„Der Ton wird rauer“: Wie lippische Ärzte mit verbalen und körperlichen Angriffen umgehen

Kreis Lippe. Schon mehrfach ist über Pöbeleien und Ausschreitungen gegenüber Rettungskräften und Helfern berichtet worden. Doch auch ein Hausarzt aus Spenge ist kürzlich von einem Patienten angegriffen und verprügelt worden - in seiner eigenen Praxis. Das sei eine Ausnahme, weiß der Detmolder Allgemeinmediziner Karl Arne Faust, regionaler Leiter der Ärztekammer. Und doch bestätigt er: Auch in den Praxen werden Mitarbeiter immer wieder angegangen.

&bdquo;Der Ton wird besonders seit der Pandemie rauer“, sagt er. Insbesondere da, wo es eine ablehnende Antwort geben könnte: etwa beim Amt, aber eben auch im medizinischen Bereich.

Ablehnung schafft kritische Situationen &bdquo;Wir haben im vergangenen Jahr mit der Kriminalpolizei Kontakt aufgenommen“, erklärt Faust. Die habe mitgeteilt, es seien in den vergangenen drei Jahren nur zwei Fälle körperlicher Gewalt in Lippe gemeldet worden - auch wenn es sicher ein großes Dunkelfeld gebe. Angefangen mit einer unfreundlichen Kommunikation gegenüber den Praxismitarbeitern und Beleidigungen, bis hin zu verbalen und körperlichen Angriffen. Körperliche Auseinandersetzungen seien auch nur die Spitze des Eisbergs, wie er sagt. &bdquo;Was darunter ist, wird vielleicht meistens geschluckt.“

Er selbst - seit 20 Jahren niedergelassen - habe Patienten deshalb auch schon aus seiner Praxis verwiesen. &bdquo;Wir achten bei uns auf eine Atmosphäre, die Deeskalation schafft“, sagt Faust. So würden problematische Patientengespräche etwa nicht von nur einem Mitarbeiter allein geführt. Er nennt ein Beispiel für die Entstehung einer möglicherweise kritischen Situation:

Besonderer Schutz Ein Patient habe von seinem Arzt Schlaftabletten verschrieben bekommen, die Vertretungspraxis wolle für diese aber nicht ohne Weiteres ein neues Rezept ausstellen. Auch solche Situationen könnten kritisch werden, insbesondere bei Patienten, die nicht so fest mit der Praxis verbunden seien. Und natürlich könnte auch mal ein Praxismitarbeiter einen schlechten Tag haben. &bdquo;Schwierig, wenn alles zusammenkommt.“

Deshalb werde vonseiten der Kammern versucht, Ärzte zu sensibilisieren, es gebe Fortbildungen mit und für Praxisteams, für dieses Frühjahr sei wieder eine Veranstaltungsreihe geplant. Denn eins dürfe nicht vergessen werden: Auch das Unterschwellige wie Pöbeleien oder Unfreundlichkeit belaste die Mitarbeiter. Kommunikation sei ein großes Thema in den Gesundheitsberufen.

Und auch der Gesetzgeber sei gefragt: &bdquo;Gesundheitsberufe müssen im Hinblick auf den besonderen Schutz vor Gewalt den Not- und Rettungsdiensten gleichgesetzt werden.“ In Bezug auf Gewalt gegen Letztere gelte ein verschärftes Strafrecht.

Um Deeskalation bemühen Denn auch in Lippe ist Gewalt gegen Einsatzkräfte ein Thema, heißt es aus der Pressestelle der Kreisverwaltung, sei aber nicht vergleichbar mit Großstädten. &bdquo;Zwischen acht und zwölf Fälle werden bei uns im Jahr gemeldet“, im vergangenen Jahr seien es zwölf bei über 60.000 Rettungsdiensteinsätzen gewesen, wie Anne Lehmeier auf Nachfrage erklärt. Manch ein Vorfall sei allerdings auch dem Krankheitsbild des Patienten geschuldet, etwa bei Verletzungen eines Sanitäters während eines epileptischen Anfalls des Patienten.

Durch ein deeskalierendes Verhalten der Mitarbeitenden ließen sich viele Situationen beruhigen - außer bei Einsätzen mit berauschenden Substanzen, in denen Drogen oder Alkohol eine Rolle spielen oder sich der Patient in einer psychischen Ausnahmesituation befindet. &bdquo;Alle Einsätze, in denen Einsatzkräfte Gewalt erfahren mussten, werden konsequent zur Anzeige gebracht.“

Schützen und Vorsorge Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband Westfalen-Lippe fordert einen besseren Schutz für Beschäftigte in Praxen und organisiert Angebote zur Gewaltprävention, Deeskalation und Selbstverteidigung. Das löse zwar nicht die Ursache des Problems, helfe aber im Umgang mit aggressivem Verhalten, erklärt Vorsitzender Lars Rettstadt in einer Mitteilung. Bereits im Januar sei die zunehmende Gewalt gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen Thema im Gesundheitsausschuss des NRW-Landtags gewesen.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version wurde ein Beispiel hinsichtlich einer Dringlichkeitsüberweisung zu einem HNO-Arzt genannt. Dieses Beispiel war überspitzt und wurde gelöscht, um weitere Irritationen zu vermeiden.

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