Falsche Inobhutnahme: Gutachterin aus Dörentrup zahlt 35.000 Euro Schmerzensgeld

Detmold/ Bielefeld. Die verlorene Zeit mit seiner Tochter kann Niki Abbe (37) kein Geld der Welt wieder zurückholen. Dennoch ist dem Vater die Erleichterung anzusehen, als er seine Lebensgefährtin und die Kinder auf dem Gerichtsflur des Landgerichts Detmold in die Arme schließt. Er hatte gegen eine Sachverständige aus Dörentrup geklagt, nach deren Gutachten sein Kind vorübergehend unrechtmäßig aus der Familie genommen wurde.

Knapp eine Stunde dauert der Verhandlungstermin, bis es am Ende tatsächlich zum Vergleich kommt, dem beide Parteien zustimmen. Insgesamt 35.000 Euro hält die 4. Zivilkammer unter dem Vorsitz von Richterin Sabine Diekmann als Schmerzensgeld für angemessen. Die lippische Sachverständige soll das Geld an den Vater und seine heute siebenjährige Tochter Pamela zahlen. Im Vorfeld hatte das Gericht ein schriftliches Sachverständigengutachten und ein Ergänzungsgutachten als Beweis eingeholt, von denen beide die Analyse der beklagten Gutachterin als &bdquo;mangelhaft“ bewerteten.

Jahrelanger Rechtsstreit um kleines Mädchen Hinter dem Fall liegt ein jahrelanger Rechtsstreit. Die Gutachterin hatte im Jahr 2018 ein nachweislich &bdquo;grob falsches Gutachten“ erstattet, woraufhin das Familiengericht Bielefeld das damals anderthalbjährige Kind in Obhut genommen hatte. 19 Monate wächst Pamela anschließend in einer Pflegefamilie auf, bis das Oberlandesgericht Hamm dem Vater im November 2019 letztendlich wieder das alleinige Sorgerecht für das Mädchen überträgt.

&bdquo;Die Gerechtigkeit hat gesiegt“, sagt Rechtsanwalt Bernd Wegener am Donnerstagmittag auf dem Flur. Er vertritt Vater und Tochter bereits seit Jahren, hatte uin diesem Fall schon erfolgreich gegen das zuständige Bielefelder Jugendamt und einen Verfahrenspfleger geklagt, die das Mädchen den Eltern wohl damals noch im Gerichtssaal aus den Armen gerissen haben sollen. Erst im März 2023 verurteilte das Landgericht Bielefeld beide Parteien dazu, 7000 Euro Schmerzensgeld an Vater und Kind zu zahlen. Weil der Anwalt die Summe immer noch für zu gering hält, liegt die Sache aktuell beim Oberlandesgericht in Hamm in der Berufung.

Nun stand die Gutachterin vor dem Zivilgericht in Detmold selbst im Fokus. Ob eine Sachverständige für eine falsche Analyse tatsächlich persönlich belangt werden kann, dafür gibt es laut Rechtsanwalt Bernd Wegener noch keine allgemeingültige Rechtssicherheit. Genau deshalb wäre Wegener in diesem &bdquo;einzigartigen Verfahren“ am liebsten mit Urteil bis in die letzte gerichtliche Instanz gezogen. &bdquo;Es muss doch endlich mal rechtlich geklärt werden, was mit Kindern passiert, die fälschlicherweise in Obhut genommen werden“, sagt Wegener. Schließlich stiegen die Zahlen solcher Fälle immer weiter an.

Kläger und Beklagte einigen sich auf Vergleich Für den Vater Nikki Abbe, der längst wieder mit seiner Tochter vereint ist und gemeinsam mit der sechsköpfigen Patchworkfamilie weiter in Bielefeld lebt, geht es aber nicht ums Prinzip. Er arbeitet beim Paketdienst, muss an seine Familie denken. &bdquo;Mich hätte ein Urteil interessiert, aber mein Mandant könnte das Geld für seine Familie gut gebrauchen, deshalb stimmen wir zu“, sagt Rechtsanwalt Bernd Wegener im Sitzungssaal.

Die Gutachterin selbst kommt aus Krankheitsgründen nicht selbst zur Verhandlung, daher muss ihr Rechtsanwalt Friedbert Teutenberg aus Bielefeld in der Verhandlungspause einiges an telefonischer Überzeugungsarbeit leisten. &bdquo;Wir sind nicht einer Meinung gewesen“, sagt er. Nach einer kurzen Pause fügt Teutenberg hinzu: &bdquo;Sie ist aber bereit, den Vergleichsvorschlag anzunehmen.“ Seine Mandantin selbst habe sich ursprünglich eine Summe von 5000 Euro vorgestellt, hatte Teutenberg noch eingeführt, kurz bevor sich die Kammer zur Beratung zurückzieht.

Nach wenigen Minuten macht die Kammer einen Vergleichsvorschlag, der 15.000 Euro höher liegt als der vorherige. Schon beim ersten Verhandlungstermin hatte das Gericht eine Summe von 20.000 Euro vorgeschlagen, die Gutachterin lehnte damals ab. Nun soll die beklagte Frau 35.000 Euro zahlen. 20.000 Euro stünden aus Sicht der Kammer dem Kind zu, sagt die Vorsitzende, weitere 15.000 Euro dem Vater. Einen Großteil der Kosten soll die Gutachterin übernehmen. Der ursprüngliche Streitwert lag bei 50.000 Euro. .

Gutachterin erkennt Schuld nicht an Ob eine Haftpflichtversicherung hinter der beklagten Gutachterin steht, beantwortet ihr Anwalt auf Nachfrage des Gerichts nicht. Ihm ist es aber wichtig, dass die Richterin den Vergleich mit den Worten &bdquo;ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im Erledigungsinteresse“ protokolliert. &bdquo;Die Gutachterin ist sich keiner Schuld bewusst“, resümiert dagegen Rechtsanwalt Bernd Wegener auf dem Flur.

Sein Mandant ist vor allem froh, dass es jetzt vorbei ist. &bdquo;Jetzt geht es mir gut“, sagt Nikki Abbe. Die kleine Pamela sitzt währenddessen mit leuchten Augen auf der Bank, ihre Geschwister turnen um sie herum. &bdquo;Ich geh jetzt in die zweite Klasse“, sagt das Mädchen. Und plötzlich ist die Normalität wieder hergestellt.

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