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Wie eine Lemgoer Familie das Unwetter erlebte

Astrid Sewing

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Vom Wasser vertrieben: In Lieme hat Otaviano Ponath das Nötigste für die Notunterkunft gepackt. Seine Schwiegermutter (83) kommt in Detmold unter. - © Vera Gerstendorf-Welle
Vom Wasser vertrieben: In Lieme hat Otaviano Ponath das Nötigste für die Notunterkunft gepackt. Seine Schwiegermutter (83) kommt in Detmold unter. (© Vera Gerstendorf-Welle)

Lemgo. Otaviano Ponath zieht keine Gummistiefel an, sondern die Badehose, wenn er rausgeht. „Wenn das Wasser weiter steigt, dann muss ich die Autos noch ein Stück weiter wegfahren", sagt der 67-Jährige. Mit bangem Blick schaut er aus dem Fenster, denn sein Haus liegt in einem See. Seine Schwiegermutter musste das Haus verlassen. Vorsorglich wurde sie in einem Heim untergebracht.

„Es gab immer mal Hochwasser, aber so schlimm war es nie", sagt Ponath. Früher, so sagt er, sei die Brücke an der Büllinghauser Straße in Hörstmar niedriger gewesen, regnete es stark, dann war sie überspült. „Das war es aber." In der Nacht trat das Wasser über die Ufer und verteilte sich anders. „Die Brücke haben sie höher gesetzt, es staut sich an den Pfeilern. Wir konnten zusehen, wie es sich verteilte – überall." Er und seine Frau leben im Obergeschoss. Beide seien erst noch zuversichtlich gewesen. Das Haus stehe seit 84 Jahren. „Meine Schwiegermutter ist hier geboren worden, meine Frau ist hier aufgewachsen, und ich lebe seit 37 Jahren hier – das ist so gut gebaut, unser Keller ist immer trocken gewesen."

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Es regnete heftig weiter. Ab 4 Uhr sei das Wasser immer stärker gestiegen, der 67-Jährige bat schließlich die Feuerwehr um Hilfe, die Lage wurde bedrohlicher. „Wir sind immer wieder in den Keller gegangen, haben die Sachen hoch gestellt, und wir sahen, dass das Wasser näher an die Fenster rückte", schildert Ponath. Die Autos wurden weggefahren, sie parken da, wo kein Wasser steht.

Die Freiwillige Feuerwehr kam gegen 7.30 Uhr, sicherte alles mit Sandsäcken und entschied sofort, dass die 83-jährige Schwiegermutter, die im Erdgeschoss mit ihrem Mann lebt, das Haus verlassen sollte. Die Seniorin ist beinamputiert und in ihrer Bewegung eingeschränkt. „Es ist für sie schrecklich gewesen, das zu sehen, was sich draußen abspielt. Wenn ihr etwas passiert wäre, hätten wir sie aber kaum mehr aus dem Haus bekommen, wenn das Wasser noch höher gestiegen wäre. Meine Familie ist sehr froh, dass die Feuerwehr so schnell geholfen hat, das war toll", stellt Ponath fest. Später am Tag wird die Straße komplett gesperrt, in Lemgo spielen sich andernorts schreckliche Szenen ab. Die Feuerwehr versucht, Schafe zu retten, etliche Tiere ertrinken. Auf dem Campingplatz ist das Deutsche Rote Kreuz im Einsatz.

Die Seniorin ist in einem Heim in Detmold untergebracht. Otaviano Ponath und seine Frau wollen das Haus nicht verlassen. Mit dem Sohn, der morgens zur Arbeit gefahren war, habe er mittlerweile telefoniert und ihm gesagt, er möge zu seiner Schwester fahren und dort übernachten. „Er kann nichts tun, ich passe auf die Autos auf und fahre sie wenn nötig weg. Die Gummistiefel kann ich mir sparen, draußen brauche ich die Badehose, die liegt hier schon", stellt er mit Galgenhumor fest. Die Feuerwehr habe sie darauf hingewiesen, dass das Ende des Hochwassers noch nicht absehbar sei. „Wir haben Sorge, dass es weiter regnet."

In Gedanken ist er schon ein Stück weiter, in der Zeit, wenn das Wasser weg ist. Die fünfköpfige Familie halte immer zusammen, sagt er. Und das ist auch bitter nötig. „Es ist nicht nur das Wasser – es ist die Vorstellung wie es aussieht, wenn es weg ist. Dann ist nichts mehr da, alles ist kaputt – nur noch Schlamm."

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