Mit diesen Bräuchen feiern die Lipper den Mai

Kreis Lippe. Es grünt und blüht überall – nicht zuletzt deswegen ist der Wonnemonat wohl so beliebt bei den Menschen. Kein Wunder also, dass der Mai vielerorts mit großer Freude willkommen geheißen wird. Der Tanz in den Mai und das Aufstellen eines Maibaumes sind wohl mit die bekanntesten, jedoch längst nicht die einzigen Bräuche, die dieser Monat mit sich bringt. Junge Leute ziehen mit dem Bollerwagen los, mancherorts erklingen Volkslieder beim gemeinsamen Maisingen oder eine Maikönigin wird auserkoren. Von Region zu Region und auch von Ort zu Ort werden verschiedene Maibräuche gelebt. Früher habe es davon noch einige mehr gegeben, wie Dr. Imke Tappe-Pollmann, Volkskundlerin am Lippischen Landesmuseum, weiß. Und manche dieser Rituale waren nicht nur nett.

Pfla nzen in die Erde bringen

&bdquo;Up Maidag mot olles in de Ern sein“ – nach dieser Bestellvorschrift hätten sich die Menschen früher gerichtet. In den 50er Jahren sei das im Norden und im Osten Lippes, etwa in Kalletal, Extertal und Schieder-Schwalenberg, ziemlich genau befolgt worden. &bdquo;Und ich denke, viele halten sich auch heute noch daran“, sagt die Volkskundlerin. Gemeint ist, dass der Garten bis zum 1. Mai umgegraben und gehackt sein musste, damit die Pflanzen in die Erde konnten. Und wehe, dem war nicht so...

Hexen verwüsten den Garten

Wer seinen Garten noch nicht oder nicht vollständig hergerichtet hatte, der bekam es mit den Hexen zu tun. Wie Tappe-Pollmann berichtet, haben sich um 1900 herum die jungen Erwachsenen in der Walpurgisnacht als Hexen verkleidet. Den Strunk des lippischen Braunkohls, der bis zu zwei Meter groß wird, hatten sie als Besen zweckentfremdet. In alten Nachthemden und mit Papiermasken auf dem Gesicht sind sie in den unfertigen Gärten herumgesprungen. &bdquo;Sie haben zum Beispiel die bereits umgegrabene Erde wieder festgetrampelt“, erzählt die Volkskundlerin. Es gebe auch Berichte, dass manch ein Gartenbesitzer so wütend geworden sei, dass er nach dem Luftgewehr gegriffen habe. Mancherorts habe auch ein so genannter Hexentaler entrichtet werden müssen, damit die Hexen mit den Verwüstungen aufhörten.

Später waren es nicht die jungen Erwachsenen, sondern die Kinder, die dieses Ritual weiterführten. 1933 sei es jedoch verboten worden. Tappe-Pollmann vermutet, dass das mit dem Nationalsozialismus zu tun hatte. Schließlich habe man nicht gewusst, wer sich unter den Masken verberge. Doch nicht überall habe man sich an das Verbot gehalten, so dass es in manchen Orten noch bis in die Nachkriegszeit Sitte gewesen sei.

Klappern bei kinderlosen Ehepaaren

Nicht nur Gartenbesitzer, auch kinderlose Ehepaare sind um 1900 herum einem Maibrauch zum Opfer gefallen. Die Volkskundlerin berichtet von dem sogenannten Maiklappern. So wurden die Häuser von Ehepaaren, die mindestens drei Jahre verheiratet gewesen waren und noch kein Kind bekommen hatten, in der Walpurgisnacht von jungen Erwachsenen umkreist. Sie schlugen Topfdeckel und Brettchen aneinander und knallten mit der Peitsche. &bdquo;Kinderlose Ehemänner mussten oftmals mit zum Klappern“, führt Dr. Imke Tappe-Pollmann weiter aus. In manchen Orten sei dieser Lärm auch auf den Bergen gemacht worden, so dass er bis ins Dorf hallte. Manchmal seien die jungen Leute auch ins Haus der kinderlosen Ehepaare gekommen und über Tische und Bänke gesprungen. Nach 1900 habe es dafür auch mal Anzeigen wegen nächtlicher Ruhestörung gegeben, wie die Volkskundlerin aus einem Bericht weiß. Doch Anzeigen seien selten gewesen, denn diese Bräuche hätten zu dieser Zeit einfach dazu gehört.

Hexen abwehren

Mit klappernden Topfdeckeln habe man auch versucht, die Hexen abzuwehren, wie die Volkskundlerin berichtet. Zur Abwehr der Hexen habe es auch noch mehr Rituale gegeben: Hufeisen wurden vor Pferdeställe gehängt und vor den Türen und an Gebälkköpfen Zeichen aufgemalt. &bdquo;Und die Liemer machten den Ziegenlämmern ein Teerkreuz auf den Rücken.“

Hexentrefforte

Einige Orte, meistens Berge, galten auch als Treffpunkte der Hexen. Der Hexenberg bei Lüdenhausen, der Hainberg bei Blomberg und der Köterberg, nennt Tappe-Pollmann als Beispiele. Dort hätten sich die Leute zum Feiern getroffen und einen Hexentanz gemacht.

Vieh wird auf die Weide getrieben

Der 1. Mai war früher auch traditionell der Tag, an dem die Tiere auf die Weide kamen. Solch einen Viehaustrieb dürfe man sich aber nicht wie die bekannten Almauftriebe vorstellen. Früher hätten viele Bauern nur ein oder zwei Tiere gehabt. Bei dem Austrieb habe es das Ritual gegeben, dass die Tiere über etwas Scharfes, etwa ein Beil, eine Schere oder ein Messer, steigen mussten. Was es mit diesem Aberglaube auf sich hatte, kann auch die Volkskundlerin nicht mit Bestimmtheit sagen.

Nicht vor den Eisheiligen pflanzen

Auch für das Aussäen und Pflanzen galten im Volksmund bestimmte Bräuche, nach denen sich die Menschen zum Teil noch bis heute richten würden, sagt Tappe-Pollmann. Und auch die spielen sich im Wonnemonat ab. So sollen etwa in der ersten Maiwoche keine dicken Bohnen ausgelegt werden, da sie sonst von Würmern befallen werden. &bdquo;Und bis heute hört man auf dem Markt auch immer wieder diesen Satz: Aber nicht vor den Eisheiligen pflanzen“, berichtet die Volkskundlerin und erklärt, dass die Eisheiligen ursprünglich vom 1. bis zum 5. Mai ihre Gedenktage hatten. Aufgrund der Reform vom julianischen zum gregorianischen Kalender hatten sich die Namenstage verschoben, so dass die Eisheiligen heute vom 11. bis zum 15. Mai stattfinden.

Bekannte Bauernregeln

Und so gibt es noch weitere Bauernregeln, die vom Wetter im Mai auf die Erträge der Landwirtschaft schließen: &bdquo;Wenn sich am Maitag der Rabe im Korn verstecken kann, gibt es einen reichen Sommer“, &bdquo;Ist der Mai kühl und nass, füllt sich Scheun und Fass“, &bdquo;Ist der Mai warm und trocken, kriegt der Bauer kleine Brocken“, &bdquo;Mairegen bringt Segen“, &bdquo;Grünt die Eiche vor der Esche, bringt der Sommer große Wäsche“ und &bdquo;Treibt die Esche vor der Eiche, hält der Sommer große Bleiche“, zählt Tappe-Pollmann auf.

Wenn der Kuckuck ruft

Ebenso spiele im Mai der Kuckuck eine Rolle. So habe es im Volksmund geheißen: Erst wenn der Kuckuck gerufen hat, darf man der Schinken angeschnitten werden, sonst bekommt er Würmer. Die Anzahl der Kuckuck-Rufe sollten auch Auskunft darüber geben, wie lange man lebe, wann man sich verliebe oder wie viel Geld man in der Tasche habe.

Der Maibaum wird aufgestellt

Viele der Bräuche von früher sind schon lange verschwunden. So hatte die Fachstelle Volkskunde des Lippischen Heimatbundes im Jahr 1989 eine große Umfrage zu Bräuchen im Jahreslauf gemacht. Dazu wurden unter anderem Vertreter verschiedener Ortsvereine in den Gemeinden befragt. So kannten diese auch nur noch die Bräuche, die zum Teil bis heute in Lippe Bestand haben, wie das Aufstellen des Maibaums, Maikundgebungen, Tanz in den Mai-Veranstaltungen, Maiwanderungen, Maisingen und die Krönung einer Maikönigin.

Und so werden die Lipper auch in diesem Jahr den Mai auf unterschiedliche Weise willkommen geheißen. So wird beispielsweise in Bad Salzuflen-Wüsten bereits seit Jahrzehnten einige Tage vor Beginn des Wonnemonats ein Maikranz hoch oben am sogenannten &bdquo;Zunftbaum“ in der Ortsmitte gehängt. Dabei hilft die Löschgruppe Wüsten der Freiwilligen Feuerwehr mit ihrer Drehleiter. Im Frühling verwandelt er sich in einen Maibaum. Und in der Walpurgisnacht werden auch die Externsteine wieder von spirituell inspirierten Besuchern aufgesucht, die gemeinsam musizieren und feiern.

Und mit welchem Brauch auch immer Sie den ersten Mai begehen, die LZ wünscht Ihnen viel Freude dabei.

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