Kreis Lippe. Die Welt trauert um Elizabeth II., die am Donnerstagnachmittag im Alter von 96 Jahren verstorben ist. Einige ältere Lipperinnen und Lipper dürften sich noch an ihre Reise am 4. Dezember 1980 nach Lemgo erinnern. Die britische Königin besuchte damals das 1. Bataillon der „Royal Welsh Fusiliers“ in der Stornoway-Kaserne am Spiegelberg, die 1993 nach dem Abzug der Soldaten geschlossen wurde. Es war das erste Mal, dass die Queen als Ehrenoberst „ihr“ Regiment besuchte, heißt es auf der Homepage des Stadtarchivs Lemgo zu dem besonderen Tag. Und weiter: In der örtlichen Presse war bereits von einem „Jahrhundertereignis“ die Rede, obwohl der Schwerpunkt des Besuchs weniger bei der Stadt als auf den Aufenthalt bei den Soldaten lag. Dazu gehörten die Inspektion einer Ehrengarde, der Besuch der damaligen britischen Grundschule und der Unterkünfte der Soldaten. Nach dem stark durchgetakteten Ablaufplan hielt sich die Königin nicht länger als 25 Minuten im Lemgoer Rathaus auf, während die gesamte Lemgo-Visite mit knapp sechs Stunden geplant war. Im Rathaus trug sie sich ins Goldene Buch der alten Hansestadt ein. Zeitzeuge erinnert sich „Wir durften uns vorher aufstellen, dann kam die Queen nach einigen Minuten zusammen mit Bürgermeister Reinhard Wilmbusse in den Saal“, erinnert sich Zeitzeuge Karl-Heinz Richter. Der damals 42-Jährige saß für die CDU im Lemgoer Rat, der für den kurzen Besuch im Rathaus von Elizabeth II. vollzählig angetreten war. „Die ungemein zierliche Königin machte einen sehr netten, freundlichen Eindruck“, erinnert sich der heute 84-Jährige. „Das Bild vom Eintrag ins Goldene Buch der Stadt steht heute noch auf meinem Schreibtisch. Leider bin ich der einzige, der von den abgebildeten Personen noch lebt“, so Richter. In den vorbereitenden Anweisungen für den Besuch der Queen gab es damals übrigens den ausdrücklichen Hinweis, Jackett, Oberhemd und Krawatte zu tragen. Die Königin selbst durfte zudem nicht mit Glas fotografiert werden, und man durfte sich ihr mit der Kamera nicht mehr als bis auf vier Meter nähern, heißt es auf der Homepage des Stadtarchivs Lemgo. Station in Oerlinghausen Tags zuvor hatte die Queen in einem anderen lippischen Ort Station gemacht – in Oerlinghausen, und dies war im Gegensatz zu dem Besuch in Lemgo eine geheime Kommandosache. Am frühen Abend rauschte ein schwarzer Rolls Royce in die Hanegge, dort wo heute die Firma Oetker beginnt. Die Limousine fuhr auf den eingezäunten Hof eines großen Wohnhauses, und es entstieg eine zierliche Person im schwarzen Pelzmantel: Elisabeth II. Nur wenige Oerlinghauser wussten davon, die Stadtoberen, die Polizei und ein Redakteur dieser Zeitung. Der Journalist Dieter Burkamp war stets gut vernetzt mit den Behörden, hatte von der Nachricht Wind bekommen und stand mit schussbereiter Kamera in der Dunkelheit an der Hanegge vor dem Spearhead House. Denn hinein durfte er nicht. Rund zwei Dutzend Bürger, die kurz zuvor vom royalen Besuch erfuhren, hatten sich an der Straße eingefunden und harrten im leichten Schneetreiben aus, um einen Blick auf die Monarchin zu erhaschen. Morgendliche Militärvisite „Welch ein Tag für die Bergstadt“, formulierte Burkamp am nächsten Tag fröhlich, doch seine Berichte schrieb er vor allem nach Erzählungen von zwei Oerlinghauser Gästen. Der damalige Bürgermeister Erich Diekhof und Stadtdirektor Fritz Bollhorst zählten mit ihren Ehefrauen zu den auserwählten Besuchern beim Empfang der Queen im Spearhead House, dem Wohnsitz des britischen Brigadegenerals Bagwall. Diesen nutzte die Queen damals als Übernachtungsmöglichkeit vor der morgendlichen Militärvisite. Ein Aufenthalt im Privathaus des Generals war für das Protokoll für einen so kurzen und weitgehend geheim gehaltenen Besuch leichter zu organisieren, denn die Villa gehörte zum britischen Sicherheitsbereich. Zum Empfang, den General Bagwall und sein Offizierskorps am Abend vorbereitet hatten, waren von deutscher Seite nur die obersten Repräsentanten der Bergstadt eingeladen. Bürgermeister Diekhof und Stadtdirektor Bollhorst brachten das Goldene Buch gleich mit. Elisabeth II. unterschrieb mit einem goldenen Füllfederhalter eine Widmung an die Bürger der Stadt. Small Talk und Gin Tonic Und auch die wichtigste Frage des königlichen Empfangs klärte der Artikel am nächsten Tag auf, die Garderobe der Queen. „Nachdem sie ihren Pelz von der Fahrt angelegt hatte, trug sie eine schwarze Pelzkappe und ein schlichtes rotes Wollkleid“, schrieb Dieter Burkamp. Die Kunst des britischen Smalltalk beherrschten die Oerlinghauser Gäste perfekt. Bei einem Gin Tonic unterhielt sich die Queen mit den Ehefrauen der Stadtoberen über Kindergärten und Kindererziehung. Und in lockerem Gespräch informierten Diekhof und Bollhorst den königlichen Gast über den europaweit berühmten Segelflugplatz. Die Abfahrt der Queen nach Lemgo am nächsten Morgen gestaltete sich weitaus spektakulärer. Als der schwarze Rolls Royce, der eigens von England eingeflogen worden war, die Hanegge verließ, bildeten etwa 600 englische Schulkinder ein buntes, Fähnchen schwingendes Spalier. Etwa 1000 britische Soldaten, die vor allem in Bielefeld stationiert waren, lebten mit ihren Familien seit 1964 in der Oerlinghauser Südstadt. Mit der deutlichen Verringerung der britischen Streitkräfte in OWL verließen sie Mitte der 1990er Jahre die Bergstadt.