Gänse gehen zu den Feiertagen in den Direktverkauf

Kreis Lippe. Herbstzeit ist Gänsezeit: Traditionell gibt es zu Sankt Martin und in den Wochen danach die Martinsgans auf den Tisch. Mit der ganzen Familie geht es ins Lieblingsrestaurant – nur in diesem Jahr nicht: Coronabedingt hat die Gastronomie mindestens den ganzen November geschlossen. Aber was passiert mit dem Geflügel in diesen Zeiten, wenn das Gastrogeschäft wegbricht? &bdquo;Die Sorge, auf den Gänsen sitzen zu bleiben, ist unter den Landwirten im Kreis Lippe relativ gering", sagt Matthias Heupel, Betreiber des Sprengerhofs in Detmold.

Das Geschäft verlagere sich aber: &bdquo;Dieses Jahr geht viel mehr über den Direktverkauf", so Heupel, &bdquo;die Kunden können ihre Gänse direkt auf dem Hof oder an Verkaufsständen auf Wochenmärkten kaufen." Außerdem würden mehr Teile, also Brust oder Keule, verkauft als ganze Gänse. &bdquo;Die großen Familienfeiern finden wegen der Coronapandemie nicht statt. Die Menschen treffen sich eher in kleiner Runde", sagt Heupel. In diesem Jahr beherbergt er auf seinem Hof statt 120 nur 60 bis 70 Gänse, weil die Pandemie die gesamte Produktion lähmt. &bdquo;Die Branche lebt von Saisonarbeitern. Die lippischen Landwirte haben weniger Tiere als sonst. Man sieht kaum Gänse im Kreis", so Heupel.

Brust oder Keule

Der Tierwirtschaftsmeister im Fachbereich Geflügel kennt weitere Hintergründe: &bdquo;Nur 16 Prozent der Gänse stammen heute noch aus Deutschland", so Heupel. Man habe das Geschäft quasi ans Ausland abgegeben. &bdquo;Die Hauptproduzenten sind Polen und Ungarn. Das ist schade, weil wir so keinen Einfluss auf die Haltung und das Wohl der Tiere haben."

Lippische Gänse seien daher seltener, erzielten aber auch einen höheren Preis im Verkauf, und dieser verlaufe im November uneinheitlich: &bdquo;Wegen Corona ist der Verkauf an Gastrobetriebe dieses Jahr schwach. Da müssen wir Landwirte auch kreativ werden", sagt Heupel. Er selbst habe mit einem Restaurant im Kreis ein &bdquo;Ganstaxi" ins Leben gerufen. &bdquo;Wir haben die Aktion vorher auch in den sozialen Netzwerken beworben. Wenn die Menschen nicht ins Restaurant dürfen, dann wird die Gans eben zu ihnen gebracht."

"Ganstaxi liefert"

Eine Idee, die viele Gastrobetriebe in der derzeitigen Gans-Saison umsetzen. So auch Anja Limberg, Inhaberin des Leeser Krug in Lemgo: &bdquo;Wir bieten für unsere Kunden die Gans to go an", sagt sie. In den letzten Jahren sei das Geschäft mit den Gänsen massiv gewachsen. &bdquo;2019 haben wir zirka 250 Gänse verkauft. Das ist für unseren kleinen Betrieb sehr viel", sagt Limberg.

Coronabedingt sei dieses Jahr mit deutlich weniger Umsatz zu rechnen. &bdquo;Der November und der Dezember sind eigentlich starke Geschäftsmonate. Die aktuelle Situation ist für uns eine Katastrophe!" Auch die ausbleibenden Weihnachtsfeiern seien schwer zu verkraften. &bdquo;Wir bekommen jetzt schon viele Absagen. Niemand weiß, was im Dezember ist", zeigt sich Limberg besorgt. Immerhin halte der Gans-Verkauf den Leeser Krug finanziell über Wasser. &bdquo;Unsere Kunden können die Gans bei uns bestellen, wir bereiten sie dann zum Beispiel traditionell mit Rotkohl und Kartoffeln vor, dann kann das Gericht abgeholt werden. Das Angebot wird wirklich gut angenommen."

Eine Katastrophe

Im Schiederaner Landhaus Schieder hat sich Hotelier und Restaurantbetreiber Norbert Lange, einer der Landwirte in Lippe, die sich besonders der Regionalität verschrieben haben, auch weitgehend auf das Außer-Haus-Geschäft verlegt. Abgesehen von ein paar Geschäftsreisenden als Hausgästen, die er abends beköstigt, ist sein Laden für Gäste dicht wie alle anderen Gastronomiebetriebe.

Die Gans für vier Personen inklusive der Beilagen verkauft er aber schon traditionell außer Haus, nicht erst seit der Pandemie. &bdquo;Das läuft schon seit Jahren ganz gut", sagt er.

Ansonsten bietet er wie bereits im Frühjahr komplette Menüs an, deren Komponenten in Vakuumbeuteln servierfertig portioniert sind und von den Kunden zuhause nur noch fix zehn Minuten im Wasserbad erwärmt werden. Nur die Gänsekeule muss dann anschließend noch zehn Minuten unter den Rost im Ofen, damit sie knusprig wird. &bdquo;Das klappt gut", sagt Lange, &bdquo;wir bekommen sehr positive Resonanz auf die Aktion."

Im Detmolder Restaurant "The Cobbler" am Lippischen Hof wird die Gans normalerweise auf Wunsch des Gastes frisch zubereitet und am Tisch zerlegt. &bdquo;Das kommt immer super an und ist ein gutes Geschäft", sagt Inhaberin Anette Schuster. Doch auch hier steht aktuell die Gans zum Abholen auf der Speisekarte: &bdquo;Zuerst wollten wir nur die ganze Gans anbieten. Aber wir haben uns dazu entschlossen, auch eine halbe Gans und einzelne Portionen zu verkaufen. Was sollen sonst die Singles machen", nimmt Schuster die Situation mit Humor.

Großen Umsatz erziele man mit dem Gans-Geschäft dieses Jahr nicht – &bdquo;so können wir aber unsere Auszubildenden weiter beschäftigen. Wir wollen auch einfach im Gespräch bleiben. Damit die Leute nach dem Lockdown sagen: "The Cobbler", die haben Corona überlebt." Abzuwarten bleibt, wie lange sich die Gastronomie auf ein &bdquo;nach dem Lockdown" gedulden muss.

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