Martin Rütter kommt nach Lemgo: "Trainiere Hunde, aber vor allem die Menschen"

Lemgo. Er ist der Hundetrainer schlechthin: Martin Rütter. Mit seinem aktuellen Programm &bdquo;Freispruch" kommt er am Sonntag, 1. März, für einen Zusatztermin in die Phoenix-Contact-Arena. Los geht es um 19 Uhr, Karten gibt es unter anderem in den LZ-Geschäftsstellen und unter Tel. 05231-911113. Vorab spricht er über schräge Erlebnisse und über das, was einen guten Hundetrainer ausmacht.

Ihr aktuelles Programm heißt &bdquo;Freispruch". Worum gehts?

Martin Rütter: Das Publikum kann sich insgesamt auf eine schöne Mischung aus Information und Unterhaltung freuen. Zum Beispiel ist da Dogge Rudi, der in Restaurants immer bettelnd den Kopf auf alle Tische legt. Das ist natürlich unangenehm, vor allem bei fremden Menschen. Ich halte den Leuten vor Augen, an welchem Ende der Leine das Problem liegt und fungiere als &bdquo;Anwalt der Hunde", natürlich zum Leidwesen der Menschen (schmunzelt).

Es ist Ihr mittlerweile viertes Bühnenprogramm, woher nehmen Sie die Ideen?

Rütter: Im Prinzip ist meine Bühnenshow ja die Konsequenz aus meiner Arbeit, denn die Geschichten habe ich alle selbst erlebt. Und teilweise sind die so lehrreich oder kurios, dass ich sie einfach mit anderen teilen muss.

Was ist denn das Schrägste oder Schlimmste, das Ihnen je begegnet ist?

Rütter: Ganz absurd war es mal, als der Mann drei Jahre lang auf der Couch geschlafen hat, weil der Hund ihn nicht mehr zu Frauchen ins Schlafzimmer gelassen hat. Die Schwierigkeit lag aber nicht am Hund, sondern an Frauchen – nämlich sie zu überzeugen, das zu ändern. Denn im Ernst, die Hürde besteht ja häufig darin, bei den Leuten überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen, dass sie etwas falsch machen.

Gibt es denn dann überhaupt Problemhunde?

Rütter: Sagen wir es so: Hunde kommen nicht böse auf die Welt. Die Probleme, die sich im Laufe der Hundeerziehung auftun, sind zu 99,9 Prozent menschengemacht. Es ist fast nie der Hund, sondern der Mensch, der seine Einstellung und sein Handeln ändern muss. Die Menschen stellen zu häufig ihre eigenen Erwartungen in den Vordergrund und vergessen dabei die eigentlichen Bedürfnisse des Hundes. Deshalb heißt mein Leitspruch auch: Ich trainiere Hunde, aber vor allem ihre Menschen.

Und was sind die größten Probleme zwischen Mensch und Hund?

Rütter: Ganz klar, das sind die drei Kardinalfehler, die immer auf das Konto von uns Zweibeinern gehen. Die extreme Vermenschlichung, denn diese schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Ein Hund kann nicht denken und handeln wie ein Mensch. Dazu kommt mangelnde Konsequenz. Menschen stellen Regeln auf, gehen dann aber zu lax mit diesen um. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen. Und ein weiteres Problem ist die mangelnde Beschäftigung. Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung.

Stichwort Vermenschlichung: Immer wieder hört man &bdquo;Das letzte Kind hat Fell". Wo liegt da das Problem?

Rütter: Bei dem Thema Vermenschlichung muss man ein wenig differenzieren. Wenn man seinen Hund mal vermenschlicht, geht ja nicht direkt die Welt unter. Ich habe meinem Hund – ihr Name ist übrigens Emma – abends auf der Couch auch schon mal meine Sorgen und Nöte des Tages erzählt. Kein Problem. Es darf nur nicht eskalieren, dass ich permanent meine Wünsche auf den Hund projiziere.

Ihr Rat?

Rütter: Die Kernfrage lautet: Was stört den Hund? So lange der Hund in seiner geistigen und körperlichen Freiheit nicht eingeschränkt wird und nach seinen natürlichen Bedürfnissen entspannt leben kann, ist alles okay. So ist beispielsweise gegen ein mit Diamanten besetztes Halsband nichts zu sagen, denn es beeinträchtigt den Hund nicht. Gefährlich wirds aber, wenn der Hund zum Oktoberfest ins Dirndl gezwängt wird. Da hört der Spaß auf, das ist Tierquälerei.

Viele Hundehalter kennen es: Im freien Spiel versteht sich der Vierbeiner mit Artgenossen, an der Leine gibts Theater. Woran liegt das?

Rütter: Zunächst einmal sollte man abklären, warum der Hund sich so verhält, wenn er anderen Hunden begegnen. Es kann sein, dass er Angst vor den anderen Hunden hat. Da er an der Leine ist und nicht ausweichen kann, ist für ihn Angriff die beste Verteidigung. Vielleicht möchte er aber auch einfach nur gerne Kontakt zu den Artgenossen aufnehmen und ignoriert, dass der Halter dies gerade nicht möchte. Aus Frust, dass sie durch die Leine daran gehindert werden, neigen viele Hunde dann dazu, laut zu bellen. Es ist wichtig, die Ursache heraus zu finden, da sich dementsprechend auch der Trainingsweg unterscheidet. Ein ängstlicher Hund müsste beispielsweise positiven Kontakt mit anderen Hunden haben. Ein Hund, der seine Wünsche durchsetzen will, muss lernen zu akzeptieren, dass dies nicht immer möglich ist.

Und was kann ich tun?

Rütter: Wenn Ihr Hund andere Hunde anbellt und sie versuchen, ihn zu beruhigen, kann er dies als positive Zuwendung auffassen. Damit verstärken Sie das unerwünschte Verhalten. Aber: Wenn Sie selbst laut werden, wirkt das für auf den Hund wie ein Anfeuern. Daher sollten Sie das Verhalten zunächst einmal einfach ignorieren. Wenn Ihnen ein Hund entgegen kommt, laufen Sie einen kleinen Bogen, damit nehmen Sie den Druck aus der Situation. Lenken Sie Ihren Hund dabei mit etwas ab, das er besonders spannend findet.

Sie sind ja nicht nur auf der Bühne und im TV unterwegs, sondern kennen als Hundetrainer viele Mensch-Tier-Beziehungen. Was sind die größten Missverständnisse?

Rütter : Das sind meistens Kommunikationsmissverständnisse. Es ist wichtig, die Sprache des Hundes zu lernen und seine Bedürfnisse erkennen. Zum Beispiel das Schwanzwedeln, das die meisten Leute ebenfalls generell als Freude interpretieren. Dabei kann das sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Wenn zum Beispiel der Körper beim Wedeln ruhig ist, der Hund hält dabei den Kopf leicht abgesenkt und sein Gegenüber fixiert, zeigt die wedelnde Rute lediglich die Aufregung des Hundes kurz vor einem Angriff.

Warum sind Sie Hundetrainer geworden?

Rütter : Ich hatte schon immer einen Draht zu Hunden, obwohl ich als Kind keinen haben durfte. Ich habe aber bereits in meiner Jugend die Hunde der Nachbarn ausgeführt und die Hunde meiner Tante Thea ohnmächtig gekrault. Sie hatte in den 80er Jahren eine Art Pflegestelle für gestrauchelte Tiere und besaß die außergewöhnliche Gabe, Hunde, die anfangs noch ganz wunderbar waren, binnen weniger Wochen dermaßen verrückt zu machen, dass man das Haus nicht mehr angstfrei betreten konnte. Mich hat schon damals brennend interessiert, warum so viele Menschen Probleme mit ihren Hunden hatten.

Woran erkenne ich einen guten Hundetrainer?

Rütter : Am wichtigsten ist mit Sicherheit folgendes: Der Hundetrainer sollte sowohl dem Menschen als auch dem Hund sowie allen anderen Tieren gegenüber Respekt und Geduld aufbringen. Wenn Sie sich einer Hundeschule nähern, bei der Sie schon von weitem die Hundetrainer auf dem Platz brüllen hören, können Sie getrost direkt wieder kehrt machen. Und nicht jeder Hund reagiert gleich oder ist gleich: Der Trainer sollte ein genau auf Sie und Ihren Hund abgestimmtes Trainingsprogramm erstellen. Und schließlich gibt es noch einen wichtigen Punkt: Ehrlichkeit. Denn nicht immer ist es möglich, alle Probleme, die ein Mensch mit seinem Hund hat, vollständig zu lösen.

Gibt es eine einheitliche Ausbildung ?

Rütter : In Deutschland kann jeder ein Gewerbe anmelden und eine Hundeschule eröffnen. Allerdings muss er dafür die Erlaubnis des für ihn zuständigen Veterinäramtes besitzen. Eine einheitliche Ausbildung für Hundetrainer gibt es jedoch nicht. Daher habe ich selbst ein sehr umfangreiches Studium zum Hundetrainer entwickelt.

Würden Sie wieder Hundetrainer werden?

Rütter : Sofort! Ich habe damit meinen Traumberuf gefunden, dafür bin ich sehr dankbar.

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