Zwischen hohen Buchen und brachem Boden: Wie Lippes Wald den Klimawandel meistern wird

Kreis Lippe. Laub raschelt bei jedem Schritt, in den Wipfeln der hohen Buchen säuselt der Wind, Regentropfen tanzen auf den Blättern. Hinten weiter ein Dickicht aus niedrigeren Eichen, Birken und auch kleinen Fichten, wer genau hinsieht, entdeckt Steinpilze auf dem laubbedeckten Waldboden. Der Beller Wald, eine Idylle der Naherholung, so wie man sich einen Wald eben vorstellt. Und dann, nur wenige Fahrminuten entfernt, bietet sich ein ganz anderes Bild: Der Wind pfeift einem um die Ohren, der Blick schweift über das offene Gelände, der Boden ist von Gräsern übersät, hier und da buschartige Ebereschen, kleine Birken und Buchen. Und wer ganz genau hinschaut, entdeckt die jungen kleinen Douglasien und Bergmammutbäume, die der Landesverband Lippe (LVL) hier hat anpflanzen lassen. Auch das ist Wald, hier oben auf der Egge zwischen Leopoldstal und Horn. Ein Wald, der einst mit Fichten bewachsen war. Doch die sind der Dürre und dem Borkenkäfer 2018 zum Opfer gefallen.

&bdquo;Hier war nur brauner Boden“, erinnert sich Susanne Hoffmann und schüttelt fast unmerklich den Kopf. Zusammen mit Christopher Kroos leitet sie seit Februar gemeinsam die Forstabteilung beim LVL. Ihr Blick schweift über die große Fläche, wo einst dichter Wald das Bild beherrschte. Am Hang gegenüber stehen ein paar hohe Douglasien, daneben eine große Fläche mit niedrigem Bewuchs. Die Fichte kämpft sich zurück. Doch eine Monokultur, wie es früher einmal war, das will niemand. Ein gesunder, nachhaltiger Wald ist das Ziel.

Doch wie soll Wald in Zukunft aussehen? Bereits seit 1995 gibt es ein Waldkonzept, erklärt Susanne Hoffmann, &bdquo;das war wirklich seiner Zeit voraus“. Doch es ist in die Jahre gekommen, 30 Jahre sind eine lange Zeit. Sogar manch eine Formulierung lasse einen mittlerweile schmunzeln. &bdquo;Aber wir haben natürlich auch neue Erkenntnisse, die Natur entwickelt sich weiter.“ Deshalb hat der LVL nun ein Waldkonzept erstellt, das eine Weiterentwicklung des alten ist, an die Bedürfnisse und Umstände angepasst.

Denn 2018 und die Folgejahre, &bdquo;das war eine absolute Zäsur, die zu einer völligen Neueinschätzung der Situation geführt hat“. Jeder wisse, dass wir im Klimawandel sind, dass es aber so drastisch komme, &bdquo;dass wir eine Baumart innerhalb von vier Jahren komplett verlieren, hat sich keiner vorstellen können“. Ja, die Fichte sei vorher schon problematisch gewesen, aber durch Dürre und Borkenkäfer sei ein Großteil der nutzbaren Fichte verloren gegangen. Von einem Fichtenanteil in den Wäldern des LVL von 27 Prozent sei man nun auf zehn Prozent gekommen – &bdquo;und die sind überwiegend in nicht sägefähigem Alter“. Sprich zu jung und noch nicht nutzbar, weil noch zu dünn; sie sind aus Naturverjüngen entstanden, haben sich also selbst ausgesät.

Wirtschaften im Ökosystem

Doch nutzen will und muss der LVL seine Bäume, Stichwort Wirtschaftlichkeit. &bdquo;Das ist ein Forstbetrieb. Ein Wirtschaftsbetrieb. Wir produzieren Holz. Jeder will einen warmen Ofen und einen Dachstuhl. Und irgendwo muss das Holz dafür herkommen“, betonen Christopher Kroos und Susanne Hoffmann. Doch über allem stehe die Bewahrung der Ökosystemstabilität. &bdquo;Nur wenn Wald ein stabiles Ökosystem ist, können wir überhaupt damit arbeiten. Dann können wir da spazieren gehen, ist er Lebensraum für Tiere und Pflanzen.“ Dem müssten sich die anderen Ziele unterordnen. Ein stark strukturierter Mischwald sei das Ziel, eine Mischung in den Baumarten, in den Altern und möglichst in den Baumhöhen.

&bdquo;Mischung ist Risikoverteilung“, wissen die Experten: Kommt der Borkenkäfer, fliegen nur die Fichten raus, ein Eichenprachtkäfer schädigt Eichen, geht aber nicht an Buchen, die Buchenschildlaus wiederum schwächt nur diese. Außerdem: Habe man verschiedene Hölzer im Angebot, könne man flexibel auf Nachfragen reagieren.

Und dann steht da im Beller Wald ein Baum, an dessen Stamm die Rinde fehlt, da sind Löcher zu sehen. Ein anderer verzweigt sich auf halber Höhe, wieder ein anderer wirkt völlig tot. Doch genau diese brauche es ebenfalls in einem stabilen Waldareal, erklärt Christopher Kroos. Totholz diene als Nahrung für holzzersetzende Pilze und Käfer zum Beispiel. Stämme mit Löchern bieten Höhlen für Fledermäuse und Co. Viele &bdquo;Habitatbäume“, die markiert werden, um sie nicht herauszunehmen, hätten zudem einen geringeren Holzwert, etwa wegen der Astgabelungen. Die könne man auch aus diesem Blickwinkel gut der Natur überlassen.

Wir haben keinen Urwald

Ebenso müsse man sich auf unterschiedliche Klimabedingungen einstellen. So eine Mischung wolle der LVL auf seinen Flächen möglichst erreichen. &bdquo;Wohl wissend, dass das ein Projekt über Jahrzehnte ist.“ Und gerade manch eine &bdquo;heimische“ Art komme mit veränderten Klimabedingungen nicht gut klar, siehe die Fichte. Wobei der Begriff &bdquo;heimisch“ auch nicht gleichbedeutend mit &bdquo;natürlich“ sei**, &bdquo;wir** haben in Deutschland keinen Urwald“, betont Susanne Hoffmann.

Wenige Fahrminuten vom Beller Wald entfernt leuchten satt dunkelrote Blätter: &bdquo;Roteiche aus Nordamerika“, erklärt sie. Auf der Egge blitzt etwas Grünes durchs Gestrüpp auf dem Boden: Douglasie und Bergmammutbaum, extra gepflanzt, um das ehemalige Fichtenareal wiederzubeleben. Aber auch Edelkastanie ist hier zu finden. &bdquo;Das ist ein ganz anderes Gelände, steil und exponiert gelegen, mit weniger Nährstoff- und Wasserversorgung.“ Und deshalb gibt es hier eben auch andere Baumarten als im Beller Wald.

Auch das Klima ist ein anderes, man merkt, die hohen Bäume fehlen. Und da wird bewusst, wie viel der Wald zu einem guten Klima beiträgt. Der Wind pfeift einem hier um die Nase, kein Baum bietet Schutz vor dem Nieselregen, im Sommer steht die Sonne auf dem Gelände. Und das müssen auch die Bäume ertragen. Deshalb werde geschaut, welche Sorten das können, zum einen Hitze, zum anderen aber auch mal einen knackigen Winter. &bdquo;Es reicht ja, wenn es einmal in zehn Jahren minus 15 Grad hat, das muss so ein Baum aushalten“, erklärt Christopher Kroos. Und deshalb stehen hier oben eben auch Arten aus Nordamerika.

Die Waldkatastrophe habe auch die Revierleiter mitgenommen. &bdquo;Die hegen und pflegen den Wald über Jahrzehnte, machen sich Gedanken“, beschreibt Susanne Hoffmann das Dilemma. Und dann zu sehen, wie zig Flächen wegsterben, bracher Boden bleibt, das habe manch einen Kollegen sehr mitgenommen und belastet. Manch einer sei gar vorzeitig in den Ruhestand gegangen, weil er oder sie es nicht ertragen habe – 30 Jahre Arbeit, einfach so zerstört. &bdquo;Förster wird man ja schließlich nicht aus Versehen. Das überlegt man sich, weil man den Job will und liebt.“ So wie Christopher Kroos und Susanne Hoffmann.

Das Team für Lippes Wald

Susanne Hoffmann und Christopher Kroos lenken seit Februar gemeinsam die Forstabteilung des Landesverbands Lippe. Susanne Hoffmann als Leitung, Christopher Kroos als ihr Stellvertreter. &bdquo;Irgendwer muss den Hut ja aufhaben“, sagt sie lachend.

Die Inhalte der Arbeit, die Fachthemen und Funktionen, haben sie untereinander aufgeteilt: Christopher Kroos kümmert sich um die forstliche Produktion, also das tägliche Geschäft, von Pflanzung bis Holzernte, und ist zuständig für die Kollegen, die auf der Fläche agieren. Susanne Hoffmann macht zum einen die Gesamtleitung, die Außenvertretung, hat den Kontakt zur Politik, zum Verbandsvorsteher, kümmert sich aber auch um die übergreifende fachliche Planung, etwa, welche Baumarten gepflanzt werden, und um das Waldbaukonzept. Aber auch um die Themen neue Geschäftsfelder wie regenerativen Energien beim LVL kümmert sie sich sowie um Ökosystemdienstleistungen, also zum Beispiel Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.

Dazu kommen aber auch Gewässersanierungen wie etwa am Norderteich. Und die nächste Baustelle kommt: Der Teich an den Externsteinen ist laut Susanne Hoffmann als Nächstes an der Reihe.

Zum Team der Forstabteilung gehören insgesamt 42 Mitarbeiter, darunter 11 Revierleiterinnen und Revierleiter.

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