem Beifahrersitz liegend: Mehr als ein kurzer Blick auf das Gerät ist zur Bedienung nicht erlaubt. Wie beim Handy drohen Bußgelder von 100 Euro aufwärts, Punkte und Fahrverbote.

„Wir hören oft die Ausrede, dass man nur mal eben nachschauen wollte, weil es um die Familie geht, der Arbeitgeber etwas mitteilen wollte – und so weiter. Aber wer wirklich dringend eine Nachricht lesen oder beantworten muss, der kann rechts ranfahren", stellt der Polizist fest. Das sei innerhalb geschlossener Ortschaften überall da gestattet, wo auch geparkt werden dürfte. „Das haben die meisten überhaupt nicht auf dem Schirm", sagt Bartelt.

Die Polizei im Kreis Lippe habe das Thema „Handy und Tablet am Steuer" deshalb zum Schwerpunktthema gemacht. Allerdings sei es mit Rumfahren nicht getan. „Wenn die Kollegen sehen, dass einer runter schaut, werden die Telefone fix ausgeschaltet und in den Fußraum geworfen. Wir können nicht ohne weiteres prüfen, was gemacht wurde. Dazu muss der Autofahrer einwilligen oder wir müssten einen Beschluss des Staatsanwaltes haben."

Die Polizei plane deshalb Schwerpunktkontrollen. „Ein Beamter steht in Zivil an einer Bushaltstelle und beobachtet den Verkehr. Per Funk gibt er an eine Kontrollstelle durch, wer sich auffällig verhält. Da gehen uns die meisten ins Netz."

Keine Sonderregelung für die Start-Stopp-Automatik

Erlaubt ist die Benutzung von Geräten, die fest eingebaut in einer Haltung stecken oder per Sprachsteuerung bedient werden. Die elektronische Einparkhilfe oder den Rangierassistenten darf man weiterhin nutzen – allerdings nur bei Schrittgeschwindigkeit. In diesen Fällen darf auch länger ein Bildschirm oder Head-up-Display beobachtet werden.

Der Griff zum Mobiltelefon ist aber in Zukunft nur noch gestattet, wenn der Motor richtig aus ist. Das Abschalten durch die Start-Stopp-Automatik im Stau oder vor einer roten Ampel genügt nicht. Hier hatten zuletzt einige Gerichte das Telefonieren gestattet. Der Leiter des Verkehrsdienstes in Lippe, Thomas Bartelt, sieht das Verbot kritisch. „Wenn das Auto vor einer roten Ampel steht und ein Polizist sieht, dass jemand runter schaut, dann wird es vor Gericht sehr schwer zu beweisen, was er da gemacht hat."

Kommentar: "Ampelzeit" ist ungefährlich

von Astrid Sewing

Denken Sie auch oft, dass Sie schon reich wären, wenn Sie von jedem, der am Steuer sitzt und telefoniert, nur 10 Cent bekämen? Mir geht das oft so und ich finde es gut, dass das künftig 100 Euro kostet und einen Punkt einbringt. Es lenkt jeden ab, wenn er auf das Smartphone schaut oder tippt. Bisher waren „zu schnelles Fahren" oder „Alkohol am Steuer" die Hauptunfallursachen. Heute ist laut Studie des Automobilclubs „Mobil in Deutschland" das Smartphone am Steuer Unfallursache Nr. 1 in Deutschland, wenn es um Tote und Schwerverletzte geht.

Allerdings finde ich es wenig logisch, dass ich an einer roten Ampel nicht auf das Telefon schauen darf. Ich könnte in meiner Tasche kramen, mich schminken, einen Blick in eine Zeitschrift werfen – wer will mir das verbieten? Und vor allem: Wer will mir das nachweisen?

Hier hat der Gesetzgeber vielleicht nicht bedacht, dass es zu diversen Verfahren kommen könnte, in denen sich Autofahrer gegen die Bußgelder wehren. Wenn es dann zur Verhandlung kommt, dürfte das meiste eingestellt werden, weil – und das sagt die Polizei selbst – es schwer zu beweisen ist, dass ein Smartphone oder Tablet im Spiel war.

Das hat auch nichts mit Unfallprävention zu tun, sondern ist schlicht eine Verschwendung von Steuergeldern. Denn wenn die Verfahren eingestellt werden, zahlt das Land, ergo jeder Bürger.

Fragen zur Gesetzänderung

Wo ist das Problem?

Dass Handys beim Fahren schon seit Jahren nicht in der Hand gehalten werden dürfen, wird offenkundig nicht richtig ernst genommen. «Der telefonierende Kraftfahrzeugführer mit dem Handy am Ohr und der Kurznachrichten eintippende Fahrer mit dem Mobiltelefon in der Hand gehören bedauerlicherweise zum täglichen Verkehrsgeschehen», lautet die ernüchterte Bilanz des Bundesverkehrsministeriums.

Die Verstöße passierten immer vorsätzlich, und vielen komme das nicht mal falsch vor. Dabei bedeutet ein Sekundenblick aufs Smartphone bei Tempo 50 schon 14 Meter Blindflug, wie der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) warnt. Für neue Regeln sei es daher höchste Zeit.

Was soll geändert werden?

«Ablenkung ist eines der größten Unfallrisiken, das vermeidbar ist», sagt auch Minister Alexander Dobrindt (CSU). Das Verbot, das bisher nur Mobil- und Autotelefone nennt, soll daher erweitert werden. Erfasst werden nun alle Geräte zur «Kommunikation, Information oder Organisation», heißt es in einer Verordnung, der am Freitag der Bundesrat zustimmen soll - also auch Tablets, Laptops und sonstige Kleincomputer. Erlaubt bleibt, Anrufe per Taste oder Wischen übers Display anzunehmen, solange man das Gerät nicht hochnimmt. Weiter zulässig sind auch Sprachsteuerungen und ein «kurzer» Blick aufs Gerät. Dabei gibt der DVR aber zu bedenken, dass Autofahrer ja ganz individuelle Interpretationen für den Begriff «kurz» hätten.

Wie sehen die Sanktionen aus?

Dobrindt lässt keinen Zweifel daran, dass das Verbot auch schärfere Zähne bekommen soll. Oder, wie es seine Beamten formulierten: «Die Rechtstreue der Bevölkerung muss durch eine Heraufsetzung der Bewehrung gestärkt werden.» Statt bisher 60 Euro sollen 100 Euro Buße fällig werden, weiterhin verbunden mit einem Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei. Im schlimmsten Fall mit Sachbeschädigung drohen künftig bis zu 200 Euro plus zwei Punkte plus ein Monat Fahrverbot. Das soll ein Denkzettel sein und Hemmungen erhöhen. Auch für Radler mit Handy in der Hand wird es teurer: 55 Euro statt bisher 25 Euro.

Welche Detailvorschriften gelten künftig noch?

Zum Handy greifen darf man weiterhin, wenn das Fahrzeug steht und der Motor aus ist - auch wenn sich im Stau nichts mehr bewegt. Nicht gilt dies aber, wenn sich der Motor an einer Ampel nur kurz selbst ab- und anschaltet. Länger auf einen kleinen Kamera-Monitor schauen dürfen Fahrer auch, wenn sie mit dieser Hilfe zum Beispiel in Schritttempo einparken. Eigens vermerkt ist, dass Fahrer von Linienbussen auch mit laufendem Motor auf Bordcomputer blicken dürfen, um an Haltestellen Tickets zu verkaufen. Videobrillen am Steuer sind generell tabu.

Wie geht es weiter?

Was härtere Sanktionen bewirken, muss sich zeigen. «Eine stärkere Prävention auch mit höheren Geldbußen ist für mehr Verkehrssicherheit richtig», argumentiert der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. «Wichtig sind aber auch mehr Kontrollen.» Auf frischer Tat ertappt oder eindeutig per Blitzer-Foto überführt werden längst nicht alle Smartphone-Sünder.

Zur Beweisführung nach Unfällen müssen Handys aufwendig untersucht werden. Gerade gesetzlich geregelt wurde, dass Fahrer E-Mails lesen können, wenn Autos computergesteuert fahren - der Mensch am Steuer muss aber jederzeit eingreifen können. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag richtet den Blick auch schon auf ein verwandtes Problem: die Ablenkung von Fußgängern durch Elektrogeräte.

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