KiKa-Moderator rüttelt auf: Was Kinder und Eltern in Lippe über Mobbing wissen müssen

Lemgo. Was bei Mobbing zu tun ist, meinen viele Lehrkräfte und vor allem Eltern genau zu wissen: Den Täter zur Rede stellen, mit dem Opfer einen gemeinsamen Termin vereinbaren - Frieden stiften. Dass dieses Vorgehen meist nicht gut funktioniert, ist laut Tom Lehel längst wissenschaftlich belegt. Das Bauchgefühl betroffener Kinder, dass dadurch alles noch schlimmer werden könne, treffe leider oft zu, so der langjährige KiKa-Moderator, der sich seit 2018 mit einer eigenen Stiftung gegen Mobbing starkmacht. Was dagegen bewiesenermaßen helfe, sei Prävention. &bdquo;Wir müssen den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Kinder stärken“, so der Familienvater. Dafür betritt er auch an diesem Vormittag wieder die Bühne - diesmal auf Einladung des Vereins &bdquo;OWL zeigt Herz“ in der Turnhalle der Grundschule Kampstraße in Lemgo.

Kinder zum Eingreifen ermutigen &bdquo;Ich kann gar nicht glauben, dass jemand so Berühmtes heute hier auftritt“, sagt Hayder und klingt aufgeregt. Der Neunjährige hat mit seinen Klassenkameraden auf einer Holzbank aus dem Sportunterricht Platz genommen. An die 170 Dritt- und Viertklässler sind gekommen. Hayder ist, wie sein gleichaltriger Sitznachbar Jurij, ausgebildeter Streitschlichter. &bdquo;Wir lernen, auf dem Schulhof aufzupassen und Kinder bei Streit zu fragen, ob alles in Ordnung ist oder sie Hilfe brauchen“, so Hayder. Damit setzt die Grundschule bereits einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren aus Tom Lehels Programm um: Die Kinder selbst von stummen Beobachtern zu mutigen &bdquo;Respektoren“ zu machen - zu Menschen, die gemeinsam eingreifen, um jenen, denen es nicht gut geht, beizuspringen.

Dass es einen großen Unterschied gibt zwischen Streitigkeiten und Mobbing, stellt Lehel gleich zu Anfang klar. &bdquo;Wenn mein Kollege Tobi hier zu mir sagt, du siehst wieder aus wie eine geplatzte Klobürste, dann ist das eine Kabbelei“, erklärt Lehel seine Sicht unter dem Gelächter der Kinder. Gerade Jungs, doch auch Mädchen, würden sich untereinander vergleichen und Grenzen austesten. So weit, so normal, findet Lehel. Mobbing dagegen sei die systematische Erniedrigung einer Person über einen längeren Zeitraum. &bdquo;Sechs Monate“, nennt Lehel als Richtschnur. Er selbst hat dies als Kind und Jugendlicher durchgemacht, bis er eines Nachts per Autostopp aus dem Internat, in dem er damals lebte, abhaute. Erst da hätten seine Eltern ihn endlich ernstgenommen und einen schützenden Rettungsring um ihn gebaut.

Alleingelassen und &bdquo;der Welt egal“ Lehel bezeichnet Mobbing als Monster - und schiebt ein riesiges Stofftier, das er selbst entworfen hat, in einem rollbaren Käfig hinter der Bühne hervor. Das Monster stehe für das Mobbing selbst - &bdquo;nicht für den, der mobbt“, betont Lehel. Er will keinen Hass auf die Täter schüren, sondern das Phänomen selbst kaltstellen. &bdquo;Damit das Monster im Käfig bleibt, müsst ihr zusammenarbeiten“, ruft er den Kindern zu. Wer mobbt, wolle Macht. Es gebe sonst keinen tieferen Sinn. Und diese bekämen die Täter durch das Schweigen der stillen Beobachter. Es gebe diejenigen, die sich dem Mobbing anschließen, und sei es nur durch Lachen, wie Lehel anhand einer Szene mit einer Lehrerin, über die er sich erhebt, nachstellt. Und es gibt diejenigen, die aus Angst, selbst zum Opfer zu werden, schweigen.

&bdquo;Die Beobachter entscheiden, ob Mobbing passiert, oder nicht“, sagt Lehel. Denn das, was Mobbing zu einer lebenslangen Tortur für die Betroffenen mache, sei das Gefühl, dass keiner eingreife, keiner helfe - &bdquo;dass man der Welt egal ist“, so Lehel. Er selbst habe das Erlebte durch den Rückhalt seiner Familie gut verarbeiten können. Doch als sein Sohn eines Tages Ähnliches erleben musste, &bdquo;kam der ganze Mist wieder hoch“. Lehel schrieb daraufhin zwei Bücher zum Thema, gründete 2018 die Stiftung &bdquo;Mobbing stoppen! Kinder stärken!“, und tourt seitdem durchs Land, um Grundschulkinder aufzuklären. An die 40.000 Kinder hat er mit seinem mit mitreißenden Hiphop-Songs gespickten Programm bereits erreicht.

Neues Programm zum Cybermobbing Aktuell arbeiten Lehel und sein Team an einem neuen Programm zum Thema Cybermobbing. &bdquo;Social Media kann sehr gefährlich sein. Und viele Eltern sind damit völlig überfordert.“ Er appelliert an die Erwachsenen, ihre Verantwortung ernst und nicht, zum Beispiel aus Zeitmangel, auf die leichte Schulter zu nehmen. &bdquo;Das sind eure Kinder“, sagt er im Anschluss an seinen Auftritt. &bdquo;Ihr habt sie bekommen, ihr müsst euch auch um sie kümmern.“ Das Vermitteln von Respekt etwa könne nicht an die Schule delegiert werden. Es gehe nicht darum, die Kinder &bdquo;zu helikoptern“, so Lehel. Im Gegenteil, denn Überbehütung verhindere ein gesundes Gefühl von Selbstwirksamkeit. &bdquo;Leitplanken müssen wir Eltern sein“, findet Lehel. &bdquo;Ein Fels in der Brandung.“

Das Gefühl von Selbstwirksamkeit tragen die Kinder an diesem Tag aus der Turnhalle mit in ihr Schulleben. Wer mit 170 anderen gemeinsam aus voller Seele &bdquo;Du bist richtig“ gesungen und &bdquo;Stooooooooppp“ gebrüllt hat, der spürt, wie sich Gemeinschaft anfühlt - und findet hoffentlich den Mut, mit anderen &bdquo;auf der Welle des Respekts zu surfen“, wie Lehel sagt, und im richtigen Moment einzuschreiten.

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