Eine eigene Welt: Die Tante Emmas vom Leeser Krug

Lemgo-Leese. Die Türglocke bimmelt, und damit geht es hinein in eine fast verloren gegangene Welt. Im Tante-Emma-Laden am Leeser Krug scheint die Zeit stillzustehen. Bunt, dicht bestückt und gemütlich kommt das kleine Geschäft daher, hinter den Tresen stehen die Limberg-Frauen - die Tante Emmas aus Leese - und verkaufen, was sie schon immer angeboten haben: Brötchen, Zeitung, Putzmittel, Käse oder auch Dosensuppe - (fast) alles für den täglichen Gebrauch. Gratis dazu gibt es den Schnack und die ein oder andere Dorfgeschichte.

Ein Relikt aus vergangenen Zeiten, wie Anja Limberg schmunzelnd erzählt. Mit Mutter Hildegard betreibt sie den Laden in einer Art Symbiose mit dem Leeser Krug, wer etwas braucht und im Laden nicht fündig wird, für den wird eben Nachschub aus der Restaurantküche besorgt. So funktioniert es seit Jahrzehnten, seit Ur-Großvater Karl-Heinz Dannenberg sen. 1935 die damalige Bäckerei pachtete und zwei Jahre später das ganze Gebäude samt Gasthof Leeser Krug und Saalbetrieb kaufte. Mittlerweile führen Hildegard Limberg und Tochter Anja in dritter und vierter Generation Gasthof und Laden - und mit dem Neffen ist auch schon die fünfte Generation am Start.

Die Bäckerei haben Limbergs 1990 zwar aufgegeben, bewusst aber den kleinen Kolonialladen behalten, der Montag bis Samstag am Vormittag geöffnet hat (mittwochs geschlossen). Doch eigentlich ist das egal. Denn wer nach den Öffnungszeiten oder auch abends vorbeikommt, &bdquo;für den gehen wir schnell noch in den Laden“. Alles keine langen Wege, denn Anja Limberg und ihre Mutter leben in der oberen Etage des Gasthofes. Dort sind Mutter und Bruder geboren - der Leeser Krug ist der Lebensmittelpunkt. &bdquo;Ich bin mit dem Beruf verheiratet“, sagt Anja Limberg dann auch lachend und nein, &bdquo;ein Mann hat es da nicht zwischen geschafft“.

Tratsch auf der Bank im Laden Früher, erzählt die 55-Jährige, da gab es noch die Bank im Laden. Am Vormittag traf sich ein Frauenclub zum kleinen Tratsch und auch heute klingelt noch mehrmals am Vormittag das Türglöckchen. Vor allem Brötchen sind es, die die Kunden mitnehmen, Toilettenpapier oder auch Getränke, Wurst und Käse. Und dann natürlich sind da die Kinder, die sich nur zu gerne aus den Süßigkeitendosen bedienen.

Fast alle kommen seit Jahren. Und vor allem für die ältere Generation wollen die Limbergs den Tante-Emma-Laden offen halten, damit auch die Senioren sich weiterhin vor Ort versorgen können. So wie sie einmal im Monat im Gasthof ein Seniorencafé anbieten oder auch die Weihnachtsfeier im Advent.

Früher erinnert sich die Leeserin, da kamen auch die Saisonarbeiter von den benachbarten Bauernhöfen im Laden vorbei, holten Nudeln oder auch Brot. Und als die Bäckerei noch existierte, da wurde das Getreide von der Leeser Mühle geholt, der Preis dann im Brotbuch verrechnet. Viele Geschichten kann sie erzählen: Als das Korn noch mit der Kutsche zum Bahnhof gefahren wurde, um von da mit dem Zug zur Brauerei nach Herford zu gelangen. Zurück kam dann später das Bier, das in Laden und Gasthof kanisterweise abgegeben wurde. Und die Pferde, die trotteten vom Bahnhof alleine zum Krug zurück.

Dorfsheriff kämpfte um Konzession Dann kam der Krieg und danach drohte es zunächst nicht weiterzugehen. Die Konzession wurde von den Besatzungsmächten verweigert. &bdquo;Da machte sich der Leeser Dorfsheriff auf den Weg, um sich persönlich zu beschweren“, erzählt Anja Limberg lachend. &bdquo;Der Fußmarsch bis zum Landsknecht an der Herforder Straße sei niemandem zuzumuten.“ Sein Protest hatte Erfolg: Karl-Heinz Dannenberg (jun.) und Hildegard Dannenberg (geb. Grabbe) konnten im Gasthof wieder loslegen, 1985 übernahm dann Hildgard Limberg (geb. Dannenberg) zusammen mit ihrem Mann Günter Limberg das Geschäft. Seit 1990 ist Tochter Anja dabei, gemeinsam wurde das Restaurant angebaut und fortlaufend modernisiert, ebenso wie wie sie auch in der viel gelobten Küche stets neue Trends aufnehmen.

In der alten Gaststube aber scheint so wie auch im Laden, die Zeit stillzustehen. Bewusst hat Anja Limberg hier den Kneipen-Charakter erhalten. &bdquo;Früher galt das vielleicht als etwas trutschig, jetzt wird es als gemütlich wahrgenommen“, ist sie überzeugt. An der Wand hängt noch das Sparfach der Sparkassengemeinschaft - und das seit Jahrzehnten. Die 60 Fächer sind belegt, werden nach wie vor regelmäßig von den Sparern befüllt und einmal die Woche geleert. &bdquo;Fünf Euro sind Pflicht. Wer das nicht zahlt, muss einen Euro Strafe zahlen.“ Im Sommer dann wird ausgezahlt. &bdquo;Die einen sparen für den Urlaub, die anderen für ein besonderes Geschenk“, kennt Anja Limberg die Vorlieben ihrer Gäste, die die wöchentliche Einzahlung gerne mit einem Besuch in der Kneipe verbinden.

Gespräche sind gleich geblieben Die hat fast täglich geöffnet, vor allem Männergrüppchen kommen vorbei. Pünktlich um 17 Uhr stehen sie vor der Tür. Dann gibt es das Herrengedeck, Schnaps und Bier, bevor um 19.30 Uhr die Frauen mit dem Auto auf den Hof rollen, um sie wieder abzuholen. Auch jüngere Gäste wissen die Kneipe zu schätzen, gerne auch, um in der gemütlichen Atmosphäre die gute Küche zu genießen. Gegen 22 Uhr ist Schluss, am Wochenende wird es schon mal später, &bdquo;halt so lange Betrieb ist“, sagt Anja Limberg gelassen, &bdquo;das ist mir eigentlich egal“.

Auch die Restaurantgäste nehmen noch gerne einen Absacker in gemütlicher Runde, doch die wilden Kneipenzeiten, die sind wohl vorbei. Damals, als die Gäste morgens aus dem Krug torkelten und vom Laden auf der anderen Seite des Flurs gleich noch die Brötchen mitnahmen. Wenig geändert hat sich allerdings an den Gesprächen: &bdquo;Da geht es um Damen, um Bundeswehr, um den Ort und natürlich auch immer wieder um Politik. Auch, wenn ich versuche, die draußen zu halten“, greift die resolute Wirtin durchaus ins Geschehen ein und hat dabei kein Problem, auch schlüpfrige Anekdoten zu parieren.

Gemeinsam mit Mutter und Chefin Hildegard, vier festen Mitarbeitern, 15 Aushilfen und zwei Azubis schmeißt sie den Betrieb. Kneipe, Laden, Restaurant - der kleine, ganz eigene Kosmos vom Leeser Krug.

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