Männer und Brustkrebs: Mindestens einer erkrankt pro Jahr in Lippe

Kreis Lippe. Brustkrebs bekommen nur Frauen? Weit gefehlt. Ja, Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen, rund 70.000 erkranken in Deutschland etwa jährlich hieran. Und ja, bei Männern ist es eine der seltenen Krebserkrankungen. Und doch sind rein statistisch etwa ein bis zwei Männer in Lippe pro Jahr betroffen, weiß Prof. Dr. Beyhan Ataseven , Direktorin der Universitätsfrauenklinik am Klinikum Lippe. "Das Thema Mammakarzinom des Mannes wird in meinen Augen extrem stiefmütterlich behandelt und ist vielen Menschen gar nicht bewusst."

Kolja Thomas ist ein Mann, der an Brustkrebs erkrankte. "Für mich war das Thema Brustkrebs beim Mann nicht präsent", sagt auch er. 2014 stellte er Veränderungen an seiner Brust fest: "Die Brustwarze wurde hart" erinnert er sich. Das habe er aber in Verbindung mit der Neurofibromatose ( Wucherungen von verändertem Nervengewebe) gebracht, an der er leidet. Doch als die Brustwarze schwarz und noch härter wurde, dämmerte ihm ein anderer Grund dahinter. "Ich habe es checken lassen, der Arzt hat eine Probe genommen und dann war es relativ schnell klar." Es folgte eine OP, viele Gespräche mit den Ärzten, Chemo, Bestrahlung, etc. "Das ganze Programm eben."

Je später erkannt, desto schlechter die Prognose Bei Kolja Thomas wurde der Tumor früh erkannt, doch das sei nicht die Regel, weiß Prof. Ataseven. "Es gibt für Männer keine Früherkennung, wo auch die Brust mit einbezogen wird." Denn Brustkrebs bei Männern gilt nicht als wahrscheinlich und werde daher häufig erst erkannt, wenn bereits Lymphknoten befallen sind. Oder durch Zufall. Deshalb sei das Risiko bei Männern sowie die Sterblichkeit im Vergleich zu Frauen größer. Dabei sei die Prognose auf Heilung stadien- und altersabhängig, "und bei Männern genauso wie bei Frauen", sagt Prof. Ataseven. Ein Tumor werde eben nur später erkannt.

"Männer sind für das Thema Brustkrebs nicht sensibilisiert", betont auch Paloma Depping, niedergelassene Gynäkologin in Lage. Bei Veränderungen in der Brust würden Männer alles Mögliche in Erwägung ziehen oder das Thema verdrängen. Und genau das erhöhe das Risiko. Denn: Je eher der Tumor erkannt wird, desto besser die Prognose. Das 5-Jahres-Überleben liege in Stadium II bei 70 bis 90 Prozent, in Stadium III sinke es auf 30 Prozent (Metastasen nachweisbar).

Doch warum bekommen Männer seltener Brustkrebs? "Auch Männer haben eine Milchleiste, haben Brustwarzen und Brustdrüsengewebe", erklärt Prof. Ataseven, in der Regel sei dies allerdings deutlich weniger ausgeprägt als bei Frauen. Doch es könne entarten, der Drüsenkörper anschwellen. Risikofaktoren für Brustkrebs sind auch bei Männern unter anderem eine familiäre Vorbelastung mit Brustkrebs sowie ein erhöhter Östrogenspiegel, etwa in Folge von Fettleibigkeit, Leberfunktionsstörung oder Hodenerkrankung.

Auch Männer bekommen Hormone "Die Therapie zur Behandlung bei Brustkrebs ist bei Frauen und Männern gleich", sagt Prof. Ataseven, die bereits einige Männer mit Brustkrebs behandelt habe. Chemotherapie, Bestrahlung, Hormontherapie, Medikamente - Ausschlag für die Behandlung gebe die Krankheit, nicht das Geschlecht. "Die Therapie des männlichen Mammakarzinoms liegt in der Hand der Gynäkologen", sagt sie. Und doch liegen genau hier Probleme, wie Paloma Depping ergänzt. Auch sie habe schon Männer mit Brustkrebs gesehen. Aber: "Niedergelassene Gynäkologen dürfen keine Männer behandeln."

Zudem gehöre ein Mann nicht in eine Frauenarztpraxis - zumindest nicht als Patient. "Hier fühlt er sich deplatziert. Und wir können Behandlungen wie einen Brustultraschall bei Männern nicht abrechnen", erklärt sie. Eine Möglichkeit sei es aber, dass der Hausarzt den Patienten zum Radiologen schickt und dieser dann Ultraschall und Co. übernimmt. "Wichtig ist, dass der Mann zügig behandelt wird."

Männer müssen sensibilisiert werden Auch Kolja Thomas habe die Medikamente genommen, die Frauen mit Brustkrebs bekommen. Sechs Jahre lang. Ursprünglich vom Arzt in der Klinik verordnet, habe er das Rezept hierfür von seinem Hausarzt bekommen. Auch Nebenwirkungen habe er mit dem Medikament in Verbindung gebracht, etwa Schlafstörungen. Andere Nebenwirkungen der Medikamente können laut der Ärztin Hitzewallungen, Knochenschmerzen, Myalgie ( Muskelschmerzen ), Fatigue (Erschöpfungssyndrom) oder sexuelle Dysfunktion sein - und unter denen können auch Männer leiden.

Die Ärztinnen sind sich einig: Männer müssen für das Thema Brustkrebs sensibilisiert werden. Denn je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf Heilung. Deshalb: Auch Männer sollten - wie Frauen - ihre Brust abtasten und Veränderungen nicht einfach abtun.

Ein Prozent sind Männer Laut Robert Koch Institut liegt das Risiko für Männer an einem Mammakarzinom zu erkranken bei etwa ein Prozent aller Brustkrebsfälle. Im Jahr 2020 waren es 750 Fälle in Deutschland, 192 Männer starben an den Folgen.

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