Kreis Lippe. Allein auf den Rat der Eltern zu hören, welcher Beruf oder Weg der richtige sein könnte, sollte nicht unbedingt die einzige Meinung in der Orientierungsphase sein. Daher ist es für einen jungen Menschen durchaus hilfreich, sich eine Fremdeinschätzung einzuholen. Tobias Haak ist Projektleiter des IHK-Programms „Passgenaue Besetzung", quasi dem hauseigenen „Parship" für Unternehmen und junge Menschen, die eine Berufsausbildung anstreben.
Nur Volltreffer zu landen, kann auch Tobias Haak zwar nicht garantieren, „aber es bringt Parteien zusammen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären", hebt er die Besonderheit seiner Position hervor. Viele kleine und mittelständische Betriebe (bis zu 250 Mitarbeiter und 50 Millionen Jahresumsatz) bilden derzeit eigenständig aus - und sind Jahr für Jahr auf der Suche nach passenden Bewerbern. An dem Projekt teilnehmende Unternehmen kommen mit ihren Anforderungen in seinen Vermittlungspool, auf den Tobias Haak Zugriff hat und daher genau weiß, wonach die Ausbildungsbetriebe suchen.
Berufsausbildung bietet aussichtsreiche Perspektiven
Für Tobias Haak ist entscheidend, bei den Jugendlichen den Anreiz einer Berufsausbildung hervorzuheben und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sich ihnen dadurch ergeben. So kann man zum Beispiel als sogenannter „Bachelor Professional" (als Meister oder als Fachwirt) nach dem Berufsbildungsgesetz später den gleichen Ausbildungsgrad erlangen, wie jemand, der nach dem Abitur ein Bachelorstudium abgeschlossen hat.
Mit Hilfe von ausführlichen Beratungsgesprächen kann sich Tobias Haak einen Eindruck von den Jugendlichen verschaffen, fragt nach ihren Vorstellungen, Zielen und entwickelt ein Gespür dafür, wie sich die Kandidaten selbst einschätzen. „Jeder hat irgendwelche Stärken, egal ob man eher in- oder extrovertiert ist. Dies gilt es herauszufinden", betont Haak.
„Vollkommen verständlich, wenn einem die Berufsorientierung nicht immer so leichtfällt"
Im Anschluss gebe es ein ehrliches Feedback. Ob die eigenen Vorstellungen und Stärken des Bewerbers gut mit dem angepeilten Berufsbild übereinstimmen - oder dem Kandidaten bzw. der Kandidatin vielleicht eher etwas anderes liegen würde. Aber Tobias Haak weiß aus eigener Erfahrung auch: „Manche Dinge passieren unvorhergesehen, manchmal merkt man auch erst mit der Zeit, was einem gefällt. Man hat heutzutage die Wahl aus hunderten Ausbildungsberufen. Daher ist es vollkommen verständlich, wenn einem die Berufsorientierung nicht immer so leichtfällt."
Daher ist es für Tobias Haak umso wichtiger, dass die Betriebe Orientierung bieten und ihr Anforderungsprofil auch nach außen hin gut sichtbar machen. Gemeinsam werden Möglichkeiten ausgelotet, um sich mit dem eigenen Angebot für Auszubildende interessant und auffindbar zu machen. Ob durch Social-Media-Kampagnen, über eine Karriereseite, Online-Stellenausschreibungen, Messe-Auftritte oder durch klassische Aufsteller - die Bandbreite an gezieltem Azubi-Marketing ist groß und hängt vom Unternehmen ab.
Unternehmen brauchen klares Azubi-Marketing
Haak rät: „Ein klares Azubi-Marketing ist wichtig, man muss als ausbildender Betrieb sichtbar sein, um an Auszubildende zu kommen. Eine Karriereseite auf der eigenen Homepage sollte daher grundsätzlich immer vorhanden sein. Für die Zielgruppe ist das oft die erste Anlaufmöglichkeit und stellt die erste Kontaktaufnahme her."
Abseits davon legt Tobias Haak den Betrieben immer ans Herz, Zusatzleistungen anzubieten oder bereits vorhandene offensiver zu bewerben. Denn: „Das Thema Wertschätzung ist nach wie vor unheimlich wichtig. Das kann ein Azubi von einem Betrieb erwarten. In welcher Form das geschieht, ist ganz unterschiedlich. Je nach Situation können das materielle Anreize oder genauso gut auch regelmäßige Events sein, die das Miteinander in der Belegschaft fördern." Hier hätten kleinere Betriebe durchaus einen Vorteil, da sie Benefits gezielter einsetzen können.
Grundsätzlich aber gilt: Du solltest eine Ausbildungsstelle finden, an deren Beruf du großes Interesse hast. Was danach passiert, entwickelt sich oft von selbst.
3 Fragen an: Tobias Haak
In welchen Beruf würden Sie gerne mal für einen Tag reinschnuppern?
Zum einen würde ich gerne mal die Abläufe im Finanzamt kennenlernen. Ich war Mathe gegenüber noch nie abgeneigt und fände es daher sehr hilfreich, sich beim Thema Steuern noch wesentlich besser auszukennen. Und weil ich privat gerne auch längere Strecken fahre und es mein Vater eine Zeit lang war: Berufskraftfahrer.
Was würden Sie von jetzt auf gleich an Bewerbungsverfahren abschaffen?
Unnötige Zeitfresser wie mehrere Bewerbungsintervalle, die den ganzen Prozess nur in die Länge ziehen, und das lange Warten seitens der Bewerber auf eine Zu- oder Absage. Ich wünsche mir mehr Offenheit für die jeweils andere Seite. Man muss einerseits offen sein für die Anforderungen des Betriebes, andererseits müssen die Betriebe aber auch offen für die Bewerber sein und keine perfekten Anschreiben erwarten, wenn sie zum Beispiel einen Industrie- oder Zerspanungsmechaniker suchen.
Welche Erwartungen hätten Sie, wenn Sie sich selbst als Azubi gegenübersitzen würden?
Dass diese Person all das mit Leidenschaft macht und dort jemand sitzt, der ein wirkliches Interesse daran hat, Betriebe und Azubis zusammenzubringen. Einen neutralen Ansprechpartner zu haben, um zu erfahren, ob der jeweilige Ausbildungsberuf mit meinen Erwartungen und Stärken übereinstimmt.