Prozess um totes Baby: „Er lag da wie ein nasser Lappen“

Oerlinghausen. Er nennt ihn immer wieder &bdquo;der Kleine" – doch den Namen seines Kindes nimmt John D. kein einziges Mal in den Mund. Der 27-jährige Oerlinghauser muss sich seit Montag vor dem Landgericht verantworten, seinen eigenen Sohn mehrfach misshandelt und gequält zu haben. Die Detmolder Staatsanwaltschaft geht von drei Taten aus, bei denen dem Kind unbegreifliche Gewalt angetan wurde. Zu den Verletzungen zählen zwei gebrochene Rippen, die Fraktur des linken Oberarmes, mehrere Hämatome und letztendlich ein schweres Schädelhirntrauma, das zum Tod des kleinen Jungen führte. Der Säugling starb Mitte März mit gerade einmal drei Monaten in einer Bielefelder Klinik.

Ruhig und aufgeräumt wirkt John D., als er den Saal 165 betritt. Ein unscheinbarer Typ, das blaue Hemd bis oben hin zugeknöpft, große Brille und die Haare zum Undercut frisiert. Mit klarer Stimme macht der arbeitslose Hobbyfußballer, der in seiner Jugend mal bei Schalke gespielt hat, Angaben zu den schweren Vorwürfen, sein eigenes Kind zu Tode misshandelt zu haben. Im Zuschauerraum zerknüllt seine Frau, die Mutter des toten Kindes, Taschentücher in den Händen. Es fließen viele Tränen. Auch Freunde und Familienangehörige sind gekommen, um John D. zu unterstützen. Keiner aus seinem Umfeld scheint glauben zu wollen, was die Gutachten der Rechtsmediziner doch so eindrücklich festhalten. Dass es sich bei den Verletzungen eindeutig um schwere Misshandlungen handelt. Die Familie geht von einer Verkettung unglücklicher Umstände aus.

Angeklagte bestreitet Vorwürfe Der Angeklagte bestreitet, seinem Kind jemals absichtlich Gewalt angetan zu haben. Einmal, am 19. Februar sei er unglücklich mit dem Kind über eine Teppichkante gestolpert. &bdquo;Dann habe ich reflexartig zugepackt, damit er nicht auf den Tisch fällt", sagt der 27-Jährige, der sich ums Kind kümmerte, während seine Frau eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten absolvierte. Nach dem Vorfall sei er mit Frau und Kind direkt in die Klinik nach Herford gefahren, hier diagnostizierten die Ärzte einen gebrochenen Arm. Schon vorher war das Kind wegen blauer Flecken dort untersucht worden.

&bdquo;Wir sind von einer Gerinnungsstörung ausgegangen. Er hatte oft so blaue Striemchen, wo der Söckchenbund saß", sagt John D. Mindestens zwei Mal wurde das Kind mit Verletzungen in der Klinik untersucht. &bdquo;Man hat uns gesagt, wir würden nicht wie Eltern wirken, die ihr Kind misshandeln", sagt der Angeklagte. Obwohl die Blessuren wohl als Hinweise interpretiert werden könnten, habe eine Krankenschwester dem Paar mal gesagt.

Etwas stutzig macht den Vorsitzenden Richter Karsten Niemeyer eine Unfallversicherung, die das Ehepaar im Februar für das Kind abgeschlossen hatte. Rund 1000 Euro habe die Versicherung für den Armbruch des Kindes ausgezahlt, gibt D. zu. Allerdings habe sich das Paar von einer Versicherungsmaklerin überreden lassen, den Vertrag auf ihren Sohn zu erweitern. &bdquo;Wir sind wegen des Fußballs oft mit dem Auto unterwegs, so sollte er abgesichert sein", sagt John D.

Angeklagter verliert Fassung Die meiste Zeit hat sich der Angeklagte im Griff. Als er jedoch seine Sicht des dritten Tatvorwurfs schildert, kann auch er die Emotionen nicht zurückhalten. Am 12. März habe sich D. nach einem enttäuschenden Job-Telefonat mit dem Kind auf dem Arm auf das Sofa fallen lassen, dabei hätten sich beide den Kopf an der Fensterbank gestoßen. &bdquo;Erst lag er da wie ein nasser Lappen, dann wurde er plötzlich hart wie ein Brett", sagt John D. unter Tränen. Auch seine Frau kann kaum an sich halten. Zu schmerzhaft sind die Wunden, die aufgerissen werden.

Auch eine Notoperation in Bielefeld kann das Kind nicht retten. Das Schädelhirntrauma des Säuglings sei so schwerwiegend gewesen, er hätte nie mehr allein schlucken oder atmen können, berichtet Stefanie Schlepper, Ärztin der Rechtsmedizin Münster. Daher habe man sich mit den Eltern dazu entschieden, die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen. Oberarzt Bernd Karger macht in seinem Gutachten deutlich, dass die Version des Angeklagten nicht zu den Verletzungen des Kindes passt. &bdquo;Sonst hätte der Säugling eine offene Platzwunde gehabt." Laut der Obduktion habe das Kind neben dem Schütteltrauma auch eine ganze Reihe stumpfer Gewalteinwirkungen erlitten. Zum nächsten Prozesstag soll eine weitere Gutachterin und ein psychiatrischer Sachverständiger gehört werden. Der Angeklagte hatte sich nicht begutachten lassen.

Der Prozess wird am 21. und 30. September fortgesetzt.

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