Zieglervereine in Lippe: Zwischen Tradition und Geselligkeit

Lemgo-Leese. Sind Zieglervereine ein typisch lippisches Phänomen? Zieglervereine gibt es in Lippe seit Ende des 19. Jahrhunderts, sie pflegen die Tradition der lippischen Wanderziegler, ebenso wie das Ziegeleimuseum in Lage. Und das, wo es in Lippe keine Ziegelei mehr gibt, seit das Kalletaler Unternehmen Bergmann seine Ziegelei geschlossen hat. Aber auch im Rintelner Raum gibt es Zieglervereine, wie zum Beispiel den Zieglerverein Möllenbeck-Hessendorf, der Anfang des Jahres dem Ziegler-Ring beigetreten ist. Martin Klaus aus Leese (61) ist Vorsitzender des Ziegler-Rings Lippe. Die LZ sprach mit ihm über Brauchtumspflege im Internetzeitalter.

Herr Klaus, wann wurden die Zieglervereine gegründet?

Martin Klaus: Die Gründung der meisten Vereine sind vom Ende des 19. Jahrhunderts datiert. Zum einen als Solidarvereine zur Unterstützung von &bdquo;unverschuldet in Not geratenen Zieglern“ oder deren Familien, etwa wenn ein Ziegler einen Unfall hatte. Zum anderen als &bdquo;Geselligkeitsvereine“, so Günter Rhiemeier in seiner Geschichte Leeses. Die machten im Winter, wenn die Ziegler zu Hause waren, in ihren Dörfern etwas los. So übten sie durchaus auch musikalische oder theatralische Darbietungen ein. Zieglerfeste fanden seinerzeit in der kalten Jahreszeit statt, wenn Zeit dafür war, denn vom Frühjahr bis in den Spätherbst waren die Ziegler &bdquo;auf Kampagne“. Das heißt, sie arbeiteten unter teils sehr widrigen Bedingungen auf einer Ziegelei irgendwo in Westeuropa.

Steckte hinter einem Zieglerverein womöglich auch eine politische &bdquo;Gesinnung“?

Martin Klaus: Sehr viele Dörfer in Lippe hatten ihren eigenen Zieglerverein, in Lemgo beispielsweise heute noch Entrup, Leese und Lieme. Bei Feiern besuchte man sich gegenseitig - oft zu Fuß. Die Obrigkeit unterstellte ihnen eine potenziell sozialistische Gesinnung, tatsächlich waren sie aber ausgesprochen kaisertreu.

Welche Rolle spielten Frauen bei den Zieglervereinen?

Martin Klaus: Frauen waren lange Zeit als Mitglieder nicht zugelassen, es sei denn, sie betrieben eine Gaststätte - wie etwa in Entrup den Krug. Mit dem Ende der Wanderziegelei um den Zweiten Weltkrieg herum verloren die Zieglervereine jedoch an Bedeutung und dementsprechend ging auch die Mitgliederzahl in der Folge zurück.

Also musste man Frauen irgendwann mal zulassen?

Martin Klaus: Ja, um dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken, wurden in den 70er- und 80-Jahren des 20. Jahrhunderts in den meisten Vereinen Frauen als Mitglieder zugelassen, außer in Brosen. Der Ziegler- und Heimatverein Entrup hat seit vielen Jahren einen frauendominierten Vorstand, der sehr erfolgreich arbeitet. In Bezug auf die Mitglieder verläuft die Entwicklung bei den Vereinen sehr unterschiedlich. Es gibt Vereine mit einem sehr hohen Anteil betagter Vereinsangehöriger, aber auch solche mit sehr vielen jungen Mitgliedern. Das hängt stark von den Gegebenheiten vor Ort ab.

Und Namensänderungen folgten nach dem &bdquo;Fortschritt“ mit den Frauen

Martin Klaus: Ja, ab den 1980er-Jahren haben sich zahlreiche Vereine verstärkt auch dem Thema Heimatpflege gewidmet und sich insofern auch eine aktuelle Bestimmung gegeben. Das schlug sich häufig in einer Anpassung des Namens nieder, etwa beim Selbecker, Entruper oder Leeser Verein, die sich nun &bdquo;Ziegler- und Heimatverein“ nennen. Das heißt auch, es geht nicht mehr nur um die Traditionspflege, sondern auch um die aktive Gestaltung und Pflege des Dorfes. Sehr erfolgreich etwa in Selbeck, wo der Verein in Eigenleistung mit Mitteln von Kreis und Land ein neues Dorfgemeinschaftshaus errichtet hat.

Was ist geblieben von der Tradition?

Martin Klaus: Die gibt es noch. Traditionspflege findet, so wie ich das erlebe, vor allem im Rahmen der Zieglerfeste statt. Da werden etwa bei den traditionellen Rundmärschen die Fahnen durchs Dorf getragen, in Ansprachen vor der Fahnenschmückung wird an das harte Los der lippischen Wanderziegler erinnert, und anschließend werden die Vereinsfahnen mit Fahnenbändern geschmückt. Da können dann im Laufe der mindestens 100 Jahre, die so ein Verein nun besteht, schon einige zusammenkommen. Währenddessen verlesen &bdquo;Ehrendamen“ die alten Zieglersprüche.

Wo lässt sich das nachlesen?

Martin Klaus: Viele Vereine unterhalten heute auch eine Webseite, auf der sie ihre Entstehungsgeschichte darstellen und damit auch an die Geschichte der lippischen Ziegler erinnern. Das Internet ist für die lippischen Ziegler also kein &bdquo;Neuland“ mehr, wie man sieht. Wir arbeiten nun daran, ein cloudbasiertes kollaboratives Handbuch zu erstellen, das von allen Vereinen gleichzeitig genutzt und ausgebaut werden kann. Übrigens werden die Zieglerfeste aufgrund ihrer Bedeutung für die Wahrung lippischen Kulturguts auch vom Landesverband Lippe unterstützt. Und nicht zu vergessen natürlich das große Engagement des Ziegeleimuseums in Lage, in dem die Arbeits- und Lebensbedingungen der lippischen Ziegler, gelegentlich auch bei laufenden Maschinen und angefeuertem Ringofen, schön dargestellt sind.

Welches Problem bekommt man auf Vereinsebene nicht so schnell in den Griff?

Martin Klaus: Wie bei vielen anderen Vereinen auch ist es oft ein Problem, einen neuen Vorstand zu finden, wenn der bisherige – häufig aus Altersgründen – nicht mehr zur Verfügung steht. Das gelingt nicht immer, weshalb einige Vereine auch schon die Fahne abgegeben haben, wie etwa der von Nalhof, oder mit dem örtlichen Heimatverein fusionierten, so in Talle.

Ziegler-Ring Lippe Zur besseren Koordination zwischen den Zieglervereinen wurde 1968 der Ziegler-Ring Lippe als Dachverein gegründet. Er fungiert einerseits eben als Kommunikationsplattform für die Vereine, andererseits als Schnittstelle insbesondere zum Landesverband Lippe. Die im Ziegler-Ring vertretenen Vereine, derzeit 15 an der Zahl, dürften zusammen rund 2500 Mitglieder haben. Martin Klaus wurde 2018 zum Vorsitzenden des Ziegler-Rings gewählt, nachdem sein Vorgänger aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung stand. Der Ziegler-Ring ist auch im Internet unter www.lemgo.app/vereinsseiten/ziegler-ring-lippe vertreten.

Ziegeleimuseum Gustav Beermann gründete 1909 zusammen mit dem Sylbacher Bauunternehmer Friedrich Bobe die Ziegelei Lage. Gemeinsam investierten sie in den Bau eines Ringofens. Die Ziegelei war ein Familienbetrieb. Die Söhne Friedel und Erich Beermann übernahmen Anfang der 1960er-Jahre die Ziegelei von ihrem Vater.

Die ehemalige Firmenvilla wurde 1922 an der Stelle eines Pferdestalls errichtet. In der Villa wohnten zunächst der Ziegeleibesitzer Gustav Beermann mit seiner Ehefrau Emilie und den fünf Kindern. Später zogen auch die beiden Söhne und Nachfolger Gustav Beermanns, Friedel und Erich, mit ihren Familien in das Haus ein.

Die Ziegelei Beermann war eine typische Ziegelei. Drei bis vier Millionen Ziegel produzierten die meisten der häufig familiengeführten Betriebe. 1979 stellte die Ziegelei ihren Betrieb ein.

Nach dem Tod des Enkels des Firmengründers Gustav Beermann im Jahr 2003 erwarb der Landschaftsverband Westfalen-Lippe das Gebäude von den Erben.

Seit mehr als 20 Jahren vermittelt das Museum Ziegelei Lage, wie die lippischen Ziegler gelebt und gearbeitet haben. Neben der historischen Fabrikstätte ist aus dieser Zeit die Villa Beermann erhalten, die Aufschluss über das Leben der Familie Beermann gibt.

Jeden Sonntag findet um 11 Uhr eine offene Führung durch die Ziegelei für Einzelbesucherinnen und Einzelbesucher statt. Die Teilnahme ist kostenfrei, es ist nur der Museumseintritt zu zahlen. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.

Das Museum hat zudem einen Förderverein. Die Broschüre &bdquo;Zieglerbote“ informiert über die Aktivitäten des Museums und des Vereins.

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