Prozess: Somalierin wird vergewaltigt und rächt sich an ihrem Peiniger

Kreis Lippe . Es gibt nur die Aussage der Angeklagten, dass sie in Somalia vergewaltigt wurde und sie sich daraufhin gerächt hat. Mit einem Messer, so gibt sie an, hat sie hinterrücks auf ihren Peiniger eingestochen und ihn an der Schulter verletzt. Ist es so passiert oder hat sich die heute 28-Jährige die Geschichte ausgedacht, um die Chancen für ihren Asylantrag in Deutschland zu verbessern? Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass es so geschehen ist, wie die Frau es bei ihrer Einreise und der Polizei geschildert hat. Sie wurde zu einer sechsmonatigen Strafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Rückblick: Die Frau gehört zum Stamm der Gaboye, die Muslimin erklärt über ihren Dolmetscher, dass diese Gruppe generell diskriminiert wird und die Vergewaltigung von Frauen nicht geahndet wird. In ihrem Dorf habe es einen älteren Ladenbesitzer gegeben, 2013 habe dieser sie gemeinsam mit einem zweiten Mann in den Laden gezerrt und vergewaltigt. Sie sei zu dem Zeitpunkt im Genitalbereich beschnitten und zugenäht gewesen, mit einer Rasierklinge hätten die Männer sie verletzt.

Sie habe sich nicht gewehrt aus Angst, getötet zu werden. Anschließend hätten die Männer sie auf die Straße geworfen und ihr gedroht sie umzubringen, wenn sie etwas erzählt. "Die gehören einem Stamm an, der sehr angesehen ist. Hätte ich etwas gesagt, wäre es schlimm für meine Familie geworden. Und die Polizei hilft nicht", sagt sie vor Gericht, und es fällt ihr sichtlich schwer - auch wenn die Tat sieben Jahre zurückliegt. Aber damit endete ihre Leidensgeschichte nicht, denn ihr Peiniger verbreitete, was er getan hat, in der Folge sei sie von den anderen Dorfbewohnern verhöhnt worden.

Sie habe den Entschluss gefasst, zu fliehen. Abends habe sie den Mann an seinem Laden gesehen, wie er ihn abschloss. "Ich habe mich angeschlichen und einmal zugestochen. Es war ein kleines Messer", sagt sie. Nein, sie habe ihn nicht töten wollen und auch nicht mehrfach zugestochen. Das habe der Dolmetscher falsch übersetzt, als sie nach einer vierjährigen Odyssee in Deutschland angekommen war.

Deshalb war der Prozess noch einmal neu aufgerollt worden. Das falsch übersetzt wurde, glaubten die Richter allerdings nicht. Auch, weil die Frau die Tat in der ersten Version sehr detailliert geschildert hatte und auch bei der Vernehmung vier Monate später bei der Polizei dabei blieb. Die Polizeibeamtin, die die Vernehmung geleitet hatte, sprach von einem sehr einvernehmlichen Gespräch, das die Frau mit dem Dolmetscher geführt habe. Es sei sehr professionell gewesen.

Im Prozess kam auch zur Sprache, dass solche Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht selten auch gemacht werden, damit der Asylantrag durchgeht, wenn den Asylbewerbern in ihrem Heimatland die Todesstrafe droht. Doch in diesem Fall sei die Faktenlage anders. "Es wird derzeit nicht nach Somalia abgeschoben. Und wenn sie gar nichts gesagt hätte, dann hätte sie auch nicht vor Gericht gestanden", erklärte Rechtsanwalt Martin Mauntel. Und Beweise lassen sich auch nicht finden. "Wir können dort nicht nachfragen, es gab ja keine Anzeige. Wenn man das überhaupt versuchen würde, brächte es auch die Familie unter Umständen in Gefahr", erklärte Oberstaatsanwalt Ralf Vetter die schwierige Beweislage. Auch das Gericht war überzeugt davon, dass die Somalierin die Wahrheit gesagt hatte. "Sie ist bei der Polizei darauf hingewiesen worden, dass ihr hier ein Strafverfahren droht - spätestens dann weichen viele von ihrer Version ab. Das hat die Angeklagte nicht getan", sagt Richter Karsten Niemeyer.

Oberstaatsanwalt Ralf Vetter forderte zwei Jahre auf Bewährung, die Frau habe Selbstjustiz verübt, was keinesfalls akzeptiert werden könne, und die Absicht gehabt, den Mann zu töten. Allerdings habe sie gemerkt, dass das mit dem von ihr gewählten kleinen Messer keinesfalls zu bewerkstelligen war. SStrafmildernd seien die Umstände zu berücksichtigen, das Opfer sei nur gering verletzt worden, die Frau habe sich in einer Notlage befunden, weil sie nirgendwo Unterstützung bekommen konnte. Im Prozess übersetzte Ali Abdi die Aussagen. Auf Nachfrage schilderte er, was mit Frauen passiert, die solche Taten anzeigen. "Wenn der Mann erzählt, die Frau habe ihn verführt und man ihm glaubt, dann droht ihr die Steinigung."

Die 28-Jährige beteuerte vor Gericht, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Sie habe in Deutschland nicht schweigen wollen. "Nie wieder wird so etwas vorkommen, hier würde ich zur Polizei gehen, ich lebe in einem Rechtstaat. Ich bin dankbar für das Urteil", sagt sie zum Schluss.

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