Mord am Kind? Mutter offenbart sich Polizei in Detmold und hofft auf Vergebung

Detmold/ Horn-Bad Meinberg. &bdquo;Ich wollte um Vergebung bitten und dann nach Hause fahren.“ Die 38-jährige Angeklagte wirkt verstört, während sie diesen Satz spricht, schirmt ihr Gesicht schützend mit der Hand vor dem Zuschauerraum ab. Ihr fällt es sichtlich schwer, die Fragen des Vorsitzenden Richters zu beantworten. Schließlich geht es um den Tod ihres Kindes, den sie durch ihre eigenen Hände verursacht haben soll.

Dass die Polizei sie an diesem Tag Ende April direkt auf der Wache in Detmold festnehmen könnte, daran habe sie gar nicht gedacht. Kurz zuvor hatte die Mutter von sich aus gestanden, ihr sieben Tage altes Baby in der heimischen Doppelhaushälfte in Horn-Bad Meinberg getötet zu haben. Genau deshalb muss sich die Mutter derzeit wegen Mordes aus Heimtücke vor dem Landgericht Detmold verantworten.

Der Ehemann soll während der Tat mit einem der anderen Kinder im Zimmer nebenan geschlafen haben, darin sieht die Staatsanwaltschaft das Mordmerkmal bestätigt. Am dritten Prozesstag schließt das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer große Teile der Beweisaufnahme ab. Neben den Gutachterinnen sagen vorrangig Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen aus, die direkten Kontakt zur Angeklagten hatten. Plädoyers und Urteil sollen am Donnerstag folgen.

Geständnis der Mutter für das Verfahren maßgeblich Im Zentrum des gesamten Verfahrens steht das Geständnis der angeklagten Mutter. Die Obduktion des Kindes hatte nämlich keine eindeutige Todesursache ergeben. Zwar passten die körperlichen Befunde des Babys laut den Ergebnissen der Rechtsmedizinerin zu einem typischen Erstickungstod, genau wie der plötzliche Kindstod geht dieser aber nahezu &bdquo;spurenarm“ daher, sagt die Sachverständige. &bdquo;Die Organe waren dazu altersgerecht entwickelt und wir haben keine Anzeichen für akute innere Todesursachen gefunden.“

Zwischen 30 Sekunden und zwei Minuten würde es theoretisch dauern, jemanden zu ersticken, erklärt die Rechtsmedizinerin auf Nachfrage von Staatsanwältin Helena Fromme im Saal. Nach Aussage der Angeklagten soll die Frau mit dem Kind in der Nacht auf den 28. April &bdquo;völlig neben sich“ in den Keller gegangen sein, das Baby auf den Schoß gelegt und ihm mit beiden Händen Mund und Nase zugehalten haben. Reanimationsversuche des Vaters blieben vergeblich, die Verzweiflung ist in dem verschriftlichten, von der Mutter abgesetzten, Notruf dokumentiert, den die Kammer ebenfalls einführt. Zwei Tage später stellt sich die Mutter.

&bdquo;Wenn Sie sich nicht gemeldet hätten, hätte die Chance bestanden, dass die Ermittlungen eingestellt werden“, fasst der Richter zusammen. Weshalb sich die Mutter trotzdem stellte, möchte der Vorsitzende wissen und ob ihr Glaube dabei eine Rolle spielte, fragt er. &bdquo;Ich konnte gar nicht anders. Ich habe immer die Wahrheit gesagt“, antwortet die Angeklagte. Seit einer Totgeburt in der 20. Schwangerschaftswoche im Mai 2023 - nach zwei gesunden Kindern - hatte sich die Mutter ihrer Einlassung aus der vorherigen Sitzung nach in eine Spirale aus Angst und Panik gesteigert, mit dem nächsten Baby könne wieder etwas nicht stimmen. Im Moment vor der Tat habe sie die Nerven verloren. &bdquo;Es war der letzte Funke.“

Psychiaterin stellt Abwärtsspirale fest Dabei sei die Schwangerschaft unauffällig gelaufen, nach der Geburt des Kindes im April 2024 seien die Ängste dennoch stärker geworden. Zwei Stunden vor der Tat hatte die Horn-Bad Meinbergerin wach gelegen und mit dem Handy nach Symptomen für Trisomie 21 gesucht sowie Begriffe wie &bdquo;aktive Sterbehilfe straffrei bei Down-Syndrom“ und &bdquo;Telefonseelsorge“ eingegeben. Dass sie danach gesucht habe, daran könne sie sich erinnern, sagt die Mutter. &bdquo;Ich verstehe nur nicht, warum. Das macht keinen Sinn.“

Die psychiatrische Sachverständige Dr. Carola Spaniol aus Münster kann nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung eingeschränkt war. Zwar lasse sich keine forensisch relevante Störung ausmachen, die beschriebene Abwärtsspirale sei aber eine nachvollziehbare psychische Reaktion auf das traumatische Ereignis ein Jahr zuvor.

Die Totgeburt im Mai 2023 habe die Angeklagte nicht verarbeiten können, schätzt die Psychiaterin. &bdquo;Daraus haben sich massive Ängste entwickelt, die zu einer nicht zu durchbrechenden Überzeugung geführt haben.“ Selbst eine erneute Schwangerschaft habe den Teufelskreis nicht durchbrechen können. Ob das Neugeborene wirklich so passiv und &bdquo;anders“ gewesen sei als ihre anderen Kinder, könne die Gutachterin nicht feststellen. Die Berichte aus dem Krankenhaus deuteten auf nichts Ungewöhnliches hin.

Die Mutter stellt sich vor Gericht allen Fragen, das stellt ihre Verteidigerin Franziska Janßen klar, nur einen Satz streitet ihre Mandantin mit Nachdruck ab: Eine Polizeibeamtin ist sicher, dass die 38-Jährige aus der Wache geäußert haben soll, nie mehr als zwei Kinder gewollt zu haben. Der das Gespräch führende Kollege kann sich an den Satz nicht erinnern. Der Beamte erinnert dagegen, die Frau habe kurz vor der Festnahme gebeten, das Ganze wie einen plötzlichen Kindstod zu behandeln.

Sollte die Angeklagte den Satz mit den Kindern zumindest gedacht haben, wäre das aus Sicht der Psychiaterin glaubenstechnisch eine Erklärung dafür, weshalb die Mutter nach der Totgeburt so eine immense Schuld auf sich geladen habe. Aber das sei Spekulation, meint Dr. Spaniol. Wie der Fall zu werten ist, muss das Gericht entscheiden.

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