Krebs-Diagnose nach Inkontinenz: "Nicht das Ende der Welt"

Detmold. "Inkontinenz ist nicht das Ende der Welt", sagt Dr. Ulrich Teichert und lacht. Der Horn-Bad Meinberger hat Urlaubsbräune an den Armen und im Gesicht, kein Gramm zuviel am Körper, wirkt er fit wie der berühmte Turnschuh, wenn er da so im Sprechzimmer von Professor Dr. Karl-Dietrich Sievert sitzt. Kaum zu glauben, dass eine komplizierte Krebs-OP erst wenige Monate her ist. Sievert hatte seinem Kollegen Blase und Prostata entfernen müssen.

Ja, seinem Kollegen. Ulrich Teichert hat 31 Jahre als Hausarzt gearbeitet, viele Lipper kennen ihn gut; der 73-Jährige war auch Leiter der Bezirksstelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Mehr als drei Jahrzehnte hat er seine Patienten untersucht, sie zur regelmäßigen Vorsorge ermahnt, zum Urologen überwiesen - und ist selber zur Vorsorge gegangen. "Es fängt harmlos an. Rote Blutkörperchen im Urin. Sie gehen irgendwann zum Arzt." Ersten Untersuchungen, Blasenspiegelung, CT und Auskratzungen seien vor einem Jahr die Diagnose und bald darauf klare Worte gefolgt: "Sie haben Blasenkrebs. Der ist so nicht wegzubekommen. Wir müssen die Blase 'rausnehmen."

Auch die Prostata ist oft betroffen Professor Sievert hatte diese klaren Worte gesprochen. "Typischerweise" habe er bei Teichert nicht nur die Blase, sondern auch die Prostata entfernt, sagt er, "denn in einem Viertel aller Fälle ist die auch betroffen." Sievert weiß um die Sorgen und Ängste der Patienten, wenn es darum geht, dass die Blase entfernt werden müsse. Gibt es einen künstlichen Ausgang? Wie komme ich damit klar? Was ist mit der Sexualität? Mit der Hygiene, kann ich noch schwimmen gehen... Doch der Urologe weitet den Blick über diese unmittelbaren Fragen: "Entscheidend ist doch: Was passiert, wenn man es nicht machen lässt?", sagt er. Der Krebs muss raus; und bilden sich erst Metastasen in den Lymphknoten, verkürzt sich die Lebenserwartung obendrein um ein Vielfaches. "Das ist wie bei einer Fahrt auf der Autobahn: Verpassen Sie die Ausfahrt, kann es zu spät sein."

Ulrich Teichert hat keinen künstlichen Ausgang bekommen, sondern eine neue Blase - geformt aus einem 40 bis 60 Zentimeter langen Stück Dünndarm, angedockt an Niere und Harnleiter. Diese Methode wird eher bei Jüngeren angewandt, sagt Sievert, 30 bis 40 Blasen-Entnahmen gibt es im Jahr, f ast ausnahmslos robotisch. D ie OP dauert lange, vier bis sechs Stunden, die Patienten liegen mit dem Kopf nach unten - eine große Herausforderung für Anästhesisten und das ganze eingespielte Team.

"Eine neue Blase können wir nicht jedem anbieten. Ältere Patienten bekommen eher einen künstlichen Ausgang." Der Professor betont, dass die Darm-OP der riskantere Teil des Eingriffs sei, bei Patienten über 80 mache er das nicht mehr - "da geht es um die Folgen der Darm-OP und damit um Lebensqualität. Und auch mit einem Beutel kommen Sie heute sehr gut klar. Da können Sie sogar mit schwimmen gehen."

Alle Vierteljahr zur Kontrolle Bei ihm habe alles "wunderbar geklappt", sagt Teichert. Sich in Detmold operieren zu lassen, sei genau die richtige Wahl gewesen. "Wir haben doch hier die Kompetenz vor Ort." Er war nur anderthalb Wochen im Krankenhaus und in der Reha lernte er, den Schließmuskel zu trainieren. Über Tag ist er jetzt trocken, in den meisten Nächten auch. Alle Vierteljahr geht er zur Kontrolle.

Dass er so schnell wieder fit geworden sei - dies dauert sonst ein Jahr -, verdanke er auch der guten körperlichen Konstitution. Dem Sport sei Dank. Klar habe es eine Zeit gedauert, bis die Koordination wieder gestimmt habe. Aber vor ein paar Tagen hat er das erste Mal wieder Tennis gespielt. Die Hecke geschnitten. "Nicht mehr sechs Stunden habe ich am Stück gearbeitet. Ich muss die Ansprüche schon zurückschrauben, aber das ist kein Problem."

Seit März Uni-Klinik Universitätsprofessor Dr. Karl-Dietrich Sievert arbeitet seit 2019 in leitender Funktion in der Klinik für Urologie am Klinikum Lippe, die seit März Uni-Klinik und damit Lehrklinik für Medizinstudenten der Universität Bielefeld ist. Sievert ist seit einem Jahr Chefarzt. Im März hatte er den Ruf der Universität Bielefeld auf die Professur für Urologie angenommen. "Das ist ein gewaltiger Schritt vom Krankenhaus der Maximalversorgung zur Uniklinik", sagt er. Dass er den Staffelstab von Alfons Gunnemann übernehmen werde, habe sich bei seinem Wechsel nach Lippe abgezeichnet, es sei sein Ziel gewesen. Unversitäre Abläufe kenne er aus Tübingen, Lübeck und Salzburg. Das uro-onkologische Zentrum ist seit Juni 2022 durch die Deutsche Krebsgesellschaft als eines von 15 in NRW zertifiziert.

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