Laumann bei Lanz: "In Lippe gibt es keine Ausgangssperre mehr"

Kreis Lippe. Huch. Mit seinem Statement zu Ausgangssperren dürfte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwochabend bei Markus Lanz für einige erstaunte Gesichter unter lippischen Zuschauern gesorgt haben. Dem einen oder anderen Mitarbeiter der Kreisverwaltung ist beim gemütlichen Fernsehabend vermutlich die Kinnlade heruntergefallen. Zumindest wäre ein kurzer Schreck nachvollziehbar gewesen. Schließlich hat der Gesundheitsminister in der Talkshow sehr deutlich gemacht, dass in NRW keine Ausgangssperren mehr gelten. Nirgendwo! Ach, nein?

&bdquo;Wir hatten Ausgangssperren, zum Beispiel im Kreis Lippe oder in Minden-Lübbecke, aber die Inzidenzwerte liegen schon länger unter einem Wert von 200", sagte Karl-Josef Laumann bei Lanz. Und das heiße zwangsläufig, die Beschränkungen müssten aufgehoben werden. Bei einem konstanten Wert unter der kritischen 200er-Marke sehe die Rechtsauffassung in NRW Ausgangssperren nicht mehr als das &bdquo;mildere Mittel" an, betonte Laumann in der Talkshow. Das gelte natürlich genauso für die Nachbarkreise.

Kreis sucht nach "Zwischenregelung" Für den Kreis Lippe kam die öffentliche Aussage des Gesundheitsministers mehr als überraschend, gibt Pressesprecher Steffen Adams zu. Eigentlich habe man sich erst zum Wochenende mit dem Ministerium neu abstimmen wollen, durch den irritierenden TV-Auftritt müsse nun schneller eine &bdquo;Zwischenregelung" her. Stand jetzt gilt die Ausgangssperre für Lippe aber weiter, schließlich muss der Kreis sie innerhalb der Allgemeinverfügung erst einmal aufheben. Und das sieht derzeit nicht danach aus. &bdquo;Die Hochrechnungen deuten an, dass die Zahlen bald wieder weit über die 200er-Werte steigen werden", sagt Adams. Von einer nachhaltigen Entwicklung mit niedrigem Inzidenzwert könne daher keine Rede sein, und eine Lockerung rücke somit in die Ferne.

Scheint so, als ob selbst ein Gesundheitsminister sich im Fernsehen gelegentlich zu weit aus dem Fenster lehnt. Rein juristisch habe das Statement in der Talkshow zumindest keine Relevanz, sagt der Detmolder Rechtsanwalt und Notar Marc-Daniel Volk. &bdquo;Formell bedeutet das rein gar nichts." Solange der Kreis nicht tätig wird, gelte die Ausgangssperre weiter. &bdquo;Es könnte bei so einer Aussage höchstens vor Gericht interessant werden, wenn Bürger Einspruch gegen Bußgeldbescheide einlegen", meint Volk. Der Rechtsanwalt steht der Ausgangssperre kritisch gegenüber, hält sie sogar für nicht verfassungsgemäß. Es sei verwunderlich, dass die Kreisverwaltung bislang keine eigenen Anstalten unternommen habe, die stark in die Freiheitsrechte des Einzelnen eingreifenden Maßnahmen wieder zurückzufahren. &bdquo;Auch wenn Gerichte in der momentanen Situation vieles durchwinken, ist die Ausgangssperre meiner Meinung nach nicht mit unserer Verfassung zu vereinbaren." Angesichts des deutlichen Rückgangs der Inzidenzwerte lägen die rechtlichen Voraussetzungen, um die Ausgangssperre aufrechtzuerhalten, nicht mehr vor. Genau das habe der Gesundheitsminister im TV gesagt.

Marc-Daniel Volk hält die Ausgangssperre weder für erforderlich noch für angemessen. &bdquo;Auch weil es effektivere Methoden gibt, um Kontakte zu reduzieren." Man müsse sich vor Augen halten, was die Regelung bedeutet. &bdquo;Es handelt sich letztendlich um nächtlichen Hausarrest. Das ist ein herber Einschnitt in unsere Freiheit."

Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums laufen die Ausgangssperren in Lippe und den vier weiteren Kommunen in NRW (Minden-Lübbecke, Herford, Solingen und Oberhausen) bis spätestens zum 11. Januar aus, sofern sich das Infektionsgeschehen nicht jeweils wieder verschärft. Laumanns Aussagen im TV seien aber ein Missverständnis. &bdquo;Der Minister hat seine Ausführungen zur 200er-Inzidenz und zur 15-Kilometer-Regelung mit den Ausführungen zu Ausgangssperren vermischt", heißt es von Pressesprecher Axel Birkenkämper.

Verschiedene Interpretationen &bdquo;Zwei Juristen, drei Meinungen" lautet ein gängiger Spruch unter Anwälten. Darauf spielt auch Rechtsanwalt Marc-Daniel Volk an, wenn es um die Legitimation der Ausgangssperrenregelung geht. &bdquo;Es gibt bestimmt Kollegen, die anders argumentieren", sagt er. Der 34-Jährige sieht aber wichtige Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nicht gegeben. Die Ausgangssperre sei zum Beispiel nur eine mittelbare Maßnahme. Wenn private Zusammenkünfte verhindert werden sollen, dann wäre es laut Volk doch effektiver, die Kontaktbeschränkungen auch auf private Räume anzuwenden, &bdquo;als mit Ausgangssperren zu versuchen, an sich legale Treffen in Privaträumen zu verhindern."

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