Klein, unauffällig, tödlich - Das Waldsterben nimmt zu

Blomberg . Das Thermometer am Forsthaus zeigt 34 Grad. Über dem Asphalt der nahen Bundesstraße 1 ist leichtes Luftflimmern zu sehen. Der Geländewagen von Förster Stephan Radeck rollt problemlos über die huckelige Piste – weg von den befestigten Straßen, hinein in den Wald. Über gut 100 Meter muss der Wagen noch den einen oder anderen Ast zur Seite drücken, nach einer kleinen Kurve dann geht es auf einen breiten und freien Pfad. Gut 1000 Meter weiter tritt Radeck auf die Bremse.

&bdquo;In diesem Bereich ist viel davon zu sehen, was im Wald gerade alles nicht in Ordnung ist", sagt der Förster. Ein kurzer laienhafter Blick in die Runde lässt nichts ungewöhnlich erscheinen – Radeck hilft mit Expertenwissen nach. &bdquo;Der ganze Boden liegt hier voll mit grünen Nadeln", sagt der Förster. Tatsächlich: Mitten im Hochsommer sieht der Boden aus, wie der eigene Wohnzimmerboden nach dem Weihnachtsfest. Normal sei das nicht, die sterbenden Fichten verlieren ihre Nadeln. Den Grund dafür kennt Stefan Radeck ganz genau.

Mit dem Schäleisen in den Händen geht der Förster zielstrebig einem Stamm entgegen. Er zeigt auf die Rinde. Über den gesamten Stamm des Baumes verteilt sind kleine rote Häufchen feinster Späne zu sehen. &bdquo;Hier sind Hunderte Borkenkäfer am Werk", sagt Radeck, während er mit dem Eisen etwas Rinde von dem Baum entfernt und diese dann unter die Lupe nimmt. &bdquo;Hier ist der Buchdrucker am Werk. Die Muster sind ganz typisch. Ein Längsgang mit mehreren Armen zu den Seiten hinaus."

Das Käferweibchen arbeitet sich längs durch das Holz und legt dort entlang die Eier. Die Nachkommen fressen sich anschließend zu den Seiten. Für den Baum hat das fatale Folgen. Wenn sich immer mehr Schädlinge die Rinde entlang fressen, bedeutet das für die Fichte das Ende. &bdquo;Bei einem ausreichend starken Befall wird unter anderem der Wassertransport im Baum geschädigt", sagt Radeck. Die Krone des Baumes wechselt im Laufe des Befalls ihre Farbe. Aus dem Grün wird ein rötlicher Ton, der Baum verliert seine Nadeln und es fällt die Rinde ab. Chancenlos sind die Fichten eigentlich nicht, verrät Radeck und geht einen Baum weiter.

An diesem Stamm sind auch einzelne Löcher zu sehen, allerdings deutlich weniger. Auch Späne sind an der Rinde kaum zu finden. Dafür vereinzelt weiße Tropfen Baumharz. &bdquo;Damit setzt sich eine Fichte gegen den Borkenkäfer zur Wehr."

Der Erfolg werde jedoch geringer, wenn die Bäume durch Dürre geschwächt und die Schädlinge durch die Hitze in großer Zahl vorhanden sind. &bdquo;Die Bäume können nicht mehr genug Harz bilden, um sich zu verteidigen. Das Ergebnis sehen wir dann hier", sagt Radeck und zeigt in die Runde. Viele Baumkronen weisen bereits die typische Rotfärbung auf – &bdquo;und der Rest wird auch noch folgen. Fichten wird es an dieser Stelle bald nicht mehr geben."

Der Dachverband der Waldeigentümer geht davon aus, dass der Borkenkäfer bundesweit bereits rund 110.000 Hektar Wald zerstört hat. Um eine rasante Ausbreitung des Schädlings zu verhindern, müsste das betroffene Holz eigentlich schnell aus dem Wald herausgeholt werden. &bdquo;Personal dafür ist allerdings gerade in ganz Deutschland heißt begehrt", sagt Radeck.

Der Forstwirtschaft drohen Schäden in Milliardenhöhe In den deutschen Wäldern bahnt sich eine wirtschaftliche Katastrophe an. Dürre und Borkenkäfer setzen den Bäumen stark zu - schon länger muss viel mehr gefällt werden, als eigentlich geplant. Die deutsche Forstwirtschaft geht jetzt von Milliardenschäden aus.

Der Landesbetrieb Wald und Holz sagt: Der schleichende Klimawandel wird für den deutschen Wald zum Problem. &bdquo;Das aktuell zu beobachtende Baumsterben wurde unter anderem durch den Sturm Friederike und den ungewöhnlich heißen Sommer danach asugelöst ", sagt Michael Blaschke, Pressesprecher des Landesbetriebs. Das habe unter anderem zur Vermehrung des Borkenkäfers geführt, der heute in vielen Wäldern der Republik zu finden ist.

In den Jahren 2018 und 2019 werden jetzt rund 70 Millionen Kubikmeter Schadholz anfallen. Das zumindest schätzt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW). &bdquo;Unsere Region bildet da keine Ausnahme ", sagt dazu Beatrix Boekstegers, Vorsitzende des lippischen Waldbauernverbandes und Teil des Landesvorstandes. &bdquo;Wir können wirklich von einer Jahrhunderkatastrophe in unseren Wäldern sprechen. " Es gäbe aktuell keine Baumart, die nicht unter irgend einem Problem leide - &bdquo;vom Buchenschleimfluss und dem Borkenkäfer bis hin zum Eichenprozessionsspinner . "

Besonders hart trifft es den wirtschaftlich erfolgreichsten Baum unserer Breitengrade, die Fichte. Borkenkäfer und Dürre machen ihr so stark zu schaffen, dass sie im Grunde zum Tode verurteilt ist, sagt Boekstegers. Um etwa dem Schädlingsbefall Herr zu werden, müsse derzeit so viel aus dem Wald heraus geschafft werden, dass der Preis für einen Festmeter von 90 auf 30 Euro gefallen ist.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat unlängst ein Aufforstungsprogramm gefordert. Nach Schätzungen der Waldbauern müssten rund 300 Millionen Bäume nachgepflanzt werden. &bdquo;Die werden sich nicht von heute auf morgen beschaffen lassen ", sagt Beatrix Boekstegers. &bdquo;Schnell passiert im Wald ohnehin nichts. Forstwirte sind es gewohnt, in Generatonen zu denken ", sagt Boekstegers.

Blaupausen, wie der Wald künftig aufgestellt sein müsste, gäbe es derzeit keine, sagt Michael Blaschke. &bdquo; Wir wissen ja noch gar nicht, was uns in den kommenden Jahren erwartet. Insofern wäre es verfrüht, jetzt schon über ganz konkrete Schritte nachzudenken." Fest steht nur: Die Tage der Monokulturen sind im Forst gezählt.

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