Verstümmelte Leiche wird 1987 in einem Detmolder Kleiderschrank gefunden

Detmold. Ein penetranter Geruch aus einem vermieteten und verschlossenen Zwei-Zimmer-Appartement ihres Hauses in Detmold macht die Eigentümerin stutzig. Die ältere Dame verständigt die Polizei. Die Beamten öffnen die Tür und machen an jenem 29. August 1987 einen scheußlichen Fund. "Im Kleiderschrank fanden sie, durch Steppdecken und Wolldecken getarnt, die unbekleidete, nur in ein Betttuch gehüllte Leiche eines unbekannten und auch unkenntlichen Mannes", berichtet die LZ am 31. August 1987.

Erste Vermutungen, dass es sich bei dem Toten um den Wohnungsinhaber oder den Inhaber des Nachbarappartements handeln könnte, bestätigen sich nicht. Der Mordkommission gelingt es dennoch am gleichen Tag, den Toten zu identifizieren. Es handelt sich um den aus Düren stammenden, in einer Klinik in Bielefeld-Bethel untergebrachten Alexander N. (Name geändert). Der 16-Jährige, der in Bielefeld bereits als Strichjunge in Erscheinung getreten ist, hatte die Klinik in Bethel widerrechtlich verlassen. "Er war von seinem Mörder - der Tat dringend verdächtig ist der 41 Jahre alte Wohnungsinhaber Jürgen M. (Name geändert) - mit einem als Knebel in den Rachen gesteckten Schwamm erstickt und - offen ist noch, ob vor oder erst nach dieser Tat - mit einem Messer im Genitalbereich grausam verstümmelt worden. Die Genitalien des Toten wurden später mit seiner Kleidung in einem Mülleimer gefunden", heißt es im damaligen LZ-Bericht.

Jürgen M. ist im Milieu bekannt und bereits mehrfach wegen sexueller Gewaltverbrechen und wegen Unzucht mit Kindern mit längeren Freiheitsstrafen einschlägig vorbestraft. Da der Tatverdächtige für die Fahndungsbehörden unauffindbar ist, fragt die LZ am 31. August 1987: "Wer hat Jürgen M. gesehen?"

Mutmaßlicher Mörder stellt sich Die Leser der Lippischen Landes-Zeitung erfahren am 10. September 1987, dass sich der mutmaßliche Mörder gestellt hat. Alarmiert durch die öffentliche Fahndung war Jürgen M. in seine Heimatstadt geflüchtet. Ersten Vernehmungen zufolge hat er sich dort in den Wäldern vor der Polizei versteckt gehalten. Psychisch und physisch völlig zermürbt, die Kleidung total durchnässt, meldet sich Müller dann bei einem evangelischen Pfarrer, der ihn zur Polizei begleitet.

Jürgen M. muss sich am 27. Juni 1988 vor dem Schwurgericht des Detmolder Landgerichts verantworten. Wie ist die Tat genau geschehen? Den Angaben von Jürgen M. zufolge könne er sich an die Stunden vor der Tat nur wenig, an die Tatzeit selbst gar nicht mehr erinnern. Für das Gericht ist es eine langwierige Angelegenheit, Licht in das Dunkel zu bekommen. Demnach ist der stark alkoholisierte Jürgen M. mit der Bahn nach Bielefeld gefahren und hat dort Alexander N. kennengelernt. Jürgen M. könne sich dann erst wieder an den nächsten Morgen erinnern, als er den Toten in seinem Bett fand, ihn in ein Betttuch einrollte und im Schrank versteckte.

Mit einem Schwamm erstickt Nach Angaben der Rechtsmedizinerin ist der 16-Jährige mit einem Schwamm, der zum Teil bis in die Speiseröhre gelangt war, erstickt worden. Zu welchem Zeitpunkt ihm die Genitalien abgeschnitten worden sind, kann auch nach der Obduktion nicht genau gesagt werden. Jürgen M. betont während der Verhandlung immer wieder, nicht homosexuell zu sein. Die Beweisführung ist konfus. "Es ist bekannt, dass soziales Abgleiten zu Gelegenheits-Homosexualität führen kann", führt ein damaliger Sachverständiger, Direktor der Abteilung für Sexualforschung an der Psychiatrischen Universitätsklinik Berlin, während der Verhandlung im Jahr 1988 aus. Der Angeklagte neigt dazu, im alkoholisierten Zustand sexuell aggressiv zu werden.

Der Verteidiger plädiert auf Schuldunfähigkeit, da die Rauschtat infolge reichlichen Alkoholgenusses geschehen sei. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslangen Freiheitsentzug. Das Gericht verurteilt Jürgen M. schließlich zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. "Das Gesicht hinter den Händen verborgen, mit Tränen in den Augen, nimmt Jürgen M. nach etwas mehr als neunstündiger Verhandlung das Urteil entgegen", berichtet die LZ in ihrer Ausgabe vom 28. Juni 1988.

Fall wird neu aufgerollt Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Detmolder Urteil verworfen, verkündet die LZ am 18. Januar 1990. Der Fall wird neu aufgerollt, da unter anderem die Frage der alkoholischen Beeinflussung nicht genügend geprüft worden sei. Das Bielefelder Schwurgericht mindert das Strafmaß von 15 Jahren Freiheitsentzug wegen Mordes auf vier Jahre und neun Monate Haft wegen einer vorsätzlichen Rauschtat. "Das jetzt erkennende Gericht kam nach mehrtägiger Verhandlung zu dem Ergebnis, dass die Alkoholkonzentration des Angeklagten bei der Tat weit über drei Promille gelegen haben muss", berichtet die LZ am 15. Februar 1990. Der Fall ist abgeschlossen.

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