Streitgespräch zu Windrädern im Wald: Erfolgsprojekt oder zerstörter Lebensraum?

Kreis Lippe. D er Landesverband Lippe plant unter anderem in Horn-Bad Meinberg und in Schlangen 24 Windräder in zwei verschiedenen Projekten. Diese werden kritisch diskutiert. Ob und welche der Windräder tatsächlich errichtet werden dürfen, ist derzeit Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens beim Kreis.

Die LZ gibt heute zwei Gastautoren Gelegenheit zum Pro und Contra Windkraft im Wald: Brigitte Scheuer (Leiterin der Fachstelle Umweltschutz und Landschaftspflege beim Lippischen Heimatbund) und Landesverbandsvorsteher Jörg Düning-Gast. Sie haben ihre ausführlichen und jüngst im &bdquo;Heimatland Lippe" (Zeitschrift des Landesverbandes und des Heimatbundes) erschienenen Stellungnahmen auf Bitten der LZ zusammengefasst.

Jörg Düning-Gast: &bdquo;Klimaneutral nur mit Windkraft" Der Klimawandel ist die drängendste Herausforderung unserer Zeit. Das größte Risiko für Naturschutz, Artenvielfalt und den Menschen ist die Klimaerwärmung. Wir müssen klimaneutral werden – dafür braucht es Windkraft. In Wäldern gibt es oft Standorte mit viel Wind, es ist leichter, weite Abstände zur Wohnbebauung einzuhalten. Die fünf Regierungsbezirke gehen mit dem Thema unterschiedlich um. Einige ermöglichen Windkraft im Wald, andere, wie der Regionalrat Detmold, haben sich dagegen entschieden. Kritiker bemängeln, dass Windräder im Wald ökologische Systeme stören.

Mit modernen Planungs- und Schutzmaßnahmen lassen sich jedoch die Folgen minimieren, etwa können Standorte so gewählt werden, dass sie keine seltenen Tier- oder Pflanzenarten stören. Während der Bauphase ist es möglich, Schneisen für die Anlieferung der Bauteile so zu planen, dass der Eingriff in die Natur möglichst gering bleibt. Zudem können die Flächen unter Windrädern aufgeforstet werden. Der heranwachsende, junge Wald erfüllt wieder wichtige ökologische Funktionen, etwa die Speicherung von CO2. Die Vorteile für den Klimaschutz überwiegen bei weitem die Folgen von potenziellen Eingriffen in Ökosysteme.

Grenzen für Windkraft im Wald : Der Landesentwicklungsplan ermöglicht Windkraft im Wald, wenn Standorte gewählt werden, wo der Nadelwald wegen Trockenheit und Borkenkäferbefall verschwunden ist. Diese Flächen sind verbindlich festgelegt und auf www.Energieatlas.nrw.de als Kalamitätsflächen finden. Der Landesverband hat nur solche Standorte vorgesehen. Wertvolle qualifizierte Naturschutzgebiete (NSG- oder FFH-Gebiete) werden natürlich ausgespart.

Touristische Interessen: Wesentliche negative Auswirkungen für den Tourismus sind nach bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten. Viele Menschen haben sich an den Anblick von Windrädern gewöhnt und fühlen sich durch sie weniger gestört. Daten und Analysen zeigen, dass nur ein sehr geringer Teil der Reisenden eine Region wegen des Windkraftausbaus meiden würde.

Gesellschaftlicher Nutzen: Windräder im Wald tragen zum Klimaschutz bei. Kommunen, in denen sie stehen, profitieren von Steuer- und Pachteinnahmen. Diese können der Stadtkasse allgemein, projektbezogen oder gezielt für Ortsteile zugutekommen. Anwohnende von Windkraftprojekten werden zum Ausgleich möglicher optischer Belastungen von geringeren Strompreisen oder anderen finanziellen Vorteilen profitieren.

In der Regel kommen sechsstellige Summen pro Jahr zusammen. Zusätzlich ist es möglich und beim Landesverband vorgesehen, dass sich Bürger beteiligen und so selbst Geld verdienen. Das erhöht die Akzeptanz und macht die Energiewende zu einem gemeinschaftlichen Erfolgsprojekt.

Motivation des Landesverbandes: Dem Landesverband wird häufig vorgeworfen, er &bdquo;wolle nur Einnahmen erzielen". Das stimmt, und genau das ist seine Aufgabe. Er soll das lippische Vermögen erhalten, aus seinen Erträgen das Kulturerbe finanzieren und für die Bevölkerung sowie Gäste und Touristen bereitstellen. Wie alle staatlichen Institutionen steht der Landesverband wegen steigender Kosten unter Druck.

Er hat deshalb in der Vergangenheit bereits in großem Umfang gespart und beispielsweise sein Personal seit den 1970er Jahren um mehr als 80 Prozent auf ca. 160 Mitarbeitende reduziert. Heute denkt er für jedes Grundstück darüber nach, wie die Wirtschaftlichkeit verbessert werden kann. Windenergie bietet dafür gute Chancen und kann eine wichtige Einnahmequelle werden. Zudem ist es dem Landesverband wichtig, seinen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten.

Langfristige Perspektive: Während fossile Energieträger das Klima schädigen, sind die Auswirkungen von Windkraft im Wald begrenzt und reversibel. Anlagen können nach ihrer Betriebszeit rückstandslos abgebaut werden, wo Fundamente waren, können Bäume wachsen. Außerdem werden Windräder dank der technologischen Entwicklung effizienter und umweltfreundlicher: In den vergangenen 20 Jahren hat sich die durchschnittliche Leistungsfähigkeit verzehnfacht. Künftig wird Speichertechnik dazu beitragen, die Versorgungssicherheit in windarmen Zeiten zu steigern. ?Rendite bleibt in Lippe: Nur, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird eine Genehmigung erteilt. Das ist in diesem Fall nicht einfach zu erreichen, da sich die Rechtslage im laufenden Verfahren mehrfach geändert hat.

Deshalb ist es in guter lippischer Tradition besonders wichtig, eine Lösung zu finden, mit der alle betroffenen Städte und Gemeinden jeweils für ihr Gebiet einverstanden sind. Eine Zeit lang waren die Meinungen kontrovers und scheinbar unversöhnlich. Jetzt wollen die Partner miteinander ins Gespräch kommen. Vielleicht sind Kompromisse möglich. Wenn am Ende Anlagen gebaut werden dürfen, bleiben die Renditen in Lippe – beim Landesverband, bei den Städten und Gemeinden und direkt bei den Lipperinnen und Lippern. Sie gehen nicht an anonyme Investoren oder Aktionäre.

Brigitte Scheuer: &bdquo;Gefahren für die Natur zu groß" Bei Planungen im Wald sind zahlreiche Schutz- und Nutzungsfunktionen zu beachten. Betroffen sind Flächen, die als Bereiche zum Schutz der Natur sowie den streng geschützten Biotop-Habitaten der Bielsteinschlucht und der Hohlsteinhöhle als &bdquo;Hotspots der Natur" geschützt sind. In ganz Deutschland gibt es nur 30 solche Hotspots. Die Bedeutung für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten im Biotopverbundsystem, unter anderem Rotmilan, Schwarzstorch, Wildkatze und Rotwild, aber auch Wanderfalken, Habichte und Bussarde – darunter zahlreiche Wespenbussarde – ist herausragend.

Wälder in Gefahr: Für die Laufzeit der Anlagen würden schützenswerte Wälder in ihrer Schutz- und Erholungsfunktion zerstört. Die Vielfalt der für die Bereiche zum Schutz der Natur in besondere Dichte vorhandene charakteristischer Arten, Populationen und Lebensräume würde unwiederbringlich aufgegeben. Wildkorridore, Flugschneisen, Klimaschneisen würden keine Rolle mehr spielen. Das Landschaftsbild würde zerstört. Anlagen von mehr als 260 Metern Höhe, also das Fünffache des Hermannsdenkmals von 53 Metern Höhe, wären der &bdquo;Blickfang" über Jahrzehnte.

Mit hohen Beträgen geförderte Infrastrukturmaßnahmen, die Touristen und Wanderer ziehen wollen, sind betroffen. Die Naturparkregion Teutoburger Wald Eggegebirge und seine Qualitätswanderwege werden in Frage gestellt. Schützenswerte Bereiche, wie Kammlagen auf den Mittelgebirgen, Bereiche zum Schutz der Natur und Biodiversität-Hotspots,werden aufgegeben. Langfristige Veränderungen der Natur und des Landschaftsbildes ohne Not, und ohne dass Bedarf für den Bau in diesen Bereichen besteht.

Wildwuchs vermeiden : Nach dem Regionalplan sind die Standorte nicht zulässig. Die Regionalplanung hat erkannt, worauf die Naturschützer seit Jahren hinweisen: Der Wildwuchs sollte vermieden werden. Deshalb fordert der Regionalplan, Teilplan Wind, der im zweiten Quartal erwartet wird, WEA in zusammenhängenden Flächen zu planen. Auch sollten sie sich in der Nähe von Netzen und Übergabestationen befinden. Ein Netzanschlusszwang ist vorgesehen, und die Strommenge ist unverzüglich ins Netz einzuspeisen.

Ein sicheres Geschäft: Dieser verstärkte und beschleunigte Netzausbau wird aber nicht so schnell zu realisieren sein. Planung, Grunderwerb und Ausbau brauchen Zeit. Eine faktische Überbelastung der Region mit Strom durch diese jeweils 6.000 kW-Anlagen ist nicht auszuschließen. Es müssen Übergabestationen und starke Leitungen, auch auf neuen Trassen, gebaut werden. Die Kosten trägt der Netzbetreiber. Finanziert werden diese Förder- und Baumaßnahmen durch den Bund, also durch die Steuerzahler – ein sicheres Geschäft.

Weitere Flächen benötigt: Nebenanlagen, Zuwegungen, Flächen zur Netzanbindung kommen hinzu. Während der Bauphase werden zusätzliche Flächen benötigt, die später zurückgebaut werden. Auch ist jeder Standort topographisch und geologisch anders, kann weitere Flächen in Anspruch nehmen – und das während der gesamten Nutzungszeit. Wenn also von 0,6 Hektar Flächeninanspruchnahme gesprochen wird, ist dies nicht richtig. Spätestens wenn sichtbar wird, wie groß der Flächenverbrauch tatsächlich ist, werden die Bürger das Ausmaß der Anlagen begreifen. Aktuell werden/wurden in Borchen-Etteln Anlagen dieses in Lippe geplanten Typ Enercon E 175 errichtet.

Ein Gigant von überwältigender Größe im Vergleich zu den Altanlagen – Monsteranlagen in schützenswerten Bereichen. Die Anträge sind aus Sicht der Betreiber nachvollziehbar. Sie bringen sicheres Geld nach dem EEG, und das für mindestens 20 Jahre. Tatsächlich wird die Baugenehmigung für die Betriebszeit des Anlagenmodells genehmigt, sie beträgt bis zu 30 Jahre (Enercon E 175 = 25 Jahre Betriebsdauer) und kann verlängert werden. Die Gewinnerwartungen über die Laufzeit von 30 Jahren und mehr werden über Genehmigungen gesichert. Für den Eigentümer der Fläche, der bis zu 100.000 Euro Pacht pro Jahr erwarten kann. Für den Betreiber, der über das EEG gefördert wird, sieht das Gesetz eine Förderung von 7,35 Cent pro Kilowattstunde für 20 Jahre vor. Also eine gesetzlich geregelte, sichere Einnahme.

Ausbau regulieren: Die Flächenziele von Bund und Land zur Ausweisung von Flächen zum WEA-Bau werden schon erfüllt. Alle Kommunen, Land- und Forstwirtschaft und weitere Träger öffentlicher Belange waren beteiligt, auch der Landesverband. Einig waren sich die Beteiligten bei der Erarbeitung des Teilplans Wind, den Ausbau im Außenbereich zu regulieren, Standorte zu konzentrieren und schützenswerte Bereiche auszunehmen. Kommunaler- und Bürgerwille sollten mit entscheiden.

Landesverband soll umdenken: Die Antragsflut, die eine mögliche Gesetzes&bdquo;lücke" ausschöpfen will, ist nicht zu akzeptieren. Ein Umdenken und eine Neuplanung auf &bdquo;zulässigen" Flächen ist notwendig. Der Landesverband ist aufgefordert, die kulturellen Belange und die Wohlfahrt der Bewohner im Bezirk des früheren Landes Lippe, entsprechend dem Gesetz über den Landesverband, zu fördern und nicht zu zerstören.

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